Wer war Wolfgang R.? Die Tochter des Opfers verliert bei der Vernehmung die Fassung. Die Anwälte der Täter setzen ihr zu.
Alexandra S. trägt immer Fotos ihres Vaters bei sich: Eins, auf dem er mit ihrem Sohn spielt, eins, auf dem er entspannt in die Kamera lächelt, ein anderes von der Beerdigung. Wolfgang R. ist tot - brutal erschlagen von den beiden Rockern Paul K. und Peter G. - angestiftet von Maria und Helmut S.. Die vier sitzen seit Donnerstag erneut auf der Anklagebank der großen Strafkammer des Landgerichts.
Der Prozess wird neu verhandelt, nachdem das Bundesverfassungsgericht das Urteil im November aufgehoben hatte (siehe Infokasten). Für Alexandra S. , die auch als Nebenklägerin auftritt und in die Revision gegangen war, bedeutet das eine enorme nervliche Anspannung. Am zweiten Verhandlungstag saß sie zudem noch selbst im Zeugenstand. Das Leben ihres Vaters, ihre Beziehung zu ihm und seine Beziehungen zu anderen Frauen standen im Mittelpunkt.
Kein homogenes Bild
Was war Wolfgang R.
für ein Mensch? Die Vorstellung, die sich die Zuhörer am Freitag im großen Sitzungssaal machen konnten, glich einem bunten Puzzle, das sich nur schwer zu einem homogenen Bild zusammenfügen lässt. Zu unterschiedlich waren die Zeugenaussagen:
Alexandra S. lernte ihren Vater erst mit 15 Jahren kennen. Sie wuchs bei ihrer Mutter und mit einem Stiefvater auf. Auf einem Zeitungsbild zeigte ihre Mutter auf den Mann mit der Tuba und sagte, das sei ihr leiblicher Vater. Alexandra schrieb ihm einen Brief und der Orchestermusiker am Landestheater freute sich über den Kontakt. Zum damaligen Zeitpunkt war er noch mit seiner Frau Gertrud verheiratet, die die Kantine im Landestheater betrieb. "Wir hatten gleich ein herzliches Verhältnis", erinnert sich die Tochter. Gemeinsame Ausflüge, auch Urlaube wurden gemacht und Wolfgang R. nahm an den Familienfesten teil.
Später, als er schon geschieden war und eine neue Freundin hatte, blieb das Verhältnis herzlich. "Mein Vater war ein ruhiger, besonnener und freundlicher Mann."
Das bestätigte auch seine damalige Freundin am Freitag vor Gericht. Die Zeugin, die Wolfgang R. über eine Zeitungsanzeige kennen gelernt hatte und mit der er auch noch zu Zeiten von Maria S. zusammen lebte, nannte ihn "sehr angenehm, sehr großzügig, immer freundlich, der mich immer gut behandelt hat".
Wesensveränderung
Bis zu dem Zeitpunkt, als er die Prostituierte Maria S. kennenlernte und sich in sie verliebte. Zunächst besuchte er sie zwei bis drei Mal pro Woche in ihrem Zimmer in der Rodacher Straße. Später traf er sie im Kanonenweg wieder - er hatte sie übers Internet ausfindig gemacht. Maria S., die von ihrem Mann Hemut S. getrennt lebte, zog schließlich bei ihm in Beiersdorf ein.
Seiner Freundin kaufte er daraufhin eine Wohnung in Eisfeld, damit sie auszog. Dennoch besuchte er sie auch dort weiterhin regelmäßig und unterstützte sie finanziell.
Gleichzeitig übernahm er das Bordell im Kanonenweg, wo er sechs Zimmer an Prostituierte wochenweise vermietete. Damit Maria S., die mittlerweile seine feste Freundin war, aufhörte dort zu arbeiten, pachtete er für sie die Bar "Clou", die sie bewirtschaften sollte. Zusätzlich bekam sie 1000 Euro monatlich.
"Leicht beleidigt"
Seine Tochter wollte in dieser Zeit keinen persönlichen Kontakt mehr: "Er hatte wie eine Wesensveränderung durchgemacht. Er wirkte ausgezehrt, eingefallen, seine Kleidung war zu groß, er sprach in einem anderen Jargon ("gossenmäßig"). So kannte Alexandra S. ihren Vater nicht. Früher, zu Theaterzeiten sei er immer adrett gekleidet gewesen.
Doch sie habe sich nicht eingemischt und ihn auch nicht darauf angesprochen. "Er war ein erwachsener Mann." Außerdem habe sie sich nicht getraut. Denn Wolfgang R. konnte schnippisch sein, zynisch und leicht beleidigt.
Die dunkle Seite des Wolfgang R. beschrieb auch eine junge Frau, die Stammgast im "Clou" war und ziemlichen "Respekt" vor Wolfgang R. hatte. "Auf den zweiten Blick habe ich erkennen müssen, dass er aufbrausend, provokant und eifersüchtig war," sagte sie aus. Sie habe von Maria S. auch erfahren, dass er sie im Streit geschlagen habe. Auf die persönlichen Auswirkungen durch den Tod des Vaters angesprochen, schilderte Alexandra S. ein Martyrium: Sie ist seit 2014 in psychologischer Behandlung, schläft kaum noch, hat Angstzustände. Ihre Arbeitsstelle hat sie verloren.
Immer wieder kamen ihr bei der Vernehmung die Tränen.
Wirtschaftlicher Vorteil?
Als schließlich der Anwalt von Peter G. darauf hinaus wollte, dass es schließlich nicht nur negative Auswirkungen gegeben habe, sondern sie ja auch einen wirtschaftlichen Vorteil hätte, verlor sie gänzlich die Fassung. "Glauben Sie, das macht irgend etwas wieder gut?"
Vom 2. Prozesstag
Befangenheitsantrag Gleich zu Beginn der Sitzung stellte der Wahlverteidiger von Paul K., Norman Jacob, einen Befangenheitsantrag gegen die Vorsitzende Richterin Ulrike Barausch. Der Grund: Sie lehnte ihn als zweiten Pflichtverteidiger ab und wolle damit ihr "Macht demonstrieren". Über den Antrag wird bis zum 4. Verhandlungstag entschieden.
Hintergrund In erster Instanz waren die vier Angeklagten im Februar 2015 vom Landgericht Coburg wegen Totschlags beziehungsweise Körperverletzung verurteilt worden. Die Staatsanwaltschaft hatte eine Verurteilung wegen Mordes angestrebt. Weil der Bundesgerichtshof das Urteil aufgehoben hatte, wird der Fall neu verhandelt. Angeklagt sind die 43-jährige Maria S. und deren Noch-Ehemann, Helmut S. (59). Sie sollen zwei Männer angestiftet haben, den Beiersdorfer Wolfgang R. zu töten oder zumindest schwer zu verletzen: Paul K. (24) und Peter G. (47) waren zu 13 Jahren und sechs Monaten Gefängnis verurteilt worden; ihre beiden "Auftraggeber" zu je sieben Jahren. Der Prozess wird am 19. April fortgesetzt.