Dekan Kilian Kemmer ist seit 25 Jahren Priester und hat fast all die Jahre in St. Georg gewirkt. Für einen Weggang aus Höchstadt hat er bisher keine Notwendigkeit gesehen. Zu seiner Lebensentscheidung steht er nach wie vor.
Am Dienstag vor 25 Jahren wurde Höchstadts Dekan Kilian Kemmer zum Priester geweiht. Rückblickend auf dieses Vierteljahrhundert stellte er sich den Fragen des Fränkischen Tags.
Was hat Sie in ihrer Jugend dazu bewogen, den Berufsweg des Priesters einzuschlagen?
Kilian Kemmer: Ich bin sehr dankbar, in einer religiös geprägten Familie aufgewachsen zu sein. Da gehörte es dazu, in der Pfarrgemeinde mitzuarbeiten. Unsere Pfarrkirche in Bamberg war 100 Meter von meinem Elternhaus entfernt und seit der zweiten Grundschulklasse war ich dann Ministrant und habe viele Priesterpersönlichkeiten aus nächster Nähe kennenlernen dürfen. Die einen haben mich sehr angesprochen, die anderen waren eher abschreckende Beispiele. Ganz besonders prägten mich ein Verwandter, der Mönch und Theologieprofessor im Kloster Einsiedeln in der Schweiz war und mein Heimatpfarrer, der mittlerweile 82 jährige Karmelitenpater Titus Wegener. Doch die Basis stellten Elternhaus und Familie dar.
Sie kamen als junger Kaplan nach Höchstadt und haben auch schon bald als Nachfolger von Michael Dötzer die Pfarrei St. Georg übernommen. Mit welchen Schwierigkeiten hatten sie in den ersten Monaten als sehr junger Stadtpfarrer zu kämpfen und wie war ihre Akzeptanz in der Pfarrgemeinde?
Die Aufnahme war überwältigend. Über Akzeptanz kann ich bis heute nicht klagen. Obwohl wir in vielen Dingen ganz unterschiedliche Ansichten hatten, verstand ich mich auch sehr gut mit meinem Vorgänger Michael Dötzer, den ich bis zu seinem letzten Atemzug begleitet habe.
Er legte mir auch keine Steine in den Weg. Da gab es andere Leute, denen ein positives Erscheinungsbild des kirchlichen Lebens ein Dorn im Auge zu sein schien. Heute sehe ich das gelassener. Ich weiß, dass ich an all den Widerwärtigkeiten, die mir gezielt gegolten haben, nur reifen durfte und dass ich heute eigentlich Mitleid habe mit Menschen, die ihre eigenen Probleme auf mich projizieren.
Was hält Sie nun schon seit über 20 Jahren in Höchstadt? Hätte es in dieser Zeit für Sie nicht auch Möglichkeiten gegeben, sich zu verändern?
Als ordentlich installierter Pfarrer genießt man kirchenrechtlich einen geradezu unverrückbaren Status. Allerdings stellt es wirklich heutzutage eine Seltenheit dar, dass jemand so lange auf einer Stelle bleibt. Doch zum einen gab es keine objektiven kirchenrechtlichen Gründe, mich zu versetzen. Zum anderen empfinde ich keinen Überdruss, so dass ich mich weg bewegt hätte.
Auch meine Tätigkeit an der Schule und die Vernetzung mit allen Schulen spielt hier eine wichtige Rolle. Es ist doch ganz schlimm, wenn Pfarrer, die nicht in der Schule unterrichten, sich dann in einem Schulgottesdienst vor die Lebenswirklichkeit der Schule stellen und Grimms Märchen erzählen. Ich wollte immer unterrichten und mit jungen Menschen in der Schule Kontakt haben. Das kann ich hier in Höchstadt gut realisieren.
Ich bemühe mich deshalb, nach wie vor meine ganze Kraft für die Kirche vor Ort einzusetzen. Ich denke nicht über eine Halbtagstätigkeit oder Versetzung nach. Ich hätte Möglichkeiten genug, mich zu verändern. Darin habe ich bislang keine Notwendigkeit gesehen und Karrieristen waren mir schon immer zu wider.
Katholiken und Geistliche aus Nachbarpfarreien blicken neidvoll auf St. Georg, wenn wieder einmal eine Höchstadter Gruppe beim Papst in Rom eine Audienz bekommt. Wie kommt es zu Ihren offensichtlich guten Beziehungen zum Vatikan?
Gott sei Dank habe ich viele gute Freunde, die nicht in Höchstadt leben. Unter anderem habe ich auch gute Freunde und Bekannte in Rom.
25 Jahre Priester - gab es Momente, in denen Sie die Entscheidung für diesen Lebensweg schon einmal bereut haben?
Natürlich. Jeder erlebt Enttäuschung, spürt seine Grenzen und fragt sich: War das der richtige Weg für mich? Stellt der Priesterberuf wirklich meine Berufung dar? So fragen sich Eheleute auch nach Jahren ihrer Gemeinsamkeit oder Menschen, die in ihrem Beruf keine Freude mehr empfinden. Aber letztlich wusste ich immer, dass bei allen Sorgen, Fragen, Nöten und auch in meiner persönlichen Schuld und Sünde Menschen zu mir stehen und mich begleiten.
Und was noch viel wichtiger ist: Als Christ an einen Gott glauben zu dürfen, der Verständnis für menschliche Defizite und Überforderungen hat, ein Gott, der dir in den Tiefpunkten des Lebens die Treue hält und an den du dich halten kannst. Deshalb bleibt mir auch das Symbol des Kreuzes so wichtig. Im Blick auf das Kreuz lerne ich, Schwierigkeiten zu tragen, zu ertragen zusammen mit einem, der selbst existentiell um die Last des Kreuzes weiß.
Thema Zölibat: Verspüren Sie nicht manchmal den Wunsch nach einer Partnerschaft und der Gründung einer eigenen Familie?
Ich habe noch vier Geschwister, die Familie haben. Ich bin sehr dankbar für ein sehr ausgeprägtes Familienleben, das ich in meiner Kindheit und Jugend wohltuend erlebt habe. Auf diesem Hintergrund gab und gibt es immer wieder Situationen, wo die Frage nach einer eigenen Familie eine Rolle spielte.
Was mich vor allem geschmerzt hat, wegen des viel zu frühen Todes ohne Vater groß werden zu müssen. Und auch meine Mutter ist schon vor neun Jahren heimgerufen worden und ich hätte sie gerne noch länger gehabt. Umgekehrt kenne ich auf Grund der persönlichen Erfahrung und durch die tägliche Arbeit die vielfachen Herausforderungen von Familien sehr gut. Bestimmt 70 Prozent meiner seelsorglichen Arbeit befasst sich in allen möglichen Facetten mit familiären Problemen. Da relativiert sich auch wieder viel.
Über das Zölibat wird mir in diesem Zusammenhang viel zu viel gelabert. Mich hat niemand zu diesem Schritt gezwungen. Ich habe mich freiwillig für diesen Lebensstil entschieden. Die Kirche hat zunächst einmal das Recht, die Lebensform ihrer Priester so festzulegen. Auch zu dieser Einsicht bin ich schon lange gekommen. Und zu Lebensentscheidungen hat man trotz Schwierigkeiten und innerer oder äußerer Nöte nach meiner Überzeugung einfach zu stehen.
Wie haben sich die Anforderungen an einen katholischen Priester in den vergangenen 25 Jahren verändert?
Die gewaltigen Umbrüche in Staat, Gesellschaft und Kirche fordern. Aber, weil ich meine Kirche liebe, versuche ich zu hören, was sie auf Grund des Evangeliums der Welt von heute zu sagen hat. Die Frage: Was will Gott uns heute sagen?, bleibt für mich zentral. Und weil ich die Menschen liebe, versuche ich zu hören, wo sie der Schuh drückt und dann suchen wir gemeinsam nach Antworten.
Nur in kommunikativer Liebe, die zuerst hört und dann antwortet, kann ich mit einer gehörigen Portion Gottvertrauen den Wandel unserer Tage im Licht des Glaubens sehen und ertragen. Damit versuche ich einen Beitrag zu leisten, dass eine Zivilisation der Liebe möglich bleibt und der Grundwasserspiegel der Werte nicht gegen Null fährt.
Die Fragen stellte Andreas Dorsch.