Wo im Coburger Land noch Schmetterlinge leben

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Der aufgelassene Steinbruch bei Taimbach wurde zur Heimat von zahllosen Schmetterlingsarten. Fotos: Rainer Lutz
Der aufgelassene Steinbruch bei Taimbach wurde zur Heimat von zahllosen Schmetterlingsarten. Fotos: Rainer Lutz

Die Zeiten, als zahllose bunte Schmetterlinge über den Wiesen flatterten kehren wohl nicht zurück. Naturschützer des LBV kämpfen um den Erhalt der Arten, die bis heute überlebt haben.

"Pass mal auf!", sagt Alexander Ulmer. Dann rennt der Geschäftsführer des Landesbundes für Vogelschutz in Coburg über eine Grünfläche im Taimbacher Steinbruch. Im Nu schwirrt, flattert und gaukelt es bunt um ihn herum. Schmetterlinge! "So etwas gibt es nur noch ganz selten zu sehen", sagt der studierte Geoökologe, der sich für diese Exkursion Verstärkung geholt hat. Gerhardt Hübner ist Biologe und der Schmetterlingsexperte des LBV.

Dass die beiden ein Schmetterlingsnetz dabei haben, ist etwas sehr Ungewöhnliches. Was vor Jahrzehnten Hobby vieler Naturfreunde war, ist nämlich inzwischen verboten: Schmetterlinge fangen. Hübner, Ulmer und einige wenige weitere Helfer haben eine Sondergenehmigung der Höheren Naturschutzbehörde bekommen. Seit mehr als einem Jahr arbeiten sie an einer Kartierung der Tagfalterarten in der Region.
Schwer zu erkennende Arten werden eingefangen, bestimmt und wieder freigelassen.

Der verlassene Steinbruch bei Taimbach, der in der Verantwortung des Forstbetriebs Coburg der Bayerischen Staatsforsten liegt, wurde vom LBV angepachtet. Seither kümmert sich der Verband um die Fläche und das was darin kreucht und fleucht. Das ist allerdings einiges. Das kahle Gestein, das viel Sonne bekommt, bildet einen besonderen Lebensraum. Vor allem aber wird hier nicht gemäht. Die Pflanzen dürfen blühen und verblühen. "Wir haben hier 43 Tagfalter-Arten nachgewiesen", sagt Alexander Ulmer. Gerhard Hübner fängt an aufzuzählen: "Silberbläuling, Schachbrett, Landkärtchen ... ", viele davon sind seltene Arten. Andere nennen die beiden "Allerweltsarten".

90 Arten gibt es noch

Insgesamt sind im Coburger Land etwa 90 Tagfalter-Arten zu Hause. "Gemessen daran sind die 43 Arten, die hier vorkommen, ein sehr hoher Wert", erklärt Ulmer. Die beiden entdecken einen kleinen Schmetterling. Er ist schwarz mit roten Tupfen "Ein Sechsfleck", stellen beide fast gleichzeitig fest. Er gehört zu den Widderchen und ist als ein tagaktiver Nachtfalter etwas Besonderes. Die beiden Naturschützer scheinen ein wenig enttäuscht. Der Grund offenbart sich eine Weile später, als Gerhard Hübner begeistert einen ganz ähnlichen kleinen Kerl auf einer Blüte entdeckt: "Das ist ein Esparsettenwidderchen, das hatten wir hier noch nie", verkündet er. Später wird er weitere Exemplare entdecken.

Inzwischen erklärt Alexander Ulmer das Problem, das zum dramatischen Rückgang der Tagfalter-Arten geführt hat. Das Leben dieser bunten Gaukler ist kompliziert. Manche brauchen als kurzlebige Imago bestimmte Blüten, um zu existieren. Ihre Raupen sind wieder auf andere angewiesen. Verschiedene Bläulinge brauchen dann noch eine bestimmte Ameisenart in ihrer Nähe. Die Raupen verströmen nämlich ein Pheromon. Das lässt die Ameisen denken, sie hätten es mit einer ihrer Königinnen zu tun. Sie schleppen die Raupe in ihren Bau und versorgen sie wie ihre eigene Brut. Die Raupe bedankt sich dafür, indem sie sich auch noch von der eigentlichen Ameisenbrut ernährt. Schlüpft dann im Frühling der Schmetterling, muss er sich beeilen, aus dem Ameisenbau zu kommen - sonst wird er jetzt als Eindringling behandelt und bekämpft.

Draußen müssen zur gleichen Zeit die richtigen Blüten bereits da sein, damit der Schmetterling in den wenigen Wochen, die er oft nur lebt, Nahrung findet und die Balz erleben kann, die den Kreislauf von vorne beginnen lässt. Wird ein Glied dieser Kette gestört, bekommt die Art Probleme. Kommt sie dann schon nur noch in begrenzten Inselbereichen vor, kann es rasch zur Existenzbedrohung kommen.

Im nahen Wiesengrund stoßen die Naturschützer auf weitere Arten, etwa den Feurigen Perlmuttfalter, der den Blick auf sich zieht, weil er recht groß ist und rötlich-orange schimmert.

Das Landkärtchen, das Hübner wenig später entdeckt, dient als Beispiel für die Erklärung des Begriffes "Dimorphismus". Es hat im Frühjahr ein anderes Aussehen als im Sommer. Früher glaubte man, es mit zwei verschiedenen Arten zu tun zu haben. In Wirklichkeit ist es eine, die je nach Jahreszeit anders erscheint.

"Seit Jahren geht es mit den Populationen gnadenlos bergab", hält Hübner fest. Dafür wird einerseits die Landwirtschaft verantwortlich gemacht, die Wiesen heute früher mäht als vor Jahrzehnten und so viele Pflanzen an der Blühte hindert. Andererseits kann es Schmetterlingen Schwierigkeiten bereiten, wenn Flächen ungenutzt sich selbst überlassen werden und verbuschen. "Deswegen sind wir sehr dankbar, dass der Forstbetrieb beispielsweise den Bachgrund bei Taimbach wieder frei hält. Wäre das Tal mit Büschen zugewachsen, hätten wir wertvollen Lebensraum für Tagfalter verloren", ergänzt Ulmer und lobt die Zusammenarbeit mit den Staatsforsten.

Es wird noch eine Weile dauern, bis die Kartierung der Tagfalterarten im Coburger Land abgeschlossen ist. Doch schon jetzt rechnen die LBV-Leute mit einem ernüchternden Ergebnis. Wiesen mit einer Vielfalt bunter Gaukler über den Halmen werden wohl etwas bleiben, das es nur noch in der Erinnerung der Älteren gibt. Doch zumindest das Naturschutz-Großprojekt "Das Grüne Band" lässt alle wieder ein wenig hoffen.