57 Unternehmen aus dem Coburger Land zeigen am Freitag und Samstag im Coburger Kongresshaus, wie breit gefächert die Möglichkeiten der Ausbildung sind. Dabei haben inzwischen die Jugendlichen die Auswahl: Rein rechnerisch stehen für jeden Interessenten 1,3 Ausbildungsplätze zur Verfügung.
Julia und Tony haben ein stressiges Wochenende. Die beiden Auszubildenden beim Creidlitzer Kunststoff-Spezialisten Hermann Koch stehen am Stand ihrer Firma bei der Berufsbildungsmesse im Coburger Kongresshaus. Dort erklären sie interessierten Jugendlichen, was sie während ihrer Ausbildung bei Koch alles so machen. Die Führungskräfte aus dem Unternehmen halten sich dabei im Hintergrund. "Es ist wichtig, wenn die Schüler mit unseren Auszubildenden jemand haben, mit dem sie auf Augenhöhe reden können", sagt Melanie Krempel von der Marketingabteilung bei Koch.
Das Konzept der Berufsbildungsmesse der Industrie- und Handelskammer (IHK) zu Coburg funktioniert offensichtlich blendend. "Wir sind zufrieden", sagt Rainer Kissing, der mit seinem Team die Messe vorbereitet hat.
700 Noch-Schüler haben sich schon im Vorfeld bei ihm angemeldet, insgesamt werden es wohl zwischen 1500 und 1800 Besucher sein, die bis heute Nachmitag ins Kongresshaus kommen werden.
Im dritten Jahr ist die Firma Koch dabei. Bei 200 Mitarbeitern hat das Traditionsunternehmen 19 Auszubildende in verschiedenen technischen, logistischen und kaufmännischen Sparten - eine gute Quote. Aber auch Melanie Krempel hat gemerkt, dass der Markt schwieriger geworden ist - gerade hier in Coburg: "Unsere großen Unternehmen sind für künftige Auszubildende natürlich sehr verlockend." Man muss nicht lange raten, wer jene verlockenden Unternehmen sind: Brose und HUK. Beide sind natürlich auch mit eindrucksvollen Ständen bei der Berufsbildungsmesse vertreten.
Melanie Krempel und ihr Kollege, Christian Abicht (Leiter im Werkzeugbau), nutzen die Veranstaltung der IHK auch, um Vorurteile bei den Jugendlichen abzubauen.
Dafür haben sie auch Julia mitgebracht. Die erzählt stolz: "Ich bin im ersten Lehrjahr Werkzeugmechanikerin." Dass Mädchen in der klassischen technischen "Jungs-Sparte" eine Ausbildung absolvieren, ist nach Angaben von Marketing-Frau Krempel gar keine Seltenheit mehr. Und Christian Abicht weiß: "Wenn wir mir unseren Kunden durch das Werk gehen, fällt so etwas sofort positiv auf."
Bei der offiziellen Eröffnung der Berufsbildungsmesse im großen Saal des Landgerichtes stellte IHK-Präsident Friedrich Herdan - seit jeher ein Verfechter der dualen Ausbildung - den Wert der Veranstaltung für die Jugendlichen heraus: "Frühzeitige Berufsorientierung ist besonders wichtig, um spätere Enttäuschungen und Ausbildungsabbrüche zu vermeiden." Weil die Entscheidung für den künftigen Beruf von enormer Tragweite ist, rief Herdan ausdrücklich auch die Eltern der künftigen Azubis auf, ihre Sprösslinge
mit ins Kongresshaus zu begleiten.
Tessmer: Den Schwachen helfen In diesem Punkt bekam Herdan die ausdrückliche Unterstützung des Coburger Oberbürgermeisters Norbert Tessmer (SPD), der mit seinem Berufswunsch zu Kinderzeiten bei der Berufsbildungsmesse allerdings keinen Ansprechpartner gefunden hätte: "Ich wollte immer Zirkusdirektor werden." Tessmer rief die zahlreich erschienenen Vertreter der Coburger Wirtschaft auch dazu auf, die schwächeren Schüler nicht aus den Augen zu verlieren: "Wir müssen ihnen eine Chance geben."
Insgesamt gesehen, erwartet die Lehrlinge von morgen ein im Vergleich zur Vergangenheit auf den Kopf gestellter Arbeitsmarkt. Sie sind nicht mehr diejenigen, die händeringend nach einem Ausbildungsplatz suchen - sie sind die wenigen künftigen Fachkräfte, um die sich die Unternehmen der Region balgen.
Wie sich das in Zahlen für die Landkreise Coburg, Kronach und Lichtenfels darstellt, verdeutlichte Torsten Schütt, der Teamleiter Berufsberatung bei der Agentur für Arbeit: "Wir haben 1714 Bewerber bei 2200 offenen Stellen." Das heißt: Rein rechnerisch stehen für jeden Interessenten 1,3 Ausbildungsplätze zur Verfügung. Den Jugendlichen empfahl Schütt, die Berufsfindungsmesse nicht nur einfach zu besuchen, sondern mit offenen Augen wahrzunehmen. Schließlich sei die Berufswahl eine der wichtigsten Entscheidungen im Leben: "Was kann man sich mehr wünschen, als im Beruf Spaß zu haben und dafür auch noch Geld zu bekommen?"