Liebst macht Luther für alle lesbar

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Regionalbischöfin Dorothea Greiner blättert begeistert in den Büchern, die Christoph Liebst verfasst hat.Ulrike Nauer
Regionalbischöfin Dorothea Greiner blättert begeistert in den Büchern, die Christoph Liebst verfasst hat.Ulrike Nauer
In der Morizkirche erinnert ein Aufsteller in Buchform an die Coburger Predigten Martin Luthers.Ulrike Nauer
In der Morizkirche erinnert ein Aufsteller in Buchform an die Coburger Predigten Martin Luthers.Ulrike Nauer
 

Christoph Liebst, Dekan im Ruhestand, hat zwei Bände mit Schriften und Predigten Martin Luthers veröffentlicht, die der Reformator in Coburg verfasst hat.

Dass Martin Luther während seines Aufenthaltes in Coburg anno 1530 viele Schriften verfasst und auch mehrfach in der Morizkirche gepredigt hat, ist bekannt. Was aber hat Luther genau geschrieben und gepredigt? Das war selbst Regionalbischöfin Dorothea Greiner bisher nicht bekannt. Dass Luthers Schriften und Predigten nun - knappe 500 Jahre nach seiner Zeit in Coburg - in gedruckter und vor allem lesbarer Form vorliegen, ist dem früheren Coburger Dekan, Christoph Liebst, zu verdanken. Am Freitagabend präsentiert er sein zweibändiges Werk genau dort, wo Luther einst gepredigt hatte - in der Coburger Morizkirche.
Wie es überhaupt dazu gekommen war, dass sich Liebst dieser Mammutaufgabe - das dickere der beiden Bücher hat immerhin fast 700 Seiten - stellte, erzählen er und der Beauftragte für die Reformationsdekade, Dieter Stößlein, abwechselnd den geladenen Gästen: Im Juli 2013, an einem heißen Sommertag, hatten die beiden in Christoph Liebsts Gartenhaus in Nürnberg ihre Köpfe über einer Aufstellung von Luthers Briefen zusammengesteckt, die Liebst einst erstellt hatte. "Daran konnte man die Ereignisse des Sommers 1530 in Coburg sehr gut rekonstruieren", berichtet Stößlein. So sei die Idee entstanden, daraus eine Zusammenfassung zu machen und Luthers Wirken in Coburg neu unter die Leute zu bringen, so Stößlein.
Monatelang hatte Liebst dann Schriften und Predigten des Reformators aus dem Lateinischen und dem Deutschen des 16. Jahrhunderts neu übersetzt, Texte redigiert, Fußnoten verfasst, Einleitungen geschrieben... Für Liebst war diese Arbeit gleichsam eine Art Therapie, wie er offen erzählt. "2016 kam die Erkrankung und der nötige Ruhestand - da hatte ich viel Zeit", sagt der Dekan im Ruhestand und spricht von Burn-out und Depressionen. Die Arbeit an den Texten habe ihm auch geholfen, diese schweren Zeiten zu überstehen. "Die Wand anzustarren, war noch nie meins", sagt er.
Luthers Produktivität während seines "Zwangs-Studien-Urlaubs" in Coburg, wie Liebst das nennt, war immens. "Wir blicken ihm in den Büchern praktisch über die Schulter, sehen seine laufende Arbeit und seine Arbeitsmethodik." Dass heute noch so viele Schriftstücke von Luther erhalten sind, sei vor allem dessen engem Vertrauten, Veit Dietrich, zu verdanken, der 1530 mit dem Reformator auf der Veste Coburg weilte. "Dietrich ließ keinen Schmierzettel Luthers verkommen", sagt Liebst. So sei zum Beispiel eine vollständige "Zettelsammlung über die Rechtfertigungslehre" erhalten, darunter sehr persönliche Notizen, aus der Luther wohl ursprünglich ein Buch machen wollte. Liebst: "Man stelle sich vor, er hätte es in Coburg geschrieben..."
Luther in einer Nussschale, so ließen sich die Bände "Corpus Coburgensis I und II" zusammenfassen, sagt Liebst. Dass der eigene Name auf einem Buchrücken steht, sei für ihn eine ganz neue Erfahrung und mache ihn auch ein wenig stolz. Allerdings habe er feststellen müssen, dass so ein Buch doch bedeutend mehr Arbeit mache, als er vorher geglaubt habe. Gewidmet hat der frühere Dekan sein Werk Coburgs Oberbürgermeister Norbert Tessmer. "Er hat den Reformationsgedanken in Coburg gefördert und, weil es ihm als bekennendem Lutheraner eine Herzenssache ist, zur Chefsache gemacht", schreibt Liebst in der Einleitung von Band I.
Tessmer seinerseits freute sich, seinen Namen gerade in diesem Buch zu lesen. Es sei zwar nicht das erste Mal, aber für ihn das bedeutendste. Schließlich seien Coburg und die Morizkirche mit Luther eng verzahnt. "Luther ist ein Teil unserer Stadt geworden", sagt der OB. Und Coburg wiederum sei für den Reformator nicht nur Zufluchtsort, sondern auch "Denkfabrik" gewesen. "Coburg ist nicht irgendein Ort der Reformation, denn Luther hat hier letztmals seine ganze Schaffenskraft entfaltet."
Aus theologischer Sicht würdigt Regionalbischöfin Dorothea Greiner an diesem Freitagabend die wissenschaftliche Arbeit ihres Kollegen. "Aus vielen eigenen Veröffentlichungen weiß ich, wie viel Sitzfleisch und Durchhaltevermögen, Entdeckerfreude und theologischer Forschungswille in diesen beiden Bänden steckt", sagt Greiner. Dass die Bände "eher trockene Herausgeber- und Forschungsarbeit" seien, steigere nur die Ehre, die Liebst dafür gebühre. Wer nie versucht habe, Lutherschriften im Original zu lesen, könne kaum nachvollziehen, was Christoph Liebst geleistet habe, betont Greiner, die schmunzelnd zugeben muss, dass ihr "eigenes Latein nicht das Beste" sei.


Luthers Einzug in Coburg

Martin Luther war am Karfreitag, 15. April 1530, in Coburg eingetroffen. Seine Mitreisenden, darunter auch die Theologen Philipp Melanchthon und Justus Jonas, Edelleute, Ritter und Soldaten reisten kurz darauf weiter zum Reichstag nach Augsburg. Der unter Reichsacht stehende Luther musste in Coburg zurückbleiben. Fast sechs Monate lang war die Veste Coburg sein Zuhause. Dort arbeitete er unermüdlich an seiner neuen Glaubenslehre.


Hier gibt es die Bücher

Die beiden Bände "Martin Luthers Coburger Schriften" (ISBN 978-3-925431-83-8) und "Martin Luthers Coburger Predigten" (ISBN 978-3-925431-84-5) sind im Coburger Veste-Verlag Roßteutscher erschienen.