Jan Gorr redet Tacheles, denn er macht sich im Abstiegskampf nichts vor. Der HSC-Coach spart nicht mit Kritik, stellt sich aber schützend vor seine Spieler.
Hallo Herr Gorr, am Dienstagabend spielen die Bayern in Madrid. Wie sehen Sie die Chancen auf ein Weiterkommen?Jan Gorr: Als Bayern-Sympathisant drücke ich natürlich beide Daumen, wenngleich die Ausgangssituation äußerst schwierig ist. Ein Vorteil ist sicher, dass das Hinspiel letztlich "nur" 1:2 ausgegangen ist. Vom Spielverlauf her wäre zum Schluss auch eine höhere Niederlage drinnen gewesen. Und genügend Qualität, um auch auswärts zwei Tore zu machen, haben die Bayern. Von daher hoffe ich auf ein spannendes Spiel und letztlich das bessere Ende für die Bayern.
Die Lage Ihres HSC, doch noch die 1. Liga zu halten, ist dagegen aussichtslos, oder?Sagen wir es so, es ist unwahrscheinlich in den verbleibenden acht Partien noch mindestens elf Punkte zu holen. Da muss man sich aus meiner Sicht auch nichts vormachen oder drumherum reden. In dieser Saison wird man nach dem bisherigen Verlauf mindestens 20 Punkte brauchen, um in der Liga zu bleiben. Im vergangenen Jahr haben bereits 14 Punkte für den Klassenerhalt ausgereicht.
Unabhängig von Tabellenplätzen und Punkten, wer Ihren Ehrgeiz und Ihre akribische Arbeit kennt, der kann erahnen, dass Sie mit der Leistung Ihrer Mannschaft am Samstag gegen Melsungen nicht einverstanden waren.Mir ist wichtig, dass wir unabhängig von der Tabelle in jedem Spiel das Maximum herausholen und um jedes Tor kämpfen. Nur so kommen wir weiter. Und im Spiel gegen Melsungen war der Kreis derjenigen, die an ihre persönliche Grenze gekommen sind, zu klein. Unser Spiel war insgesamt auf zu wenige Schultern verteilt und das macht es dann natürlich doppelt schwer.
Andererseits war auch diese Partie ein gutes Beispiel dafür, dass wir uns im Rundenverlauf deutlich verbessert haben. Während wir zu Beginn der Saison in Sachen Tempo und Präzision im Positionsangriff noch nicht wirklich auf Erstliganiveau unterwegs waren, halten wir inzwischen gerade in diesen Bereichen gut dagegen. Auch unsere Überzahl ist mittlerweile viel effektiver. Und genau diese Dinge meine ich, wenn ich sage, dass jede Situation in einem Spiel zählt, um besser zu werden.
Auffällig war, dass gerade die drei Spieler, die den Klub am Saisonende verlassen werden - also Harmandic, Coßbau und vor allem Büdel - nahezu wirkungslos blieben. Hat das Trio mit dem HSC schon abgeschlossen?Mit Sicherheit nicht. Richtig ist, dass Ado und Nico nicht ihren besten Tag erwischt haben. Das kann immer passieren. Aber bei Spielern mit einer solch tragenden Rolle in unserem Team fällt das natürlich besonders ins Gewicht. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass das etwas mit dem Abschied nach der Saison zu tun hat. Und das werden wir in den nächsten Spielen sicher wieder ganz anders erleben.
Dafür hat Kiwi mit elf Kisten überragend funktioniert! Warum haben Sie ihn in der vielleicht entscheidenden Phase nicht wieder eher gebracht. Er scheint doch 100prozentig fit zu sein, oder?Kiwi hat in der Tat ein sehr gutes Spiel gemacht. Und deswegen haben wir natürlich auch versucht, ihn so lange wie möglich auf dem Platz zu behalten. In der 2. Spielhälfte hat er sich in einem Zweikampf allerdings am Oberschenkel verletzt. Wir haben ihm eine kurze Behandlungspause gegeben und es dann noch einmal versucht. Ohne Erfolg. So kam dann Tom Wetzel zu seinem Comeback und er hat vor allem in der Abwehr seine Sache schon ganz ordentlich gemacht.
Johan Sjöstrand im Melsunger Tor hat sich nach der Pause spielentscheidend gesteigert. Warum funktioniert in Ihrem Team die Abwehrarbeit mit den Torleuten nicht mehr so gut wie in der Vorrunde. Egal ob Kulhanek oder Krechel - beide agierten zuletzt unglücklich. Hat Coburg auf dieser Position im Vergleich zu den Mitkonkurrenten ein Qualitätsproblem?Sjöstrand hat in Summe auch nicht viele Bälle gehalten, aber er war im zweiten Abschnitt bei wichtigen Bällen zur Stelle. Die meisten unserer Gegner haben Nationaltorhüter in ihren Reihen. Das ist richtig und das haben wir nicht. Wir haben mit Olli und Jan aber ebenfalls gute Torhüter, die ehrgeizig an ihrem TW-Spiel arbeiten. Und das ist auch meine Erwartung. Beide haben noch Potenziale, die es mit Fleiß, Selbstkritik und großem Willen zu erschließen gilt.