Diskussionen im Internet und Mahnwache in Lonnerstadt: Die Sektenkinder bewegen die Menschen. Selbst die Mutter des Gurus schämt sich.
Maria Schüpferling hat lange geweint am Donnerstag. Und die halbe Nacht mit ihrer Familie über den WDR-Film "Sektenkinder - zum Dienen geboren" diskutiert. "Man kann nicht schweigen", sagt sie. "Dieser Familie muss doch geholfen werden."
So wie unserer Leserin geht es vielen, die den Zeitungsbericht gelesen und am Donnerstag den Film von Beate Greindl gesehen haben. Die Filmemacherin berichtet, ihr Sender habe reihenweise Zuschriften von geschockten Zuschauern bekommen. Ob sie glaube, dass ihr Film schädlich für die Kinder sei? "Nein. Ich denke, er wird langfristig etwas bringen."
Unterdessen wird auf
www.infranken.de das Thema weiterhin emotional diskutiert. Ein Lonnerstadter übt Selbstkritik: Er "wusste zwar, dass es hier eine Sekte gibt, aber nichts, was mir Anlass zur Sorge gab". Umso mehr ist er nun "schockiert, wie blind man sein kann". An Landrat Eberhard Irlinger (SPD), "ehemaliger Lehrer in Lonnerstadt", wendet er sich direkt: Er müsse wissen, dass "den Kindern diese Art von Öffentlichkeit in Lonnerstadt eher hilft als schadet. Weil dies dazu führt, genauer hinzusehen und zumindest etwas gegen die Ausgrenzung der Kinder zu tun".
Verweis auf UN-Kinderrechtskonvention
Ingrid Schumacher aus Frimmersdorf weist auf die UN-Kinderrechtskonvention hin, die Kindern ein Recht u. a. auf Freizeit, Spiel und Erholung zubillige. Ein anderer Diskussionsteilnehmer schreibt: "Ich komme aus Lonnerstadt, ich erlebte es zwei Jahre lang, wie die Kinder mit ihren Eltern im Morgengrauen, tagein, tagaus, mit den Fahrrädern an unserem Haus vorbei fuhren, egal ob es regnete oder schneite. Das Haus ist eine Ruine. Nur ein beheizter Raum, die Bausubstanz marode und klamm."
Im Kreuzfeuer steht der Guru, der laut Fernsehdokumentation in Ailsbach - wo er jetzt lebt - einen Ashram aufbauen möchte. Seine Mutter, die in Forchheim lebt, sagte unserer Zeitung, der 54-Jährige habe seit Jahren den Kontakt zu ihr abgebrochen, nachdem er bei einem längeren Aufenthalt in der Schweiz offenbar mit der Sekte in Berührung gekommen war. Bis zu dieser Woche habe sie nicht gewusst, was in Lonnerstadt vor sich geht. "Ich schäme mich. Was mir so weh tut, sind die Kinder, wenn die nicht genügend zu essen kriegen. Ich verstehe das nicht."
Im Lonnerstadt fand am Freitagnachmittag eine Mahnwache vor dem Kleebauerhaus statt, wo die "Weltdiener" untergebracht sind.
Über Facebook organisiert
Die Mahnwache hat Christina Plank über Facebook organisiert, nachdem sie am Donnerstag den Film gesehen hatte. Gemeinsam mit Grit Brauer und Diana Egelseer, allesamt junge Mütter, ist die Uehlfelderin aktiv geworden. "Wenn man nur daheim sitzt und Mitleid hat, ändert sich nix", sagt Christina Plank. Spontan kamen am Freitag 20 Menschen vor das Haus. "So was schockiert mich, ich kann es gar nicht begreifen", sagt Hella Sicker aus Weingartsgreuth.
Werner Herbolzheimer kam sogar aus Fürth. Er arbeitet in einem Kinderheim, über die Facebook-Seite "Rettet die Sektenkinder" kam er her. "Ärztliche Versorgung muss gewährleistet sein, hier ist das nicht der Fall." Herbolzheimer versteht das Jugendamt nicht. Er sei da "bevor was passiert."
Im WDR-Film kam ein Rechtsanwalt zu Wort. Sein Statement klang eher deprimierend (Justiz kann nix machen, kann keinen Detektiv hinschicken...). Kann sein. Aber das Jugendamt kann was machen. In anderen Fällen machen die ja auch was. Konkret: Jugendamt muss Gefährdungseinschätzung machen, § 8a SGB VIII. Wie das geht, ist in Fachkreisen bekannt. Oder sollte zumindes bekannt sein. Weiß man darüber schon was? Wenn man nichts weiß, kann es natürlich trotzdem sein, dass das JA trotzdem korrekt arbeitet und korrekt Tatsachen sammelt und diese bewertet und zum Familiengericht trägt - und die Öffentlichkeit weiß es halt nicht. Kann aber auch sein, dass das JA nicht korrekt arbeitet...Wichtig wäre also, sich darüber zu vergewissern, dass das JA die fachlichen Standards einhält.
Wieder sind unschuldige Kinder die Opfer, weil ihre Eltern noch nie etwas über destruktive Bewusstseinskontrolle erfahren haben. Bedauern und Verurteilen helfen nichts. Heute kann jeder im Internet nachlesen wie Menschen manipuliert werden können. Intelligente Menschen sind davon nicht ausgenommen.
Die Schule sollte der Lebensraum für die Sektenkinder sein, in dem sie ein würdiges Kinderleben führen dürfen.
Wenn diese Kinder gemobbt werden und keine geschlossene Klassengemeinschaft hinter ihnen steht, zweifle ich stark an den Fähigkeiten der Lehrer.
Wenn man nicht begreifen kann, weshalb die Kindesmutter als ehemalige Lehrerin einem Sektenguru hörig wurde, sollte dringend über destruktive Bewusstseinskontrolle aufgeklärt werden, die jedem passieren kann, vor allem jenen Menschen, die von sich behaupten, Herr über ihren Geist und ihre Entscheidungen zu sein.
Liebe Kommentatoren,
bitte überlegt doch mal Folgendes:
Das Jugendamt und alle offiziellen Stellen unterliegen dem Datenschutz, d.h. was hinter den Kulissen und nicht in den Medien unternommen wird, DÜRFEN die Behörden etc gar nicht öffentlich machen. Wenn z.B. das Jugendamt nach Möglichkeiten sucht, diese Kinder aus der Familie zu nehmen, gibt es doch keine Interviews darüber! Oder wie würdet ihr darüber denken, wenn z.B. ein Missbrauch an Kindern öffentlich gemacht und diskutiert wird? Überlegt mal, wie ihr den Kindern schadet!
Ihr brandmarkt gerade diese Kinder, die durch den Film sowieso schon öffentlich gedemütigt worden sind. Statt den Behörden SACHLICHE Infos darüber zu geben, wo man diesen Sektenanhängern an den Karren fahren kann, wird die Sache öffentlich diskutiert, was einer Hetzjagd gleicht.
Je größer der Druck auf die Eltern wird, desto eher entziehen sie sich den Ämtern, Möglichkeiten gibt es genug. Ein Umzug nur wenige Kilometer weiter und das Jugendamt ERH ist nicht mehr zuständig und die Ämter fangen ganz von vorne an. Kapiert doch, dass sicher etwas von Seite des Jugendamtes etc. passiert, dies aber nichts für sensationsgierige Mitbürger ist. Wer den öffentlichen Druck auf die FAMILIE erhöht, macht sich mitschuldig!
Wer hat den diese “öffentliche Demütigung” verursacht und den Filmemachern das Haus geöffnet, Einblick in das Familienleben und dem Filmteam ein Interview gegeben? --> Die Eltern.
Haben diese nicht darüber nachgedacht was sie damit ihren Kindern antun oder haben sie trotz Wissen darum, aber im blinden Gehorsam dem Guru gegenüber der diesen Film wollte, gehandelt? Ohne dieses Handeln hätte es diese öffentliche Diskussion, die in dem Beitrag angeprangert wird nie gegeben.
Siehe auch
http://www.christundwelt.de/detail/artikel/alles-fuer-einen/
dort wird erzählt wie es zu dem Film kam.