Im Panorama der 66. Berlinale hat Doris Dörrie einen umjubelten Auftritt. "Grüße aus Fukushima" ist eine ergreifende Geschichte einer ehemaligen Geisha.
Man muss schon ein bisschen aufpassen, um bei einem so großen Festival wie den Internationalen Filmfestspielen den Überblick zu behalten, was, wo und in welcher Programmreihe läuft. 400 Filme sind bis zum Sonntag noch rund um den Potsdamer Platz zu sehen.
Die Masse der Sektionen - von denen es durchaus auch ausgesprochen skurrile Ableger gibt, wie das vom ewig offensiv-vegetarischen Festivalleiter Dieter Kosslick erfundene "kulinarische Kino" - hat sowieso niemand mehr im Blick. Aber: Wer sucht, der findet immer wieder interessante Filme. Kein Wunder, bei dieser Auswahl.
"Panorama" heißt seit 1986 die wohl zweitwichtigste Berlinale-Reihe. Sie ist von Anfang an Plattform für den schwul-lesbischen Film gewesen, zielt aber mit ihren Vorstellungen im schönsten Kino Deutschlands, dem Zoo-Palast direkt neben der Gedächtniskirche, auch auf das große Publikum.
Doris Dörrie hatte bei der 66. Berlinale dort ihren umjubelten Auftritt. Dörrie, deren sehenswerte "Kirschblüten" 2008 im Wettbewerb schon einmal nach Japan führten, zog es für die Dreharbeiten von "Grüße aus Fukushima" in die Kernregion rund um die zerstörten Atomreaktoren. Marie (eine echte Kino-Entdeckung: Rosalie Tomass), die desillusioniert Deutschland verlassen hat, zieht es dahin, weil sie als Clown den Menschen in den Übergangsunterkünften ein bisschen Freude bringen möchte.
Dort lernt sie Satomi (gespielt von der japanischen Star-Schauspielerin Kaori Momoi) kennen - eine in jeder Beziehung gebrochene alte Frau, die früher Geisha war und jetzt in einem Anflug von Altersstarrsinn in ihr altes Haus am gesperrten Strand von Fukushima zurückkehren will. Marie folgt der einstigen Geisha, die beiden Frauen - die in ihrer Lebensweise unterschiedlicher kaum sein könnten - kommen sich dabei näher.
Optimistische Botschaft
Im heute ungewohnten und deshalb gewöhnungsbedürftigen Schwarzweiß ist Dörrie wieder ein guter Film gelungen. "Grüße aus Fukushima" wird sicher nicht ganz so einschlagen wie "Kirschblüten", entlässt seinen Zuschauer aber mit der optmistischen Botschaft, dass es selbst nach traumatischen Ereignissen die Chance gibt, wieder nach vorne in die Zukunft zu blicken.
Gewaltiges Drama
Nicht zu vergessen in der großen Berlinale-Wundertüte: Die großen Premieren, die mit dem Verweis "außerhalb des Wettbewerbs" laufen. Das sind meist internationale Produktionen, die vielleicht woanders schon gezeigt wurden (das immer noch ultimative Ausschlusskriterium für den Wettbewerb), aber dennoch das Festival bereichern. Manchmal filmisch, manchmal aber auch bewusst mit seinen Stars für den roten Teppich.
"Mahana" ist in diesem Jahr so ein Wettbewerbs-Begleiter. Lee Tamahori ("James Bond - Stirb an einem anderen Tag") hat, einer Romanvorlage folgend, ein gewaltiges Drama über zwei verfeindete Maori-Familien in seiner Heimat Neuseeland gedreht.
Ein wirklich großer Film, bei dem man gespannt sein darf, ob er es in die deutschen Kinos schafft. Denn auf den ersten Blick punktet eine Geschichte über schafscherende Ureinwohner bei den großen Verleihern sicher nicht. Da muss sich schon jemand finden, der ein bisschen tiefer in diesen Film hinein schaut - und dem deutschen Publikum dann ein wirklich mächtiges Stück Kino zeigt. Dann wiederum hätte auch die 66. Berlinale ihren ureigenen Zweck erfüllt: Produktionen, die nicht aus dem Mainstream kommen, zu öffentlicher Wahrnehmung zu verhelfen.
Panzer, ScharfschützenSchön ist er: der Zoo-Palast. Einer der letzten deutschen Kino-Giganten mit fast 800 Sitzplätzen. Heimat der "Panorama"-Reihe der Internationalen Filmfestspiele in Berlin. Anfang der Woche ging im Zoo-Palast aber fast gar nichts, weil im benachbarten Waldorf Astoria Hotel der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu schlief. Nicht, dass der Herr Staatsgast bei all dem Gschrei rund um Kino-Premieren nicht hätte schlafen können. Die Sicherheit war das Problem. So einen Auftrieb an Sicherheitskräften rund um den Zoo-Palast und die Gedächtniskirche haben selbst Ur-Berliner noch nicht gesehen: Hunderte von Polizisten, nicht viel weniger Einsatzfahrzeuge, Panzer, Scharfschützen, Gerüste und Sichtschutz außen am Hotel. Und da gibt es Leute, die schimpfen, weil um Berlinale-Stars wie George Clooney oder Meryl Streep ein riesiger Aufriss gemacht wird. Wer am Zoo-Palast war, der hat gesehen, wer und was wirklich wichtig ist in dieser Welt.