Spannende Coburger Alltagsgeschichte

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Rupert Appeltshauser (links) und Autor Hubertus Habel räumen die ersten Exemplare der Dokumentation in die Regale der Buchhandlung Rieman.Ulrike Nauer
Rupert Appeltshauser (links) und Autor Hubertus Habel räumen die ersten Exemplare der Dokumentation in die Regale der Buchhandlung Rieman.Ulrike Nauer

Die Dokumentation zur Ausstellung "Verlorene Gewissheiten? - Coburger Alltag im Ersten Weltkrieg" ist ab sofort im Buchhandel erhältlich.

In Coburg wird am 11. November 2018 aller Voraussicht nach die Faschingszeit eröffnet und der Sankt-Martins-Tag gefeiert. Aber das Datum steht auch für ein Ereignis, das in Coburg nach Meinung der Initiative Stadtmuseum kaum beachtet wird: Das Ende des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren.
Dabei finden sich in Coburg auch ein Jahrhundert später noch reichlich Spuren, die an die Jahre 1914 bis 1918 erinnern: Nnamen wie Danziger oder Kriegerdankstraße zum Beispiel, oder auch die Passchendaele-Kaserne (ehemals BGS). Passchendaele war ein Dorf im belgischen Flandern. 1917 wurde dort erbittert gekämpft, Tausende Soldaten - auch aus Coburg - verloren ihr Leben, das Dorf wurde vollkommen zerstört. Woher der Name der Kaserne stammt, wisse heute in Coburg kaum noch jemand, sagte Hubertus Habel, Volkskundler und Mitglied der Initiative Stadtmuseum. Das ist nur einer von vielen Aspekten, mit denen sich die Ausstellung "Verlorene Gewissheiten? - Coburger Alltag im Ersten Weltkrieg, Einsichten und Konsequenzen" beschäftigt hatte, die Ende des vergangenen Jahres für zwei Monate in Coburg zu sehen war. Zu dieser Ausstellung, die Habel konzipiert hat, ist nun auch eine Dokumentation erschienen, die für 14,90 Euro im Buchhandel erhältlich ist. Am Freitag stellten Habel und der Vorsitzende der Initiative, Rupert Appeltshauser, das Buch in Coburg vor.


Viele Dokumente verschwunden

Ausstellung und Buch sollten bewusst nicht die Geschichte des Ersten Weltkrieges darstellen, erläuterte Appeltshauser. Vielmehr gehe es um die Auswirkung des Krieges auf die Gesellschaft, darum, wie sich die Mentalität der Coburger über die Kriegsjahre verändert hat. Ein gutes halbes Jahr hatte Habel für die Ausstellung recherchiert, konnte die Texte dann auch für das Buch übernehmen.
Dokumente aus der Zeit des Ersten Weltkrieges zu finden, sei gar nicht so einfach gewesen, berichtete Habel, denn in Coburg sei vieles "verschwunden". Fündig wurde er dann aber im Bayerischen Wirtschaftsarchiv, wo historische Protokolle der Coburger Handelskammer aufbewahrt werden. Dort fand er zum Beispiel heraus, dass in Coburg bereits ab September 2014 erste Rüstungsaufträge abgearbeitet wurden: Betriebe stellten auf Korbflechterei um produzierten Geschosskörbe. Metallverarbeitende Betriebe lieferten Sprenggranaten und Zünder.
"Die Coburger Bevölkerung hat dadurch gut verdient", erläuterte Hubertus Habel - eine Erkenntnis, die ihn bei seinen Recherchen überrascht hat. "Deshalb gab es hier keine eklatante Not, keine Hungeraufstände." Das "böse Erwachen" sei erst mit dem Kriegsende gekommen, denn damit fielen die Rüstungsaufträge und auch die Arbeitsplätze weg. "Diese Unzufriedenheit mit den demokratischen Verhältnissen ist wohl mit dafür verantwortlich, dass ab 1920 in Coburg ein Abrutschen nach Rechts zu verzeichnen ist", so Habel.
Der Gedenktag im kommenden Jahr sei die Chance, aber auch die Verantwortung der Stadt Coburg, sich mit dem Thema Erster Weltkrieg intensiv zu beschäftigen, betonte Rupert Appeltshauser. Umso wichtiger sei es, dass die Geschichte Coburgs in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nun von einer Historikerin aufgearbeitet werde. Für die Ausstellung habe man allerdings von Seiten der Stadt seinerzeit keine Fördermittel erhalten. Appeltshauser: "Ohne eine großzügige Spende aus privater Hand wäre das ganze nicht möglich gewesen."
In der Themenreihe "Krieg und Revolution: zur Geschichte des 20. Jahrhunderts" findet am Dienstag, 28. November, 20 Uhr, organisiert von der Buchhandlung Rieman, im großen Saal des Pfarrzentrums St. Augustin eine Lesung statt: Autor Joachim Käppner stellt sein neu erschienenes Werk "1918 - Aufstand für die Freiheit: Die Revolution der Besonnenen" vor.