Unter dem Motto "Beziehungen" führt "Radio Influenza" seine Zuschauer durch einen Abend der kontroversen Themen, an dem Hunde tanzen und das Publikum fremde Paare in deren Betten kennenlernt.
Die Leinwand in der Reithalle zeigt ein junges Pärchen. Die beiden liegen Arm in Arm in ihrem Bett, blicken in die Kamera und erzählen dem Publikum, wie sie sich kennen gelernt haben. Die Liebe ist offenbar noch ganz frisch - sie kichern und lächeln sich verliebt an.
Szenenwechsel: Das Publikum sieht ein älteres Ehepaar, ebenfalls im Bett liegend. Es berichtet von der ersten Begegnung. Danach erzählen noch zwei homosexuelle Pärchen, wie sie zueinander fanden. Die vier Paare geben private Details aus ihrem Leben preis und nehmen die Zuschauer mit auf eine emotionale Achterbahn aus ergreifenden Schicksalsschlägen, rührenden Liebeserklärungen zurück zu amüsanten Aspekten der Beziehung.
Die Paare waren im Vorfeld von Ahmed Özer und Johannes Tietze für die skurril-verspielte Show "Radio Influenza" zum Thema "Beziehungen" interviewt worden. Neben der großen Leinwand besteht die Kulisse aus einem Sofa und der "Radiostation", an der Johannes Tietze die Technik managt. Außerdem hängen an den Wänden freizügige Bilder, die das Publikum bereits vor Beginn der Show einstimmen.
Wiederkehrende Streitgespräche Eine spärlich bekleidete, mit Bier bepackte junge Dame kommt euphorisch in den Saal gestürzt und versucht verzweifelt, ihrem aggressiven, desinteressierten Freund begreiflich zu machen, wie wichtig es sei, sich zu amüsieren. Die überraschende Intervention zieht augenblicklich die gesamte Aufmerksamkeit auf sich und fesselt das Publikum durch die energischen Streitgespräche, die im Laufe der Aufführung immer wiederkehren. Als Carolin und Casimir zeigen Eva Berger und Alexander Peiler vom Schauspiel-Ensemble des Landestheaters überzeugend an einem Beispiel, wie Beziehungen, die vor dem Aus stehen, sogar in häusliche Gewalt ausarten können.
Zwei Talkrunden zum Thema Liebe und Städtepartnerschaften ergänzen die Szenen. Dazu werden Kurzfilme gezeigt, teils belustigend, teils provokativ. Das Philharmonisches Orchester des Landestheaters, die Sängerin Katharina Ficek und Popmusiker Kim Aiyeju begleiten den Abend musikalisch.
"Radio Influenza" hält sein Publikum in Atem. Ob jedoch unter dem Motto "Beziehungen" auch unbedingt die leidenschaftliche Beziehung von Menschen, in erster Linie Männern, zu ihren Autos in einem Kurzfilm behandelt werden muss und ob das "Dog Dancing" (Hundetanzen) der "Swinging Tails" wirklich, wie angekündigt, der Höhepunkt der Aufführung ist, sei dahingestellt. Mit entzückten "Oh"-Rufen honorieren auch hier einige Zuschauer die Idee. Wenn Mopsdame "Ella" ihrem Frauchen ein Leckerli aus dem Mund stiehlt, verdeutlicht ja auch das eine innige Beziehung der beiden.
Die Show polarisiert In sehr lockerer, spontaner Art führt Ahmed Özer das Publikum durch die Handlung, polarisiert aber auch. "Die Mischung der Show gefällt mir sehr gut, die Kombination aus Filmschnitten, Interviews und auch die Musik. Aber der Präsentator wirkt, als sei er nicht richtig bei der Sache", findet Dorotea Schmitt aus Kronach. Sie sei schon häufig im Theater gewesen, auch im Improvisationstheater, wo alles locker und spontan zugeht. Aber sie fühle sich nicht von Özer mitgerissen.
Der Rest des Publikums dürfte es anders erlebt haben, wie der wiederholte begeisterte Beifall zeigt. "Die Geschichten, die er zwischendurch erzählt und die Spontanität sind einfach klasse", sagt Katharina Bauersachs aus Coburg. "Mir gefällt die Improvisation, nichts wirkt gestellt und der Präsentator ist sehr sympathisch."
Nicht alles perfekt Doch wie das beim Improvisieren nunmal ist, geht nicht alles glatt. Während sich ein Tänzer trio des Landestheaters zu romantischer Musik über die Bühne bewegt, wird dieses Intermezzo durch den plötzlichen Ausfall der Musik unterbrochen und das Publikum aus der angespielten Dreier-Utopie gerissen. Özer entschuldigt die Unterbrechung mit den Worten: "Das ist Radio Influenza." Das Publikum lächelt und applaudiert.
Özer ist dennoch zufrieden mit dem Ablauf der Show. Ein bisschen wolle er durch seine Show die Welt verbessern und Menschen auf eine künstlerische Art und Weise wachrütteln. "Coburg flippt aus" ist sein Standardspruch an diesem Abend. Ob die Aufführung die Welt verbessert, bleibt fraglich. Aber Ahmed Özer und Johannes Tietze haben die Zuschauer durch den Mix von Einblicken in Privatleben anderer Menschen und das gezielte Ansprechen kontroverser Themen zum Denken angeregt.