In Weidhausen und Sonnefeld geht die Angst vor neuen Stromtrassen um. Michael Keilich und Markus Mönch kämpfen dagegen.
Es sind vielleicht entscheidende Tage für die Entwicklung einiger Gemeinden im Landkreis Coburg. Am kommenden Sonntag läuft das Konsultationsverfahren für den Netzentwicklungsplan 2025 ab. Dabei kann jedermann seine Anregungen und Bedenken zu den Plänen der Bundesregierung für den Ausbau der Stromnetze äußern.
Die beiden Bürgermeister, Markus Mönch (Weidhausen, parteilos) und Michael Keilich (Sonnefeld, CSU) verfolgen mit Spannung, was sich beim Thema Netzausbau tut - denn ihre Gemeinden könnten die Hauptbetroffenen sein, wenn neue Leitungen durch das Coburger Land gebaut würden.
Die spektakuläre Demonstration in Rödental liegt schon drei Wochen zurück. Wie bewerten Sie im Rückblick die Veranstaltung?Markus Mönch: Sie war enorm gut besucht und damit das richtige Zeichen zum richtigen Zeitpunkt. Dass kurz darauf sämtliche Varianten der P 44-Trasse vorübergehend aus dem Netzentwicklungsplan genommen wurde, sagt mir: Unser Zeichen scheint angekommen zu sein!
So ganz überzeugt wirken Sie aber nicht...Markus Mönch: Es könnte auch bloße Verzögerungstaktik sein. Motto: Belagern und aushungern. Es könnte sein, dass die Bundesnetzagentur vor Ort erst einmal Ruhe haben will, verdeckt weiterarbeitet und 2016 fertige Pläne aus der Schublade zieht. So etwas darf auf keinen Fall passieren.
Michael Keilich: Wir haben aus rechtlicher Sicht definitiv auch noch nichts erreicht. Aber es war so sehr wichtig, dass die Bürger massiv auf die Straße gegangen sind. Die große Politik geht gerne den Weg des geringsten Widerstandes - den darf sie nicht bei uns vermuten.
Haben Sie nach der Demonstration irgendwelche Signale aus Berlin bekommen?Markus Mönch: Auf Vermittlung von Hans Michelbach soll es im Februar oder März einen Gesprächstermin im Wirtschaftsministerium geben - ich bin gespannt, was wir da erfahren...
Können Sie abschätzen, wie viele Menschen aus dem Coburger Land sich mit einer Eingabe am Konsultationsverfahren zum Netzentwicklungsplan beteiligt haben?Markus Mönch: Wir haben die Vordrucke für die Eingaben mit dem Mitteilungsblatt ausgetragen und 650 schriftliche Einwendungen zurück bekommen. Aber ich gehe davon aus, dass eine Menge Weidhäuser ihre Eingaben über das Internet geschickt haben.
Michael Keilich: P 44 war Thema bei allen Bürgerversammlungen. 600 bis 700 schriftliche Eingaben sind eine Schätzung, die vielleicht nicht einmal ausreichen wird.
Wie sehen Sie die Rolle des Netzbetreibers Tennet?Michael Keilich: Emotionslos. Die Netzbetreiber wurden vom Bund dazu verpflichtet, die Trassen zu prüfen. Immerhin gibt es das Signal, dass P 44 mod. nicht der totale Favorit von Tennet ist. Wobei man auch sehen muss: Die längere Trasse bringt für Tennet eine höhere Durchleitungsgebühr.
Besteht durch die beiden unterschiedlichen Varianten - eine im Westen, eine im Osten des Landkreises - die Gefahr, dass sich die Region in der Trassendiskussion spaltet?Michael Keilich: Diese Gefahr darf man auf keinen Fall unterschätzen.
Markus Mönch: Denken wir doch nur an die im Bau befindliche 380-kV-Trasse: Ab dem Zeitpunkt, als diese im Gesetz stand, hatten wir nicht den Hauch einer Chance mehr. Da hat uns auch eine Armada von Rechtsanwälten nicht mehr helfen können. Deshalb müssen wir verhindern, dass P 44 in irgendeiner Form im Netzentwicklungsplan auftaucht. Wenn die Trasse "politisch gewollt" und Gesetz ist, dann sind wir dran.
Michael Keilich: Genau deshalb dürften sich der Osten und Westen des Landkreises nicht gegenseitig zerlegen. Die Bürger müssen gegen P 44 auf jeder Trasse sein. Das gilt übrigens auch für den Landkreis Lichtenfels, den ich hier absolut mit im Boot sehe. Und wir sollten die Gleichstromtrassen nicht vergessen...
... die unter dem Titel DC 5 und DC 6 ebenfalls durch den Landkreis Coburg führen könnten ...Michael Keilich: Genau! Die Gleichstromleitung führt von Nord nach Süd - mehr ist nicht bekannt. Wenn also ein Bürgermeister im Landkreis Coburg meinen sollte, dass es ihn und seine Gemeinde nicht treffen kann, dann liegt er falsch. Es kann uns überall erwischen.
Man könnte aber schon auf die geforderte Bündelung verweisen und sagen: Der östliche Landkreis ist nun einmal industriell geprägt und hat schon eine Trasse ...Markus Mönch: Klar: Die haben schon was, da können wir noch was drauflegen. So nicht! Der Raum Ebersdorf, Sonnefeld, Weidhausen ist doch nicht der Abschiebebahnhof für Infrastrukturprojekte.
Michael Keilich: In den sozialen Medien geistert schon ab und zu die Ansicht herum, dass wir uns gegen die Energiewende stellen. Das ist Quatsch. Wir in Sonnefeld haben die 380-kV-Trasse und bald einen Windpark mit 15 Megawatt Leistung. Wir haben unseren Anteil an der Energiewende erbracht. Das können nicht von alle Regionen von sich behaupten.
Markus Mönch: Wir machen hier gerade Werbung für Neubaugebiete, in die junge Familien kommen sollen. Dann machen die in der Früh das Fenster auf und haben 80 Meter hohe Masten vor der Nase. Dankeschön, sage ich da!
Was wollen Sie in den kommenden zwölf Monaten veranstalten, damit P 44 und die Gleichstromleitungen DC 5/DC 6 nicht aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwinden?Michael Keilich: Wir lassen das Thema nicht einschlafen, keine Sorge. Wir haben unsere Kontakte und werden die Menschen informieren, wenn es neue Entwicklungen gibt. Man kann so eine Sache aber auch zerkochen. Es ist kein Weltuntergang, wenn mal zwei Monate nichts passiert. Wichtig ist, dass die wichtigen Dinge bekannt werden.
Markus Mönch: Ein Problem bei der jetzigen 380-kV-Leitung war, dass auch damals alle dagegen gekämpft haben. Aber eben nur jeder für sich alleine. Das war ein Fehler. Diesmal wehrt sich eine ganze Region. Dieser Widerstand muss Gehör finden.
Michael Keilich: Das stimmt. Ich sage immer: Die 380-kV-Trasse war ein Kleinfeld-Turnier, diesmal spielen wir im Olympiastadion.
Wenn der Druck vom Bund zu groß werden sollte: Wäre es keine Lösung, sich zum Beispiel mit einer Erdverkabelung auf der Originaltrasse P 44 anzufreunden?Markus Mönch: Wenn ich höre, dass der Landkreis in dieser Diskussion einen Tod sterben muss, dann sage ich nur: Warum? Es muss und wird auch ohne diese Trasse gehen!
Das Gespräch führte
Berthold Köhler