Motto für Konzert in Dechsendorf: Unterhaltung mit Haltung

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Klaus Eberhartinger von der EAV bei einem Konzertbesuch in Bamberg im Jahr 2008Archivfoto: Matthias Hoch
Klaus Eberhartinger von der EAV bei einem Konzertbesuch in Bamberg im Jahr 2008Archivfoto: Matthias Hoch

EAV-Sänger Klaus Eberhartinger verrät im Gespräch mehr über die Konzerte, was er von YouTube und Trachten hält, und warum früher nicht alles perfekt war.

Bei Live am See auf dem Open-Air-Gelände am Dechsendorfer Weiher ist in diesem Jahr die österreichische Kultband Erste Allgemeine Verunsicherung (EAV) zu Gast. Mit Märchenprinz", "Ba-Ba-Banküberfall" und "Küss die Hand, schöne Frau" wurden sie in den 80er Jahren bekannt. In ihrem neuesten Album Werwolf-Attacke gesellt sich raffinierter Wortwitz zu bitterböser Satire.
Dass die Band, die inzwischen seit fast 40 Jahren besteht, noch lange nicht zur ernsten allgemeinen Verunsicherung verkommen ist, ist wohl vor allem der Tatsache geschuldet, dass sie die Probleme in Politik und Gesellschaft in eingängigen Melodien verarbeitet, ohne mit dem erhobenen Zeigefinger eine Richtung zu diktieren. Mit dem Werwolf-Album wird dem Zuhörer einmal mehr bewusst: Das Böse ist immer und überall.

Ihr neuestes Album Werwolf-Attacke zieht den Slogan "Monsterball ist überall" nach sich. Ein Revival von "Das Böse ist immer und überall"?
Klaus Eberhartinger: Das ist eine interessante Querverbindung. Ja, wenn man sich momentan so umschaut, ist es wirklich unglaublich, was sich auf der Welt abspielt. Die österreichische Bundespräsidentenwahl ist da auch so ein Thema - es herrscht ein unglaublicher Rechtsdruck. Und es spielt sich ja vor unseren Augen ab, und es wird sich weiterhin in Europa abspielen. Tja, es ist nicht leichter geworden.

Welche aktuellen Entwicklungen in der Welt machen Ihnen ansonsten Sorgen?
Die goldenen Zeiten sind vorbei. Jetzt haben wir Krisenherde, die noch dazu mit Religionskriegen kräftig unterfüttert sind. Die internationale Zusammenarbeit wird immer schwieriger, es geht nur noch um Wirtschaftswachstum. Alles andere scheint in die zweite oder dritte Reihe verdrängt zu werden. Das Umverteilungsproblem, die soziale Ungerechtigkeit - das sind Probleme. Überall gibt es eine Radikalisierung, nicht nur religiös. Das kann es aber noch lange nicht gewesen sein, da werden wir in den nächsten zehn, 15 Jahren Entwicklungen erleben, die auf jeden Fall weitere Unruhen mit sich bringen werden.

Erinnern Sie sich gerne an die "gute, alte Zeit"?
Jeder, der älter wird, sagt ja immer: Früher, da war alles besser. Aber nein: Es war früher auch nicht besser! Wir haben jetzt einfach sehr lange eine friedliche Periode erleben dürfen, Gott sei Dank. Und ob das jetzt weiter so bleibt, das ist momentan einfach nicht mehr ganz so sicher. Die Selbstverständlichkeiten sind weg. Auch die EU als Konstrukt ist in Gefahr, alles ist überwirtschaftet. Es ist nicht alles schlecht - die Umverteilungen stimmen einfach nicht mehr. Die Schere zwischen Arm und Reich klafft einfach immer weiter auseinander. Der berühmte Satz, der vor kurzer Zeit gefallen ist, dass die 62 Reichsten dieser Erde mehr besitzen als die 3,6 Millarden der Ärmsten, macht mich schon stutzig. Da stimmt doch etwas eindeutig nicht mehr!

Sehen Sie es als Pflicht an, sich als Musiker zu engagieren, zu kritisieren und zu provozieren?
Als Musiker sollte man durchaus seine politische Verantwortung wahrnehmen und Rückgrat beweisen, Haltung beziehen. Ich denke, jeder Einzelne sollte ein gewisses politisches Interesse zeigen. Es gibt ja durchaus viele Künstler, die sagen: Politik lassen wir außen vor, das geht mich nichts an. Sie können ja gerne über gebrochene Herzen oder die große Liebe, in der sie gerade ertrinken, schreiben und Befindlichkeitsnummern machen. Das ist ja auch okay. Aber wenn jemand sagt, dass er sich nicht für Politik interessiert, dann schreibt er sich für mich auf seine Stirn: "Ich bin saublöd".

In Ihrem Lied "Pfeif drauf" kritisieren Sie ebenjene, die sich nicht mit den politischen Problemen der Zeit auseinandersetzen.
Ja, das ist diese Scheiß-drauf-Mentalität. Ganz nach dem Motto "Meine Welt hört nach drei Metern auf, alles dahinter interessiert mich nicht". Die Medien und speziell das Fernsehen bieten natürlich auch immer mehr Sendungen an, die von Oberflächenunterhaltung leben und so der Verblödung Vorschub leisten. Dummheit verbreitet sich leider rasend schnell. Und da spricht dann natürlich auch das Recht. Dumme Leute sind einfach leichter zu regieren, zu manipulieren.

In Ihren Liedern treten Sie durchaus kritisch auf. Haben Sie je einen Songtext bereut? Zum Beispiel nach Kritik?
Nein, überhaupt nicht. Als wir damals Jörg Haider, den rechtsnationalen Star von Österreich, kritisiert haben, da wurden wir auch selbst kritisiert. Aber dazu stehen wir. Bei "Burli" gab es auch Auseinandersetzungen mit dem BR. Aber wie sich bei dem Song gezeigt hat, war das ja fast prophetisch, was wir da im Zuge von Tschernobyl gesagt haben. Wir haben schon geglaubt, die Nummer können wir eingraben, die werden wir nicht mehr brauchen ...
... und dann kam Fukushima. Im Lied "Mrs Fuckushima" verliebt sich "Burli" in das Strahle-Girl "Fukush-Irmi". Manche Themen sind heute immernoch so aktuell wie 1987.
Ja, leider. Fukushima hat uns bewiesen: Nein, das Thema ist nicht vom Tisch. Bei der Atomkraft kommt noch Etliches auf uns zu.

In "Theater um die Kunst" singen Sie über die Internet-Gratis-Mentalität. Was halten sie von dem modernen Internetphänomen Youtube?
Die Gratis-Mentalität ist für Künstler schon ein Problem. Ich finde das einfach nicht in Ordnung. Es liegt natürlich mit an der Entwicklung. Die alten, großen Plattenfirmen haben einfach den Einstieg ins Digital-Zeitalter verschlafen. Aber ich finde das Ganze auch verständlich: Wenn es an einer Tankstelle Sprit umsonst gäbe, würde ich auch dort tanken und versuchen, mich nicht erwischen zu lassen. Das Internet hat natürlich auch sein Gutes. Es ist eine freie Bühne für alle, eine Möglichkeit, die es vorher so nicht gegeben hat. Sein Können zur Schau zu stellen, ohne dabei berühmt sein zu müssen. Ich finde auch das ganze Bloggertum toll, aber die Gratis-Mentalität muss irgendwann einmal aufhören. Was noch dazukommt: Kaum hast du ein paar Abonnenten und dadurch eine gewisse Aufmerksamkeit, bist du gefundenes Futter für die Wirtschaft.

Noch ein modernes Phänomen: "Trachtenball ist überall", heißt es in ihrem Lied "Monsters of Trachtenball". Verkommt die Tracht zum Faschingskostüm?
Das ist leider eine Zeitgeisterscheinung. Solche hat es auf Partys immer gegeben, das ist ja auch okay. Es ist eine Frage der Mentalität und der Jugend. Was mir einfach sauer aufstößt, ist dieser alpenländische Ballermann. Unsere Hüttengaudi ist zum Ballermann geworden. Da zieht es viele Leute hin, die sich vorsätzlich ins Koma saufen wollen. Ich finde das nicht in Ordnung. Und leider wird die Tracht wirklich oft zum Faschingskostüm umdefiniert. Das ist einfach eine Beobachtung, die wir als Band in der letzten Zeit gemacht haben und in unserem Lied verarbeitet haben.

Wann wollen Sie das nächste Album herausbringen? Wird das Ihr Abschiedsalbum?
Ob es eine neue Platte gibt und mit welchen Nummern, das steht noch ein bisschen in den Sternen. Momentan ist geplant, ein Raritäten-Album herauszubringen zusammen mit einer Live-DVD der Werwolf-Tour. Ziemlich wahrscheinlich gibt es dann doch so eine Art Abschiedstournee 2018. Die können wir ja dann bis 2023 spielen. Aber irgendwann muss man sich auch einfach mit Anstand verabschieden.

Was erwartet die Fans bei den diesjährigen Sommerkonzerten?
Es wird ein Best-of-Programm geben. Die ein oder andere Nummer aus Werwolf-Attacke ist sicherlich dabei, die großen Hits werden mit Sicherheit auch gespielt werden. Ich werde mich auf den Konzerten auch der ein oder anderen Bosheit bedienen und die ein oder andere politische Bewertung machen. Wir wollen zeigen, dass die EAV eine politisch interessierte und - soweit es geht - auch politisch korrekte Band ist. Die ganzen alten Hits werden zumindest in den Moderationen einen aktuellen Bezug erhalten. Es wird auf jeden Fall unterhaltsam werden. Die Leute werden hinkommen und sich gerne an die alten Hits erinnern. Es kommen aber auch Themen vor, bei denen der ein oder andere schluckt. Unser Motto dabei ist: "Unterhaltung mit Haltung".