Junger Storch landet auf Irrwegen im Coburger Land

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Ulrich Leicht hält den jungen Schwarzstorch, der wieder in die Natur entlassen werden soll. Foto: LBV
Ulrich Leicht hält den jungen Schwarzstorch, der wieder in die Natur entlassen werden soll. Foto: LBV
 
 
 
 
 

Auf Umwegen hat es einen jungen Schwarzstorch in das Coburger Land verschlagen. Hier verblüfft er Vogelexperten durch ein recht ungewöhnliches Verhalten. Er zeigt nämlich wenig Scheu vor Menschen.

Er galt Ornithologen stets als einer der scheuesten Vögel überhaupt. Für den Kreisvorsitzenden im Landesbund für Vogelschutz (LBV), Frank Reißenweber, ist es daher schon eine Sensation, dass sich ein Schwarzstorch direkt im Garten von Kurt und Rita Heublein in Mönchröden niederließ. Insbesondere, weil dort gerade Tochter Sandy mit ihrem Mann beim Kaffeetrinken saßen.

"Dass ein Schwarzstorch so nah bei Menschen landet ist ungewöhnlich. Es liegt nahe, dass er schon bei Menschen gelebt hat", vermutet der Biologe zunächst. Doch vor dem Besuch im Garten der Heubleins steht eine ganz andere Geschichte, die erstaunlicher Weise eben nicht in einer Voliere sondern in einem Nest wilder Schwarzstörche beginnt.

Als der zutrauliche Storch keine Anstalten macht, den Garten wieder zu verlassen, informiert Rita Heublein Ulrich Leicht, der in Neu- und Neershof die Vogelauffangstation des LBV betreut.
Anhand der gut lesbaren Ringnummer am Bein des Tieres wird rasch klar: Der Storch ist ein guter Bekannter.

Erst am Samstag war er aus der Auffangstation entlassen worden. "Der junge Schwarzstorch war am 30. Juli in einem Garten in Fehrenbach im Thüringer Wald gelandet", erklärt Ulrich Leicht. Dort stieß er offenbar auf jemanden mit Sinn für die Natur. Jens Töpfer jedenfalls brachte das Tier zur Unteren Naturschutzbehörde in Hildburghausen. Die Stadt liegt im Bereich der Vogelwarte in Neu- und Neershof. Also wurde der Schwarzstorch zu Ulrich Leicht gebracht. "Ich habe ihn dann aufgepäppelt und am Samstag nahe dem Bausenberg wieder in die Natur entlassen", erzählt er. Der Vogel war unverletzt. Allerdings war er geschwächt. "Gefressen hat er tüchtig", berichtet Leicht.

Auf der Futtersuche entdeckte das Tier dann wohl den Teich der Heubleins, die nun einen Storch im Garten haben. "Sollte er nicht von alleine wieder abziehen, dann müssen wir überlegen, ob wir ihn nicht wieder einfangen und an einer anderen Stelle in die Natur setzen", überlegt Ulrich Leicht.

Infrage käme der Bereich hinter dem Froschgrundsee in Richtung Almerswind. Dort wurde in letzter Zeit häufiger ein Familienverband von Schwarzstörchen beobachtet. Normalerweise müsste der junge Storch auch noch bei einem Familienverband leben. Die Naturschützer hoffen, dass er sich einem anderen Verband anschließt, wenn er auf Artgenossen trifft.


Tier kommt wohl aus Hessen

Seine Familie lebt - oder lebte zumindest - in Hessen. Das verrät der Ring am Bein des jungen Schwarzstorchs ganz genau. Diesen Ring befestigte der hessische Vogelschützer Carsten Rhode am 7. Juli am Bein des Tieres. Damals befanden sich fünf Jungtiere in dem Nest in der Nähe von Oberkallbach in der Nähe von Fulda.
Wie es kam, dass der Jungstorch alleine in Fehrenbach landete, darüber können die Vogelschützer nur spekulieren. "Es könnte sein, dass er in einem Gewittersturm vom Familienverband getrennt und nach Thüringen abgetrieben wurde", meint Leicht. Die 88 Kilometer zwischen Nest und Fehrenbach kann ein Storch an einem Tag leicht zurücklegen.

Dummerweise können die Ornithologen in Hessen derzeit nicht sagen, wo der Familienverband des Jungtieres steckt. Deshalb hat es wenig Sinn, den Vogel nach Hessen zu bringen, in der vagen Hoffnung, er könnte seine Eltern wieder finden.

Die Zutraulichkeit des Schwarzstorchs ließ Frank Reißenweber keine Ruhe. Er forschte nach und erfuhr von hessischen Kollegen Erstaunliches. Dort haben die Schwarzstörche ihr sehr heimliches Leben im Wald schon ein Stück weit aufgegeben. Sie kommen in Siedlungen und plündern schon auch mal einen Gartenteich. Doch auch dort würden sie sich nie einem Menschen auf einen Meter Entfernung nähern - wie es jetzt dieser Storch tut.

"Schwarzstörche waren früher extrem scheu", betont Reißenweber. Das änderte sich auch nicht, als sie schon Jahrzehnte nicht mehr als Fischfresser gejagt werden durften. Jetzt scheint sich eine Trendwende anzukündigen - zumindest in Hessen. Offenbar hat der Jungvogel noch nicht gelernt, sich vor Menschen in Acht zu nehmen.
Die Vogelschützer werden den Zuwanderer im Auge behalten. Denn gerade weil er die eigentlich zu erwartende Scheu nicht zeigt, könnte es sein, dass er auch nicht weiß, dass er im Winter in den Süden ziehen sollte. Dann würde man sich womöglich wieder um ihn kümmern müssen.