Jobcenter-Chef von ERH: "Idee von Hartz IV ist gescheitert"

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Das Jobcenter in Höchstadt betreut die unterschiedlichsten Hartz-IV-Empfänger. Foto: Andreas Dorsch
Das Jobcenter in Höchstadt betreut die unterschiedlichsten Hartz-IV-Empfänger.  Foto: Andreas Dorsch
Bei einem Angriff auf einen Mitarbeiter kann Alarm ausgelöst werden. Dann blinkt bei den Kollegen diese Meldung auf. Foto: A. Dorsch
Bei einem Angriff auf einen Mitarbeiter kann Alarm ausgelöst werden. Dann blinkt bei den Kollegen diese Meldung auf. Foto: A. Dorsch
 

Jobcenter-Geschäftsführer Norbert Ratzke zieht Bilanz. Den typischen Hartz-IV-Empfänger gibt es auch im Landkreis Erlangen-Höchstadt nicht.

Zehn Jahre gibt es jetzt Hartz IV. "Aber den typischen Hartz-IV-Empfänger gibt es nicht", stellt Norbert Ratzke fest, Geschäftsführer des Jobcenters Erlangen-Höchstadt. In dessen Filialen in Höchstadt und Erlangen werden die Menschen betreut, die Leistungen nach Hartz IV beziehen.

Ihre Kunden seien "ein breiter Strauß, bunt wie die Gesellschaft", sagt Ratzkes Stellvertreterin Heike Ruopp. Da gehören Leute dazu, die seit Jahren aus dem Arbeitsleben draußen sind. Frauen, die sich von ihren Männern getrennt haben und neu orientieren müssen.

Es sind aber auch junge Menschen dabei, die nach dem Studium Hartz IV beantragen, bis sie einen Job gefunden haben. Hier sei oft die fehlende Krankenversicherung die Triebfeder, verrät Norbert Ratzke, denn die Krankenversicherung bekommen Hartz IV-Empfänger bezahlt.
Die jungen Akademiker bezeichnet er als Premiumkunden, weil sie schnell wieder weg sind und ins Berufsleben einsteigen.

Zum Hauptklientel des Jobcenters gehören auch alleinerziehende Mütter. Da gibt es beispielsweise die junge Sozialpädadogin mit einem Kind, die zwar halbtags arbeitet, die aber als aufstockende Leistung auch Hartz IV beziehen kann, weil ihr Einkommen aus dem Halbtagsjob nicht ausreicht, um den Lebensunterhalt für sich und ihr Kind zu decken.

399 Euro Regelsatz

Der Hartz-IV-Regelsatz für einen Erwachsenen liegt bei 399 Euro. Lebt der mit einem Partner zusammen, kommen noch einmal 80 Prozent hinzu. Für Kinder gibt es dann weitere abgestufte Sätze. "Aber der Regelsatz ist nur ein Teil der Leistungen", betont Ratzke. Zum Regelsatz kommt das Geld für die tatsächliche Miete hinzu. Kosten für erforderliche Umzüge - wenn sich eine Frau von ihrem Mann trennt, oder die Wohnung durch Kinder zu klein geworden ist - werden übernommen.

Überhaupt gibt es für Kinder eine ganze Reihe von zusätzlichen Leistungen. Das beginnt mit den Kosten für eine Erstausstattung. Darunter fallen Kinderwagen, Bett, Schrank und die Kinderkleidung. Für die Einschulung gibt es später ebenso einen Zuschuss wie für das Mittagessen in der Schule und eventuelle Fahrtkosten.

Entscheidungen der Mitarbeiter des Jobcenters können auch schon mal heftige Proteste auslösen, wenn Mütter zwei Jahre nach dem ersten Kind wieder kommen und eine neue Erstausstattung fordern. Da müssen sie dann mit einem Gutschein für einen gebrauchten Kinderwagen aus dem Sozialkaufhaus vorlieb nehmen, sagt Ratzke.

Der Geschäftsführer des je zur Hälfte vom Landkreis und der Arbeitsagentur getragenen Jobcenters sieht die zehn Jahre Hartz IV nicht gerade als Erfolgsgeschichte. So sei es die Idee von Hartz IV gewesen, die Verwaltung zu vereinfachen, indem verschiedene Ansprüche gesammelt und in einen Regelsatz hineingepackt werden sollten. "Das ist grandios gescheitert", stellt Ratzke heute fest, "die Vereinfachung ist auf der Strecke geblieben". Die Gerichtsbarkeit würde immer mehr Ausnahmen festlegen und das Hartz-IV-Regelwerk erweitern.

Die Zahl der Hartz-IV-Empfänger hält sich im Landkreis Erlangen-Höchstadt in Grenzen. Mit 550 bis 650 liegt die Quote seit Jahren durchschnittlich bei 0,8 Prozent. Damit rangiert Erlangen-Höchstadt unter den besten fünf bis zehn Gebietskörperschaften in Deutschland.

Drohungen und Beschimpfungen

32 Mitarbeiter zählt das Jobcenter an seinen beiden Standorten Höchstadt und Erlangen. Um für einen Überfall - wie dem in Rothenburg, als ein Jobcenter-Mitarbeiter von einem Kunden erstochen wurde - gerüstet zu sein, gibt es auch ein spezielles Alarmierungssystem. Ein echter Alarm müsste in Höchstadt noch nicht ausgelöst werden. Bisher ist es bei Beschimpfungen und Drohungen geblieben.