Es hat ein bisschen gedauert, aber jetzt hat das Publikum bei den 63. Internationalen Filmfestspielen endlich seine ersten Lieblinge bekommen. Kommt dies bei "Gloria", dem im Vorfeld eigentlich wenig beachteten chilenischen Wettbewerbsbeitrag, doch recht überraschend, so war der Erfolg von "Before Midnight" für die Festivalleitung rund um Dieter Kosslick eigentlich ein Selbstläufer.
"Before Midnight" ist nämlich die Fortsetzung von zwei früheren Berlinale-Rennern: "Before sunset" (1995) und "Before sunrise" (1999). July Delpy und Ethan Hawke spielten da schon Jesse und Celine, die sich im Zug nach Wien kennenlernten und eine entscheidende Nacht mit offenem Ende in Paris verbrachten.
Wie jene Nacht vor gut 13 Jahren ausging, sieht man in "Before Midnight". Aus Jesse und Celine wurde endgültig ein Paar, das mit seinen süßen Töchtern und tollen beruflichen Perspektiven ein Leben wie aus dem Bilderbuch führt. Doch bei einem Griechenland-Urlaub zeigen sich die ersten Risse in der Beziehung. Wie in den Vorläufer-Filmen wird sich in einer Nacht entscheiden, wie es mit den beiden weitergeht.
Auf eines muss man sich auch im dritten Teil der "Before"-Geschichten von Regisseur und Drehbuch-Chef Richard Link later einstellen: Es wird geredet und geredet und geredet.
Randgeschichten und andere interessante Figuren gibt es kaum. Nur die traumhaften Kulissen im südlichen Griechenland bleiben am Ende neben Jesse und Celine in Erinnerung.
Wer (a) die Vorgänger kennt oder (b) sich auf die Geschichte eines 40er-Paares an einem Knackpunkt im Leben einlässt, wird ohne Frage gut unterhalten. Wie Linklater im Streitgespräch gängige Mann-Frau-Klischees mit Humor verknüpft, ist großes Kino. Bis Anfang Juni werden die deutschen Kinofans warten müssen, ehe sie den Film zu sehen bekommen.
Während "Before Midnight" außerhalb des Wettbewerbes gezeigt wurde, ist mit "Gloria" ein erster ganz heißer Kandidat auf einen der Bären für die beste künstlerische Leistung im Wettbewerb aufgetaucht.
Regisseur Sebastian Lello erzählt darin auf wunderbar einfache Weise die Geschichte der nicht mehr ganz taufrischen Gloria (Paulina Garcia), die sich als alleinstehende Frau wacker durch den Alltag schlägt. Das ist kein großes Publikumskino, aber gut anzusehen.
Keine Rolle im Bären-Rennen dürfte dagegen "Layla Fourie" der in Berlin lebenden südafrikanischen Regisseurin Pia Marais spielen. Das erschreckend hilflos konstruierte Drama um Schuld und Sühne mit August Diehl ("23", "Wer, wenn nicht wir") in einer Nebenrolle dürfte am Ende zu den schlechtesten Filmen des 2013er Wettbewerbes zählen.
Schlemmen und schauen Man muss schon ein kleines Organisationstalent sein, um bei den 63. Internationalen Filmfestspielen den Überblick zu behalten.
Sage und schreibe 16 verschiedene Sektionen umfasst das Programm, wobei man sich etwa beim "kulinarischen Kino" - fein schlemmen und Filmchen schauen - durchaus fragen darf, ob so etwas nötig ist. Aber wenn es in den VIP-Logen der Fußballstadien nicht mehr um Fußball geht, warum sollte es dann bei Filmfestivals immer nur um Kino gehen...
Wenn man ein bisschen sucht, dann wird man in Berlin aber auch im Rahmenprogramm glücklich. Erst recht in einem Jahr wie diesem, wo der Wettbewerb erstaunlich konsequent im Mittelmaß dahindümpelt. Klar auf das breite Publikum zugeschnitten ist die Sparte "Berlinale Special". Hier tummeln sich die großen Stars, sogar wenn sie wie Holly Hunter in "Top of the lake" nur Teil einer TV-Serie sind (! - hier darf man wirklich ein Ausrufezeichen setzen).
Liebesfilm in Kunstambiente Aber es gibt im "Special" auch wirklich großes Kino.
Geoff rey Rush, auch so ein alter Bekannter bei der Berlinale, spielt in "The best offer" grandios die Rolle des leicht wunderlichen Kunst-Auktionators Virgil Oldman. Der ist die Nummer 1 in seiner Branche, ertrickst sich aber auch immer wieder mal ein Bild für seine eigene, eigenwillige Sammlung. Doch dann zieht ihn ein ganz besonderer Auftrag in den Bann - seine Auftraggeberin will nur durch eine Wand mit ihm kommunizieren.
"The best offer" ist lange Zeit ein etwas verschrobener Liebesfilm. Neben einem brillanten Geoffrey Rush gibt ist auch eine sehenswerte Neuentdeckung, die junge Niederländerin Silvia Hoeks. Sie spielt die zerbrechliche Claire, die "Frau hinter der Wand". Das ist einfach nur wunderschön. Am Ende präsentiert Regisseur und Drehbuchautor Giuseppe Tornatore auch noch eine völlig überraschende Wende. "The best offer" kommt 21.
März in die deutschen Kinos.
Schon seit vielen Jahren fester, qualitativ fast mit dem Wettbewerb gleichrangiger Teil der Berlinale ist die "Panorama"-Sektion. Manch großer Film wurde dort bejubelt - von "Gilbert Grape", mit dem Johnny Depp vor 19 Jahren den Durchbruch schaffte, redet man heute noch. So einen Volltreffer gab es heuer noch nicht, auch weil das "Panorama" nach der vorübergehenden Schließung des legendären Zoo-Palasts auf mehrere Kinos zerfleddert wurde.
Großen Applaus bekam erwartungsgemäß "Lovelace". Leider wurde der Lebenslauf der Porno-Königin Linda Lovelace ("Deep throat") erst zehn Jahre nach ihrem frühen Tod verfilmt. Rob Epstein und Jeffrey Friedman schufen ein klassisches amerikanisches Biopic - mit spannenden Figuren, einer mitreißenden Geschichte, aber auch mit einem etwas zu rosafarbenen Happy-End.