Sprache ist der Schlüssel zur Integration. An der Berufsschule in Höchstadt beenden minderjährige Flüchtlinge bald ihr erstes Schuljahr. Für die Ferien werden jetzt Freiwillige gesucht, die die Jugendlichen weiter unterrichten. Wir waren zu Besuch in der Flüchtlingsklasse.
" Nein, den Salat habe ich nicht. Ich habe die Tomaten", schallte es aus dem CD-Player. Rafiq Aldoais will eigentlich seine Unterrichtsstunde beginnen, muss aber erst einen Schüler ermahnen, sich doch bitte vom Tisch auf einen Stuhl zu bewegen. Die 14 Schüler seiner Klasse sind zwischen 16 und18 Jahre - und verhalten sich wie ganz normale Jugendliche.
Dabei ist diese Klasse alles andere als normal. Geschwätzt wird hier in acht Sprachen. Die Schüler kommen aus Äthopien, Eritrea, Somalia, Afghanistan, Syrien und Kurdistan. "Jeder von den Jungs hat seine eigene Geschichte", erzählt Aldoais. Viele seien traumatisiert angekommen und hätten Monate gebraucht, um etwas aufzutauen.
Jeder Schüler ist anders Er hat viele Gespräche mit ihnen geführt, kennt die Hintergründe ihrer Flucht, weiß um ihre unterschiedlichen Vorkenntnisse.
Manche seiner Schützlinge haben in ihrem Heimatland bis zur neunten Klasse die Schule besucht. "Es gibt aber auch zwei oder drei, die noch nie in einer Schule waren", berichtet er. In solchen Fällen gebe es in Herzogenaurach spezielle Analphabeten-Kurse, die die Jugendlichen zusätzlich unterstützen.
Die Flüchtlingsklasse ist komplett darauf ausgerichtet, dass die Neuankömmlinge im ersten Jahr zuerst einmal die deutsche Sprache lernen. Von Montag bis Freitag haben sie Unterricht. Auf dem Stundenplan steht bis auf wenige Stunden Mathe immer nur Deutsch. Wenn sie nach den Ferien wiederkommen, wird es auch andere Fächer geben - zum Beispiel Landeskunde. "Deutsch ist eben die Grundlage für alles", sagt Aldoais.
Um auch das tägliche Leben in Deutschland bewältigen zu können, lernen seine Schüler deswegen zuerst, wie man fragt und antwortet.
Abshir (16) und Shakir (18) aus Somalia stehen vor der Klasse und lesen vor. "Kennst du den Bruder von Kim?" - "Nein, ich kenne nur ihre Schwester". Aldoais hilft bei der Aussprache, achtet auf Deklination, weist die Schüler immer wieder auf die richtige Betonung hin. "Mehr Gefühl!", sagt er und macht noch einmal vor, wie am Ende einer Frage die Satzmelodie ansteigt. Wer schon ein bisschen mehr kann, improvisiert noch etwas dazu. Aus "Hast du den Salat?" macht Abshir spontan "Hast du den Salat, Bruder?" Die ganze Klasse brüllt vor Lachen, Abshir freut sich sichtlich, dass sein Witz gut ankam.
"Wir sind weit gekommen", resümiert Aldoais nach der Stunde. Zu Beginn des Schuljahres seien seine Schüler noch sehr schüchtern gewesen. Nun freut er sich darüber, dass sie durch die neuen Sprachkenntnisse etwas selbstbewusster geworden sind. "Sie wollen sich von Anfang an integrieren, aber sie haben Angst. Sie wissen nicht, was sie sagen sollen.
Es ist schön zu sehen, dass sie sich jetzt mehr trauen", sagt er.
Das Ziel ist, dass die Flüchtlinge den qualifizierenden Hauptschulabschluss machen können. Bei besonders fleißigen Schülern arrangiert Aldoais aber auch schon jetzt, dass diese für einen Tag in der Woche in eine reguläre Klasse gehen. Danach spricht er mit ihnen darüber, wie viel sie verstanden haben."Wenn sich jemand besonders hervortut, ist es auch möglich, dass er vielleicht sogar aufs Gymnasium wechselt", berichtet Martin Burda vom Verein Puckenhof, der auch minderjährige Flüchtlinge betreut.
Deutschlehrer gesucht Seit Anfang des Monats sind 14 Jugendliche in Adelsdorf - sie können aber erst zum nächsten Schuljahr mit dem Unterricht anfangen. Deswegen sucht Burda nun nach Freiwilligen, die den Neuankömmlingen etwas Deutsch beibringen möchten.
Ideal wäre jemand, der schon Erfahrungen damit hat, Deutsch als Fremdsprache zu lehren. Aber jeder, der sich das zutraut, soll sich gerne bei ihm melden.
Auf die Frage, was man als potenzieller Deutschlehrer braucht, lacht Rafiq Aldoais erst einmal. Dann sagt er: "Geduld - und viel Humor!" Wichtig seien vor allem die richtige Satzstellung. Man müsse den Jugendlichen die Sprache vermitteln, wie es auch kleine Kinder lernen. Der Wortschatz komme dann bald von selbst. "Das wird auf jeden Fall keine normale Unterrichtsstunde!"
Wie Sie minderjährigen Flüchtlingen helfen können Deutsch-Unterricht 14 minderjährige Flüchtlinge sind am 1. Juli in Adelsdorf angekommen. Sie können erst im Herbst mit der Schule beginnen.
Deswegen werden Freiwillige gesucht, die in den Schulferien vormittags Unterricht geben.
Fitness Die Jugendlichen würden sich wahnsinnig über Sportgeräte freuen. Wer also ein paar Gewichte oder Sportgeräte übrig hat, kann sich gerne melden.
Beschäftigung Es können Patenschaften für einzelne Flüchtlinge übernommen werden, die dann zum Beispiel auf Ausflüge mitgenommen werden. Shakirs größter Wunsch ist es zum Beispiel, einmal einem DJ über die Schulter zu schauen.
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