Wie Schauspieldirektor Matthias Straub die Probenarbeit an den "Globe Songs" am Landestheater Coburg erlebt. Die erste Neuinszenierung unter Corona-Bedingungen feiert am 26. September Premiere.
Wie kann Theater in Zeiten des Ausnahmezustandes funktionieren? Wie lassen sich die Auswirkungen der in Zeiten der Corona-Krise geltenden Hygiene- und Abstandsregeln mit der Kraft der Fantasie überwinden?
Und: Was erwartet die Besucher der "Globe Songs" im Landestheater Coburg bei der Premiere am 26. September? Schauspieldirektor Matthias Straub verrät, welche Erfahrungen er bei der Probenarbeit bislang gesammelt hat.
Die "Globe Songs" sind nach zwei Wiederaufnahmen und dem Abschiedskonzert für Roland Kluttig sowie dem Open-Air-Format "Landestheater im Vorbeigehen" die erste komplette Neuproduktion am Landestheater Coburg in Corona-Zeiten. Wie ist die Idee dazu entstanden?
Matthias Straub: "Globe Songs" hatten wir als Konzeptstücke schon angedacht, wie aber bereits der Name sagt erst für's "Globe"-Theater. Wegen Corona konnten wir aber das ursprünglich geplante spartenübergreifende Musical nicht realisieren. Da "Globe Songs" aus einzelnen Bausteinen besteht, bot es sich als "Einspringer" an.
In Corona-Zeiten gelten natürlich auch im Landestheater vor und hinter der Bühne strikte Regeln. Worauf müssen Sie bei der Probenarbeit besonders achten?
Als größte Herausforderung erweist sich die Abstandsregel. Solch' ein musikalischer Abend braucht Bewegung, Choreografie, Energie - das erfordert quasi ein spezielles Abstandskonzept.
Wie verändert das die Arbeit für Sie als Regisseur, aber auch für die Darsteller?
Die größte Hemmschwelle ist die Schere im Kopf. Natürlich möchte man die Sänger-Darsteller "aufeinander loslassen", gleichzeitig muss man sie immer wieder bremsen oder voneinander trennen. Das macht's mühsam.
Inwieweit greifen diese Corona-Regeln auch direkt ein in die Dramaturgie des Abends?
Das Baukastensystem des Konzepts erlaubt völlige Flexibilität. Wir können die Struktur, Länge und Reihenfolge völlig frei variieren. Das erleichtert die Rücksichtnahme auf alle Verordnungen.
Wie haben Sie bisherige Probenarbeit erlebt?
Als ein wahres Wechselbad der Gefühle. Die Euphorie des Neustarts wechselt sich mit den Tücken der Einschränkungen ab. Es lässt sich vielleicht am besten mit der Situation im Ferrari-Rennstall vergleichen: Viel Power im Boliden, aber Sand im Getriebe.
Noch fehlen Erfahrungswerte bei der Probenarbeit unter Corona-Bedingungen. Mussten Sie Ihr Konzept eventuell noch anpassen?
Vor allem bei den Rahmenbedingungen mussten und müssen wir reagieren: Wie funktionieren schnelle Kostümwechsel - eventuell ohne Hilfe - , wie werden Bühne, Kostüme und Requisiten von Probe zu Probe oder von Vorstellung zu Vorstellung wieder spielbar gemacht, wie schafft die Technik Auf- und Umbauten mit personellem Minimalaufwand, wie erreichen wir Sicherheitsabstand bei den Bläsern. Es ist unglaublich viel zu beachten, aber unser technischer Leiter Daniel Kaiser ist ein sehr hilfreicher und cleverer Partner bei der Lösungsfindung.
Wie lässt sich das Ausstattungskonzept der "Globe Songs" in zwei Sätzen beschreiben?
Wir zitieren die Corona-Balkonkonzerte, deren Bilder wir aus Italien kennen. Also spielt alles in und vor einer Art Häuserfassade mit Balkons. Isolation mit Abstand ist möglich.
Äußerlich betrachtet knüpfen die "Globe Songs" ein wenig an das Erfolgskonzept der "Spider Murphy Story" an. Welche Geschichte wollen die "Songs" erzählen?
Wir erleben zwar ein musikalische Weltreise, aber eine konkrete Handlung gibt es nicht. Ich nenne das Format ein "bebildertes Konzert". Es befriedigt unser Fernweh, unsere Romantik und das angenehme Erinnern an Zeit des Reisens, Liebens und Genießens. Ein Wohlfühlabend.
Schauspiel? Musiktheater? Revue? In welches Genre passt diese Produktion?
Es ist ein Konzert bunt wie die Farbpalette eines Malers. Ein Bilderbogen mit höchstem Wiedererkennungseffekt - interpretiert von hervorragend singenden Schauspielern.
Welchen zeitlichen Bogen spannt diese musikalische Reise?
Wir beginnen in den späten 60ern, fliegen mit Flower Power über die 70er bis zur 80er neuen deutschen Wellen. Aber ein paar Ausreißer sind hier auch erlaubt.
Die Fragen stellte Jochen Berger
So startet das Landestheater in die Saison 2020/2021
Premieren-Tipp "Globe Songs - Episode I" Konzertabend von Rudolf Hild und Matthias Straub - Samstag, 26. September, 19.30 Uhr, Landestheater Coburg Produktionsteam Musikalische Leitung/Musikalische Einstudierung: Roland Fister
Musikalische Einstudierung/Arrangement Rudolf Hild
Inszenierung: Matthias Straub
Bühne: Till Kuhnert
Kostüme: Carola Volles
Choreografie: Julia Grundwald
Sounddesign / Video: Constantin Eckhardt
Dramaturgie: Fabian Appelshäuser
Regieassistenz: Amelie Elisabeth Scheer
Inspizienz: Kerstin Mertl
Darsteller Marina Schmitz Veronika Hörmann Marina Pechmann Florian Graf Niklaus Scheibli Lean Fargel Benjamin Hübner
Termine 13., 14. Oktober, 19.30 Uhr, 25. Oktober, 18 Uhr, 31. Oktober, 19.30 Uhr, Landestheater Coburg Hintergrund Popmusik umgibt die Menschenso omnipräsent wie kaum ein anderes kulturelles Phänomen. Wie ein guter alter Freund begleitet sie das Leben. Manchmal besuchen Menschen mit ihr vergangene Stationen ihres Lebens: Den Campingplatz in Italien, den ersten Tanz, den ersten Kuss, das erste Konzert, den ersten Grand Prix im Wohnzimmer der Eltern oder die Abschlussfahrt. Nick Hornby, der dieser Liebe zum Alltäglichen in "High Fidelity" ein Denkmal gesetzt hat, beschreibt diese Qualität indem er sagt: "Popmusik macht, dass du dich gleichzeitig nostalgisch und hoffnungsvoll fühlst."
Auf den Spuren dieses ambivalenten Gefühls werfen Matthias Straub und Rudolf Hild ein paar Münzen in die kollektive Jukebox und bringen einen Konzertabend auf die Bühne, der in der Fantasie den Londoner Regen spüren lässt, die Sonne des Summer of Love oder auch die Sehnsucht nach den Straßencafés Italiens weckt. Interpretiert werden die Songs von einer siebenköpfigen Band und sieben Schauspielerinnen und Schauspielern.red