Erinnerung an den Tsunami: Ein Schulhaus als kleiner Trost

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Zerstörung am Strand, im Hintergrund die Notunterkunft, in der erste Familien untergebracht wurden. Fotos: Archiv Waltraud Enkert/privat
Zerstörung am Strand, im Hintergrund die Notunterkunft, in der erste Familien untergebracht wurden. Fotos: Archiv Waltraud Enkert/privat
In der Notunterkunft
In der Notunterkunft
 
Verwüstung am Strand
Verwüstung am Strand
 
Die neue St. Mary's Primary School
Die neue St. Mary's Primary School
 
Alte Frau bettelt Karin Knorr um Hilfe an.
Alte Frau bettelt Karin Knorr um Hilfe an.
 
Zerstörung am Strand
Zerstörung am Strand
 
Hier sind 368 Tsunami-Opfer begraben.
Hier sind 368 Tsunami-Opfer begraben.
 
Schule an der Einweihung
Schule an der Einweihung
 
In der Notunterkunft
In der Notunterkunft
 
Zerstörung am Strand
Zerstörung am Strand
 
 
 
Mann will ein Netz reparieren
Mann will ein Netz reparieren
 

Fast auf den Tag genau vor zehn Jahren starben zahlreiche Menschen durch die Riesenwelle im Arabischen Meer, Häuser wurden weggespült. Spender aus Höchstadt und Umgebung leisteten ihren Beitrag für die Tsunami-Opfer der Stadt Colachel in Südindien.

Die St.-Mary's Primary School ist ein großes Schulhaus in Südindien, genauer in Colachel im Bundesstaat Tamil Nadu. Erbaut im Jahr 2006 - mit Spenden aus Höchstadt. 100 000 Euro hat das Schulhaus gekostet, 1000 Schüler haben darin Platz. Das Gebäude ist eine kleine Entschädigung dafür, was den Bewohnern dieser Region am südlichsten Zipfel Indiens zugestoßen ist: der Tsunami.

Am 26. Dezember 2004 walzt die Riesenwelle alles nieder, was sich in Ufernähe befindet. Zahlreiche Menschen müssen ihr Leben lassen. Die Flut reißt auch Häuser mit sich, in denen vorwiegend Fischer mit ihren Familien lebten, und die von heute auf morgen mit nichts dastehen.

Die Initiative: Noch im Dezember 2004 ruft der Fränkische Tag eine Spendenaktion für die Tsunami-Opfer ins Leben.
Über seine Bamberger Arbeitskollegin Petra Lang hat FT-Redakteur Andreas Dorsch erfahren, dass es die Region um die 35.000-Einwohner-Stadt Colachel stark getroffen hat. Dort wirkt Pfarrer Jeremias, der schon zuvor in der Urlaubszeit Pfarrer Walter Ries in Stegaurach (vorher in Gundelsheim) vertrat.

Die Unterstützer: Die Höchstadter Kreissparkasse richtet ein Spendenkonto ein. Die Stadt Höchstadt mit Bürgermeister Gerald Brehm (JL), die Vestenbergsgreuther Firma Martin Bauer, die damalige stellvertretende Landrätin Karin Knorr (FW) sowie die evangelische und die katholische Kirchengemeinde Höchstadt unterstützten die Aktion des Fränkischen Tags.

Die Spender: Innerhalb weniger Wochen sind bereits 40.000 Euro auf das Konto eingegangen. Menschen aus Höchstadt und der gesamten Umgebung nehmen Anteil am Schicksal der vom Tsunami betroffenen Menschen. "Hilfe für Colachel" wird gegründet.

Die Situation vor Ort: In einem der regelmäßigen Treffen der Lenkungsgruppe erklärt sich die stellvertretende Landrätin Karin Knorr bereit, die Situation vor Ort anzusehen. Im Mai 2005 fliegt sie nach Südindien, begleitet wird sie von FT-Redakteurin Waltraud Enkert. Dort treffen beide Pfarrer Jeremias. Der hatte nicht übertrieben mit der Beschreibung der Lage: Menschen sitzen vor Ruinen, offensichtlich noch geschockt von dem, was passiert war.

Pfarrer Jeremias zeigt seinen Besuchern die schlimmsten Auswirkungen. Kinder spielen auf Trümmerhaufen. Ein alter Mann sitzt am Strand und versucht, ein verworrenes und zerrissenes Fischernetz zu reparieren. Hunderte verloren ihr Leben, Jeremias zeigt die gemeinsame Grabstätte. "Die Stadt lebte fast ausschließlich vom Fischfang - das geht jetzt nicht mehr", sagt ein Mitglied aus dem Pfarrgemeinderat. Ein Teil der Obdachlosen wohnt Ende Mai bereits in der von der Regierung eingerichteten Notunterkunft aus Wellblech: Hütte an Hütte ohne Fenster, viele mit kleinen Kindern, bis zu zehn Menschen auf engstem Raum.

Das Projekt Schule: Auch die alte, kleine Schule war durch den Tsunami beschädigt worden. Pfarrer Jeremias ist überzeugt, dass vor allem durch Bildung der Kinder den Menschen in Südindien eine bessere Zukunft ermöglicht wird. Deshalb schlägt er vor, eine Schule zu bauen. Ein geeignetes Grundstück - heller Sandboden, von Palmen umsäumt - ist bereits im Besitz der Diözese Kottar, zu der Colachel gehört.

Die Patenschaften: Schulbesuch - das ist für viele Kinder in Südindien ein Fremdwort. Sie müssen mithelfen, die Familie zu ernähren. Begleiten ihre Väter beim Fischen, anstatt in die Schule zu gehen. Die Eltern haben nicht das Geld, um Bücher und Hefte zu kaufen. Deshalb regt Jeremias, unabhängig von den Spenden für die Tsunami-Opfer, Patenschaften für Schulkinder an. Rund 150 Paten aus dem Raum Höchstadt helfen - bis heute - mit erst 8, später 10 Euro pro Monat.

Die Bauarbeiten: Auf das Höchstadter Spendenkonto sind inzwischen 74 000 Euro eingegangen. 100 000 Euro wird eine neue Schule verschlingen, so Pfarrer Jeremias. Es bleibt ein Restbetrag, der im Laufe der folgenden Wochen durch weitere Spenden immer kleiner und schließlich gestemmt wird. Pfarrer Jeremias organisiert bereits den Neubau. Indische Firmen errichteten die Schule. Der Einweihungstermin steht fest.

Die Einweihung: Am 8. November 2006 geht es feierlich zu. Eine Delegation aus Höchstadt ist dabei, als Pfarrer Jeremias die St. Mary's Primary School feierlich unter den Segen Gottes stellt.Rund 500 indische Kinder sind anwesend. Die Freude über das neue Schulhaus ist ihnen anzusehen.

Folgeprojekt: Auch der Aischgründer Rotary Club unterstützt Colachel mit dem Bau eines Wasserspeichers. Ende November 2009 geht die Anlage in Betrieb, die mehr als tausend Familien mit frischem Trinkwasser versorgen kann. Installiert wird die Anlage in der neu angelegten Wohnsiedlung mit knapp 400 Häusern. Hier fanden obdachlos gewordene Familien ein neues Zuhause.

Und heute: Hunderte von Kindern haben inzwischen ihren Abschluss an der neuen Schule gemacht, viele von ihnen studieren weiter oder beginnen eine Ausbildung. Oder sind selbst zum Helfer geworden: "Sobald sie eigenes Geld verdienen, unterstützen sie damit arme Kinder", berichtet Pfarrer Jeremias stolz. In der Schule ist auch ein Kindergarten untergebracht, um das Gebäude auszulasten.