Kriminacht in Coburg: Das fränkische Grauen ist ein Göger

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Grauenvolle Begegnungen in der Coburger Stadtbücherei, hier mit Lucas Bahl. Fotos: Carolin Herrmann
Grauenvolle Begegnungen in der Coburger Stadtbücherei, hier mit Lucas Bahl.  Fotos: Carolin Herrmann
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

In der Coburger Stadtbücherei jagte ein großes Publikum hinter acht mörderischen Autoren aus der Region her.

Dass Krimiautoren ein Stück weit verrückt sein müssen, ist wohl keine allzu überraschende Erkenntnis. Dass sie jetzt auch noch in Massen auftreten, ist allerdings ein starkes Stück. Als ob es einem mit einem nicht auch oft schon reichen würde, je nach Härtegrad. Aber bitteschön, die Coburger Leser und Sichgernevorlesenlasser sind ja in Massen herbeigeströmt am Mittwoch. Die können wohl nicht genug kriegen von Mord und Totschlag und Fiesereien.

Die Stadtbücherei hatte ihre verwinkelten Gänge und Nischen, ihre geheimnisvollen Regalgänge und Winkel anlässlich des Deutschen Krimitages für acht fränkische Krimiautoren geöffnet, zu denen die Leute gruppenweise durchs ganze Haus gejagt wurden. Weil die durchaus schräg zu nennende Autorentruppe am eigentlichen 8.
Dezember schon in Bamberg gebucht war, wurde der alljährlich zwischen Beklemmung und Vergnügen begangene Krimitag in Coburg halt am 10. Dezember, am Mittwoch abgehalten.

Den ganzen Zinnober hat das Syndikat, die über 900 Autoren umfassende Vereinigung deutschsprachiger Krimiautoren angezettelt. Auch in Coburg traten sie unentgeltlich auf. Der kleine Eintritt plus Lösegeld in gefälliger Höhe, das die Zuhörer nach jeder Kurzlesung oder für Punsch und Plätzchen zu zahlen hatten, ging komplett als Spende - an die Opferorganisation "Der weiße Ring". - Sollen diese Literaten mit ihrem abartigen Zeug ruhig ein wenig Wiedergutmachung betreiben. Wer weiß, wen die alles auf welche Gedanken bringen.
Tatsächlich ging es an diesem skurrilen Abend immer wieder darum, dass die schrägen Literaturvögel zwecks Material- und Ideenbeschaffung mittlerweile durchaus selbst aktiv werden könnten. Mutmaßlich. Zum Beispiel bei der aus Mitwitz stammenden Marion Nemmert, die oben, in der Dachkammer, in der Verwaltung las.

Mit Nanobots in unser Gehirn

Oder gar dieser undurchsichtige Lucas Bahl, lebend im Landkreis Forchheim. Stellt sich hin, mit Melone und weißem Schnauzer, und erzählt den Leuten, dass er gerade Nanobots versende, winzige Roboter, kleiner als unsere Atome, welche in unser Hirn dringen würden und die mühsam aufgebauten zivilisatorischen Schranken im neurochemischen System deinstallieren. Das Böse in uns allen, der persönliche Dämon werde freigesetzt... Dann doch lieber unsere beliebte Weihnachtshasserin Friederike Schmöe, die heuer - virtuell natürlich - extra nach Aus tralien flüchtet, nur um dort den gleichen deutschen Weihnachtsspießern zu begegnen wie in good old germany. Schmöes Erzählerin geht den direkten mörderischen Weg: Sie lockt das deutsche Besserwisserpaar zur traulichen Weihnachtsfeier auf ihren äußerst maroden Balkon.

Ausgesprochen raffiniert agiert Tessa Korbers Eve, um einen missliebigen Mann nach dem anderen loszuwerden. Diese Geschichte hatte die bei Erlangen lebende, vor allem auch mit historischen Romanen erfolgreiche Frau Doktor kurzfristig ausgewählt, weil ihr Lesepartner Helmut Vorndran, Kabarett-Stänkerer, der er nach wie vor ist, mit frauenfeindlichen Sprüchen rumgeschmissen hatte. Ansonsten charakterisierte der in Rattelsdorf Lebende die Oberfranken wieder so, dass es weh tat.

Voll daneben war Christian Kliers diesmal als verdeckter Ermittler in der Schule arbeitender Kommissar Werner Klotz. Seine autoritäre Pädagogik löst großes Gelächter unter den Schülern aus.

Mit Charly wird's wieder hart

Aber stopp jetzt, bei allem Gequietsche und all der lachhaften Satire. Wo bleibt denn da der Respekt vor dem Ernst der Zustände? - Dabei an diesem Abend war selbstverständlich auch Volker Backert, 15 Jahre lang im Ordnungsamt für die Coburger Sicherheit zuständig. Was er mittlerweile selbst anrichtet, nachdem er letztes Jahr ins Standesamt gewechselt ist, fragte Kollege Klier sicher nicht zu unrecht.

Jedenfalls bringt Backert im Frühjahr seinen dritten Charly Herrmann-Krimi heraus, "Hardrock", es wird um die grauenvolle Droge Crystal Meth und Rockerbanden gehen. Bei Backert darf schon auch geschmunzelt werden. Aber insgesamt hat a Krimi a Krimi zu sein, und des bedeutet bei Backert, dass es bickelhard wird.

Wäre da noch der Bamberger Thomas Kastura zu nennen, der die Göger-Gang nach diversen Einbrüchen in Grill-Imbissbuden fangen lässt. Außerdem hetzt er sieben Bullen anlässlich ihres Dreikönigstreffens beim "Schäuferla des Grauens" aufeinander; prompt geht einer drauf. Welcher aus welchem bayerischen Regierungsbezirk weiß ich nimmer; des war einfach zu viel des fränkischen Grauens an einem Abend.

lebend, überraschte 2010 mit seinem Krimi-Debüt, "Das Haus vom Nikolaus". Der zweite Franken-Krimi Backerts um den Coburger Kommissar Charly Herrmann und die Soko Franken heißt "Todesfessel".

Lucas Bahl, geboren 1951 in Bergisch-Gladbach, heute im Landkreis Forchheim lebend, arbeitet seit 1979 als freier Schriftsteller, Journalist und Ausstellungsmacher.

Thomas Kastura, geboren 1966 in Bamberg und bis heute dort lebend, wirkt seit 1996 als freier Kulturjournalist und Autor für den Bayerischen Rundfunk. Seit 1998 veröffentlicht er Sachbücher und Romane.

Christian Klier
, 1970 in Nürnberg geboren, ist Lehrer und schreibt seit 2010 Romane über seinen Nürnberger Kultkommissar Werner Klotz.

Tessa Korber, 1966 in der Pfalz geboren und heute bei Erlangen lebend, arbeitet seit 1998 sehr erfolgreich als freie Autorin von Krimis und historischen Romanen. Bislang erschienen über 20 Werke von ihr.

Marion Nemmert, 1970 geboren, lebt in Mitwitz und arbeitet als Pfarramts- und Schulsekretärin. 2011 legte sie ihren ersten Regionalkrimi vor.

Friederike Schmöe, 1967 in Coburg geboren, heute in Bamberg wohnend, ist Universitätsdozentin und verfasst seit 2000 unermüdlich Krimis und Kurzgeschichten.

Helmut Vorndran, 1961 in Bad Neustadt/Saale geboren und heute in Rattelsdorf beheimatet, ist künstlerisches Multitalent. Lange war er prägende Kraft des Trios "TBC", bevor er die Laufbahn eines Krimiautors einschlug. Die Reihe seiner Frankenkrimis eröffnete 2009 der Band "Das Alabstergrab".