Ich möchte mein Glück heute so weit wie nur möglich mit anderen teilen. Persönlich plane ich nicht mehr so viel oder weit im Voraus, lasse mich lieber davon überraschen, was der Tag für mich bereithält, ohne mich zu viel mit dessen Banalitäten auseinanderzusetzen. Ich bewerte und vergleiche nicht mehr. Stattdessen nehme ich die Situation im Hier und Jetzt an, ohne groß nach dem Warum zu fragen, akzeptiere was ist und mache das Beste daraus. Ich denke nicht mehr über Menschen nach, denen ich nicht passe wie ich bin, sondern schätze diejenigen, welche bedingungslos an meiner Seite stehen.
Was nehmen Sie aus Ihrer Arbeit mit in Ihr Leben?
Ich habe gelernt, dass diese Familien kein Mitleid möchten, sondern Mitgefühl. Da reicht es oftmals schon, einen Kuchen zu backen oder auf ein Geschwisterkind aufzupassen. Diese werden in all der Angst und Trauer um ihre Geschwister nämlich oft ein wenig vergessen.
Egal ob reden oder schweigen, lachen oder weinen, suchen oder finden - alles ist leichter zu ertragen, wenn man sich nicht alleingelassen fühlt. Das ist auf alle Lebenssituationen übertragbar.
Was sind Ihre Beweggründe für diese ehrenamtliche Arbeit?
In erster Linie sind es die Kinder und die besonderen Umstände in ihren Familien. Ich möchte verständnisvoll hinschauen, geduldig zuhören und eine Hand reichen, wo andere sich aus Furcht lieber abwenden.
Wie gehen Sie mit den speziellen Grenzerfahrungen zwischen Leben und Tod, zwischen Fröhlichkeit/Dankbarkeit und Traurigkeit um?
Ich lerne die Kinder in ihrer letzten Lebensphase kennen und es freut mich, den betroffenen Familien viel Zeit und Unterstützung zu geben. Man betet gemeinsam für die Kinder und es berührt mich, zu erleben, dass Kinder oft, wenn es aufs Ende zugeht, einen entspannten und erlösten Ausdruck zeigen. Kinder geben mir fürs eigene Leben so viel mit wie zum Beispiel, nicht an morgen zu denken, sondern das Heute zu leben. Und schon gar nicht an das Vergangene oder wieso weshalb warum ich betroffen bin.
Ich spüre und weiß auch, dass ich nicht mehr helfen kann und dabei komme ich oft an meine eigenen Grenzen. Ich kann nichts retten, kann nur helfen, dass der kleine Patient ruhevoll und geborgen ist. Ich weiß, dass das Kind, das ich mitbetreue, sterben muss und dass alle sich verabschieden müssen. Aber wir sehen uns wieder. Ich beobachte immer wieder, dass die Familien mit solchen Schicksalen früh an ihre Grenzen stoßen und sich viel zu spät Hilfe holen. Familien zerbrechen, viele können mit diesem Leid nur schwer umgehen. Auch hier helfen wir wieder und gehen bis zum Ende, manchmal auch darüber hinaus mit.
Für uns Kinderhospizbegleiter ist die Teilnahme an der Beerdigung dann ein feierlicher Schlusspunkt. Die nächste Begleitung wird kommen und ein nächstes Kind freut sich auf mich. Auch dieses wird wahrscheinlich sterben, aber ich freue mich auf die Begegnung mit ihm und seiner Familie, auch wenn ich dabei wieder an meine Grenzen stoße.
Auch der Weg durch die Trauer ist für die Familien eine Grenzerfahrung, die sie oft noch lange begleitet und Angehörige und Freunde herausfordert.
Wie schnell ist der Satz "die Zeit heilt alle Wunden" gesagt, und die trauernde Familie kann die Grenzen ihrer Trauer noch gar nicht ermessen und von heil werden ist noch keine Rede. Dann wird die Zeit auch noch vorgegeben und nach einem Trauerjahr sollte doch alles erledigt sein und alle wieder funktionieren. Doch so ist das nicht. Jeder darf und soll sich die Zeit nehmen, die er benötigt.
Der Kinder- und Jugend-Hospizdienst begleitet Familien über den Tod ihres Kindes hinaus. Es gibt Trauergruppen für verwaiste Eltern, Sternenkinder, aber auch für Geschwisterkinder, sowie das Trauerwerk im E- Werk Erlangen für trauernde Jugendliche und junge Erwachsene. Wenn ich mich aus einer Familie verabschiede, versuche ich den Weg in solche Angebote zu bahnen. Das Gespräch führte Johanna Blum.