Eigentlich ging es bei der Diskussion ums Geld - aber eine Äußerung von Stadtratsmitglied Hans-Herbert Hartan (CSU) sorgte für Aufsehen bis nach Berlin.
Seit 2009 werden in Coburg "Stolpersteine gegen das Vergessen" verlegt. Die pflastersteingroßen Messingplaketten erinnern an Opfer der Nationalsozialisten. Aus personellen und finanziellen Gründen hatte der Stadtrat die Verlegung weiterer Stolpersteine 2016 ausgesetzt. 2018 sollen wieder welche verlegt werden, nachdem Privatpersonen Patenschaften dafür übernehmen. Allerdings hatte die Verwaltung vorgeschlagen, die Aktion erst 2021 wieder aufzunehmen, weil schon viel Geld für die Aufarbeitung der Coburger Geschichte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gebunden sei.
Im Zuge der Diskussion im Kultur- und Schulsenat vorige Woche sagte Hans-Herbert Hartan (CSU): "Ich habe grundsätzlich ein Problem damit - genauso wie der Zentralrat der Juden auch." So stand es im Tageblatt und auf dem Onlineportal infranken.de zu lesen. Dies rief nun Josef Schuster auf den Plan, den Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland.
In einem Brief an Hans-Herbert Hartan vom Montag, der auch dem Tageblatt zuging, schreibt Schuster: "Dazu möchte ich Ihnen mitteilen, dass im Führungsgremium des Zentralrats der Juden in Deutschland eine eindeutig positive Meinung zu Stolpersteinen vorherrscht. Auch ich persönlich halte Stolpersteine für eine sehr gute und würdige Art des Gedenkens an die Opfer der Schoa (
Holocaust, Anmerkung der Redaktion). Denn durch die kleinen Messingplatten im Boden kommen die Menschen im Alltag mit dem Thema unvorhergesehen in Berührung. Stolpersteine verdeutlichen, dass jene Menschen, die von den Nationalsozialisten grausam ermordet wurden, mitten unter uns gelebt haben und dass ihre Entrechtung und Verfolgung vor aller Augen passier ist. Durch das Lesen der Messingsteine verbeugen wir uns wortwörtlich vor ihnen."
Doch diese Ansicht teilt Hartan nach wie vor nicht, wie er dem Tageblatt sagte: Über Stolpersteine könne man auch einfach hinweg laufen. Ähnliche Kritik hatte immer wieder Charlotte Knobloch geäußert, Schusters Vor-Vorgängerin als Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland und Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern: Auf den Namen der Opfer werde "herumgetreten". Diese Argumentation hatte sich auch die Stadt München zu eigen gemacht, wo es bis heute keine Stolpersteine auf öffentlichem Grund gibt. Die Plaketten, die dort verlegt wurden, befinden sich bislang alle auf Privatgrund. Er habe sich auf Knobloch bezogen, stellt Hartan nun klar. "Wenn der Zentralrat der Juden in Deutschland das anders sieht, nehme ich das zur Kenntnis."
Schuster verweist in seinem Schreiben darauf, dass Stolpersteine "zum Nachdenken und Nachfragen" anregen würden. "Dass gerade viele junge Menschen sich dem Projekt in Form von Patenschaften annehmen, die dazugehörigen Biographien recherchieren und sich der Pflege der Steine widmen, halte ich für besonders lobenswert und für einen wichtigen Beitrag zu einer modernen Gedenkkultur."
Freilich seien Stolpersteine "nicht die einzige Form eines würdigen Gedenkens", stellt Schuster klar. "Das Anbringen einer Gedenktafel oder das Aufstellen von Stelen, wie beispielsweise in München angedacht, halte ich ebenfalls für adäquate Formen des Erinnerns."