Coburg bezwingt Minden in hochklassigem Handballkrimi, weil der Rückraum-Kanonier nach der Schluss-Sirene einen Siebenmeter eiskalt zum 29:28 verwandelt.
59:58 stand auf der Hallenuhr. Noch zwei Sekunden. Matthias Gerlich kam "kalt" von der Bank und trat zum letzten Wurf an: "Ich sprach mich noch kurz mit Steffen Coßbau ab, ob er nicht lieber werfen will." Doch der scheidende Coburger nahm die Sache selbst in die Hand: "Sieben Meter sind ja nicht so weit weg vom Tor. Das habe ich schon ein paar Mal gemacht und zum Glück ist der Ball reingegangen".
Gerlich ließ die Uhr cool runterlaufen, hämmerte dann den Ball eiskalt zum verdienten 29:28-Sieg ins Mindner Tor. Dann war Schluss und "Matze" Gerlich wurde unter einer Spielertraube begraben.
Jeder wusste, viele Teams werden ier n Minden dort leer ausgehen. Man hatte sich erfolgreich für die Hinspielniederlage revanchiert und dem Mitaufstiegsaspiranten die ersten Punkte überhaupt in eigner Halle in dieser Saison abgenommen.Bei bestem Spätwinterwetter und strahlendem Sonnenschein trat der HSC 2000 Coburg die Reise zum Spitzenspiel beim Tabellenzweiten TSV GWD Minden an. Genauso strahlend waren die Gesichter der HSC-Spieler als es am späten Abend zurück nach Coburg ging. Denn endlich ging man in einem Spitzenspiel als Sieger aus der Halle.
Mit 29:28 bezwang Coburg einen Gegner, der sich selbst nach einem Vier-Tore-Rückstand nicht aus der Ruhe bringen ließ, dann aber doch überrascht war, als Coburg vier Treffer Rückstand konterte. Somit war es zu verschmerzen, dass Platz Drei-Konkurrent TSG Friesenheim seine Partie beim EHV Aue ebenfalls etwas überraschend mit 26:24 gewann. Mit acht Toren hatte die TSG zwischenzeitlich geführt, bis auf einen Treffer war Aue dann wieder herangekommen, mehr war aber nicht drin.
Die Weichenstellung zum Sieg in Minden brachte Oliver Krechel, der nach 40 Minuten den in der ersten Halbzeit stark haltenden Jan Kulhanek ersetzte. In kurzer Folge parierte er zwei Strafwürfe und zwei freie Bälle, ließ sich feiern und feierte sich selbst, so dass er sogar von einem der beiden Unparteiischen eingebremst werden musste.
Ohne Adnan Harmandic
Aus dem 23:19 wurde so ein 25:28 - die Basis für die beiden Punkte, aber mehr noch nicht. Gezittert wurde bis zum Abpfiff. Für den HSC begann die Partie schon mit einer schlechten Nachricht. Adnan Harmandic war am Donnerstag im Training umgeknickt, versuchte dick getapt doch mitzuwirken. Doch beim Aufwärmen war schnell klar - es wird nicht gehen.
Zudem laboriert Till Riehn, der hervorragend Regie führte, noch an einer Prellung aufgrund eines Schlages auf die Brust aus dem Dormagen-Spiel.
Trotzdem war das HSC-Spiel sehr durchdacht, mit guten spielerischen Aktionen vor dem gegnerischen Tor. Zudem stand man in der Abwehr äußerst solide, auch wenn gleich der erste Wurf im Gesicht von Torwart Jan Kulhanek landete und der kurz benommen war.
Klare Spielzüge gab es auf der anderen Seite. Fast immer war er da, der Blick für den besser positionierten Nebenmann und man ließ Minden nicht zum Verschnaufen kommen. So entwickelte sich eine Partie auf hohem Niveau, in der Coburg bis zu 20. Minute klar den Ton angab.
Bis auf 13:9 abgesetzt
Auf 13:9 hatte man sich bis zu diesem Zeitpunkt abgesetzt. Hinten eroberte man sich durch konsequente Abwehrarbeit die Bälle und vorne schloss man sehr sicher ab. Erst als man hier nachließ, war Minden sofort zur Stelle, brauchte gerade einmal sechs Minuten bis zum 14:14.
Vor allem von Dalibor Doder kamen jetzt überraschende Aktionen für die Coburger Abwehr. Zudem war man im Abschluss nicht mehr ganz so konsequent. Mit zwei direkt aufeinanderfolgenden Zeitstrafen am Ende der Halbzeit war man auf Coburger Seite dann überhaupt nicht einverstanden. Nicht zu Unrecht wurde moniert, dass Joakim Larsson am Kreis seinen Gegenspieler oft mit dem Unterarm "abräumte" und auf der anderen Seite die Mindener lange ungestraft die Coburger Kreisspieler bearbeiten durften.
Doch der HSC fightete und überstand die kritische Phase nicht nur ohne Tor bis zum Pausenpfiff, sondern setzte mit Florian Billek sogar noch einen Konter zum Pausenstand.
Siebeneinhalb Minuten konnte der HSC danach Minden auf Distanz halten, doch der Faden war irgendwie gerissen. Spielerisch lief gegen eine nun offensiver agierende Mindener Abwehr weniger zusammen wie noch vor der Pause. Auch die Abwehr stand nicht mehr ganz so sattelfest und die Coburger Torleute konnten kaum noch einen Ball parieren. Insgesamt viele Kleinigkeiten, die sich aber auf diesem Spitzenniveau schnell in einer 23:19-Führung für Minden summierten.
Unglaublicher 9:2-Lauf des HSC
Als Coburg dann mit einem 9:2-Lauf das Spiel kippte, schien die Partie zugunsten des HSC entschieden. Doch Minden kam noch einmal zurück dank des überragenden Dalibor Doder, der kaum unter Kontrolle zu bringen war.
Obwohl der HSC in den beiden Schlussminuten in Überzahl agierte, verspielten sie den Vorsprung und Minden hatte sogar selbst die Option zum Siegtreffer. Doch da ging Steffen Coßbau ("Ich habe garantiert drei Szene im gesamten Spiel, wo ich den Ball knapp nicht kriege, aber den entscheidenden holen wir uns") dazwischen, fing zehn Sekunden vor dem Abpfiff einen Querpass von Christoffer Rambo ab und schickte Tomas Riha auf die Reise. Dessen Aufsetzer ging zwar über das Tor, doch wurde er beim Wurf strafwurfreif gefoult. Der est st bekannt...
TSV GWD Minden - HSC 2000 Coburg 28:29 (14:15)
TSV GWD Minden: Gerrie Eijlers (8 Paraden), Kim Sonne-Hansen (2) - Moritz Schäpsmeier, Miladin Kozlina (2), Charlie Sjöstrand (1), Christoffer Rambo (1), Maximilian Hösl, Sören Suedmeier (1), Nils Torbrügge (2), Joakim Larsson (3), Aleksandar Svitlica (9/5), Jannik Jungmann, Dalibor Doder (8), Nenad Bilbija (1).
Trainer: Frank Carstens.
HSC 2000 Coburg: Jan Kulhanek (8 Paraden), Oliver Krechel (5) - Markus Hagelin, Lukas Wucherpfennig (1), Dominic Kelm (2), Matthias Gerlich (8/3), Sebastian Kirchner, Jiri Vitek, Tomas Riha, Steffen Coßbau (5), Florian Billek (6), Till Riehn (1), Girts Lilienfelds (5), Romas Kirveliavicius (1).
Trainer: Jan Gorr.
SR: Christian vom Dorff / Fabian vom Dorff (Kaarst)
Zuschauer: 2640 in der Kampa-Halle
Strafminuten: 10 (Doder, Schäpsmeier, Torbrügge 6 - rote Karte nach 58:04) / 6 (Kirveliavicius, Riha, Hagelin).
Siebenmeter: 1/3 (Sjöstrand und Svitlica scheitern an Krechel) - 3/3.
Beste Spieler: Doder, Svitlica - Riehn, Gerlich, Lilienfelds.
Der Kommentar
von Christoph Böger
Ruhig bleiben
Thomas Apfel sprach bei der Live-Übertragung sogar zwischenzeitlich vom "Meisterstück". Spieler, Betreuer und Fans waren aus dem Häuschen, schwebten nach dem 29:28-Triumph von Minden auf Wolke 7. Wer soll uns jetzt noch halten? 1. Liga wir kommen.
Stopp! Noch hat der HSC 2000 Coburg sein Ziel nicht erreicht. Trotz aller Euphorie nach der starken Leistung beim Zweiten sollten die "Gelben" und ihre große Fangemeinde die Kirche im Dorf lassen. Noch 14 Spiele. Noch kann viel passieren. Die Konkurrenz schläft nicht, Friesenheim siegt in Aue. Es bleibt bei fünf Punkten Vorsprung. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Die Zielgerade ist lang.
Vor einer Woche wurde nach der schwachen Leistung gegen Dormhagen noch von einer Krise berichtet, von einem Team, das in der Verfassung nichts im Oberhaus zu suchen hat. Jetzt ernten die selben Akteure Lobeshymnen von allen Seiten. Das ist für den Moment schön und gibt Selbstvertrauen - allerdings auch gefährlich. Wolfgang Heyder und Jan Gorr sind Profis genug, um den Sieg richtig einordnen zu können. Also: Mund abwischen und weiter machen.