Noch ist es völlig unklar, wie dramatisch die finanzielle Situation der einst in Neustadt bei Coburg gegründeten "Gehrlicher Solar AG" ist. Die Politiker aus der Region setzen nun darauf, dass das Unternehmen durch den Insolvenzverwalter Oliver Schartl gerettet werden kann.
Die Krise in der Solarbranche hat nun auch einen Vorzeigebetrieb aus der Region voll erwischt: Die vom gebürtigen Neustadter Klaus Gehrlicher gegründete "Gehrlicher Solar AG" hat am Freitag von sich aus beim Amtsgericht München Insolvenz beantragt. In München deshalb, weil die "Gehrlicher Solar AG" ihren Firmensitz in Dornach, nicht weit entfernt von der Landeshauptstadt, hat.
Die Meldung über das Insolvenzverfahren kam durchaus überraschend. Wie es nun mit dem Unternehmen weitergeht, ist völlig offen. Zum vorläufigen Insolvenzverwalter wurde Rechtsanwalt Oliver Schartl von der Münchner Rechtsanwaltskanzlei Müller-Heydenreich Beutler & Kollegen (MHBK) beauftragt. Wie Schartl die Situation einschätzt, wird entscheidend für die Zukunft des Unternehmens sein. "Oliver Schartl ist derzeit in Sondierungsgesprächen vor Ort", teilte gestern Nachmittag Nicole Huss (Pressesprecherin bei MHBK) dem Tageblatt auf Anfrage mit. Es werde noch einige Zeit dauern, ehe der Insolvenzverwalter Angaben zur Zukunft der Gehrlicher AG machen könne.
Frank Rebhan, der Neustadter Oberbürgermeister (SPD), war natürlich wenig erfreut über die Entwicklung in einem der absoluten Vorzeigebetriebe seiner Stadt: "Ich bedauere diese Nachricht außerordentlich." Auf weitere Kommentare verzichtete der OB - alleine schon deshalb, weil bis gestern noch nicht viel über die Hintergründe des von Gehrlicher gestellten Insolvenzantrages bekannt war. Nun müsse man erst einmal abwarten, was der Insolvenzverwalter sagt, riet Rebhan. "Aber grundsätzlich ist es so, dass sich die Solarbranche derzeit eben in einer sehr schwierigen Situation befindet", ergänzte Rebhan.
Diese Einschätzung gab es bei Gehrlicher Solar schon vor zwei Jahren. Damals bezeichnete das Unternehmen in seinem Jahresabschluss die "staatliche Reglementierung" als Hauptrisiko für den Unternehmenserfolg. Weil Photovoltaikanlagen (das Hauptprodukt der Gehrlicher Solar AG) noch immer Strom nicht zu wettbewerbsfähigen Preisen produzieren können, sei man auf gesetzliche Regelungen oder - in Deutschland - das Erneuerbare-Energien-Gesetz angewiesen. Weltweit haben Unternehmen der Solar-Branche damit zu kämpfen, dass die Einspeisevergütung für Strom aus Sonnenkraft in den seit Jahren auf Sinkflug sind.
Einstiger Hoffnungsträger Für den Landkreis ist die Insolvenz der Firma Gehrlicher auf jeden Fall ein schwerer Schlag - auch aus Imagegründen. Das weiß auch Martin Schmitz, der Wirtschaftsförderer des Landkreises: "Die Insolvenz der Gehrlicher Solar AG ist ein herber Schlag für unseren gesamten Wirtschaftsraum. Das Unternehmen der Solarbranche gehörte für uns nämlich zu den Hoffnungsträgern im wirtschaftlichen Strukturwandel." Das ist kein Wunder, schließlich hat der Landkreis nun nach der Schließung des Neustadter Glasfaserwerkes und dem Rückbau der Diesel-Katalysator-Produktion schon den dritten Rückschlag bei der Entwicklung zukunftsfähiger Branchen hinnehmen müssen.
Die Gehrlicher Solar AGZahlen Im vorliegenden Jahresabschluss 2010 hatte die Aktiengesellschaft einen Jahresumsatz von knapp 360 Millionen Euro, der ausgewiesene Bilanz lag bei knapp über 33 Millionen Euro. Das Unternehmen blickte bei Vorlage des Jahresberichtes optimistisch in Zukunft und ging von einem Anstieg des Konzernumsatzes auf 615 Millionen Euro (2011) und 856 Millionen Euro (2013) aus. Nach Unternehmensangaben erreichte Gehrlicher Solar 2011 dann 323 Millionen Euro Jahresumsatz.
Personal Die 1994 gegründete Gehrlicher Solar AG hat rund 250 Mitarbeiter - rund 60 davon sollen im Firmen-Ursitz in Neustadt beschäftigt sein. Gehrlicher Solar hat auf dem internationalen Markt zahlreiche Auslandsniederlassungen gegründet - die größte davon (Stand: 2011) war in Spanien mit über 50 Mitarbeitern. Weitere Niederlassungen oder Tochtergesellschaften gab es in Italien, Brasilien, Frankreich, den USA, Tschechien, der Slowakei, Großbritannien, Indien, Südafrika und Griechenland.
Ausführliche StatementsMartin Schmitz, Wirtschaftsförderer des Landkreises Coburg: "Die Insolvenz der Gehrlicher Solar AG ist ein herber Schlag für unseren gesamten Wirtschaftsraum. Das Unternehmen der Solarbranche gehörte für uns nämlich zu den Hoffnungsträgern im wirtschaftlichen Strukturwandel. Nach Schließung des Glasfaserkabelwerkes in Neustadt und dem Rückbau der Dieselkatalysator-Produktion im ehemaligen Anna-Werk in Rödental, ist es nun leider schon der dritte Fall, bei dem wir einen Rückschlag bei der Entwicklung zukunftsträchtiger Branchen hinnehmen müssen. Und trotzdem - oder vielmehr gerade jetzt - ist es entscheidend, dass wir die Wirtschaftsförderung zur aktiven Begleitung des Strukturwandels weiter beherzt angehen. Wenn wir unseren Wohlstand und die Menschen in der Region dauerhaft halten wollen, muss der Erhalt und die Schaffung von Arbeits- und Berufsperspektiven für unsere junge Bevölkerungsgeneration eine zentrale Zukunftsaufgabe sein! Ein Anfang wäre sicher gemacht, wenn der Landkreis Coburg bei der jetzt anstehenden Neuordnung der Förderlandschaft dergestalt Berücksichtigung findet, dass innovative Betriebe in unserer Region eine adäquate Unterstützung erfahren und das über 20 Jahre währende Fördergefälle endlich der Vergangenheit angehört. Als Wirtschaftsförderer kenne ich viele innovative Unternehmen in unserem Wirtschaftsraum, die unsere Region auf dieser Basis in eine erfolgreiche Zukunft führen können."
Michael Busch, Coburger Landrat: "Unser erster Gedanke gehört den Mitarbeitern der Firma Gehrlicher, die mit ihren Familien jetzt eine ungewisse Zukunft vor sich haben. Der drohende Verlust eines Arbeitsplatzes ist eine sehr belastende Situation. Meine Hoffnung für die betroffenen Familien knüpfe ich an den Gedanken, dass eine geordnete Insolvenz nicht immer mit einer gänzlichen Perspektivlosigkeit einhergeht: Nicht selten ergeben sich daraus neue Chancen für einen Neuanfang - für Menschen wie Unternehmen gleichermaßen. Eine entscheidende Rolle kommt wohl nun dem Insolvenzverwalter zu, dem ich im Sinne unserer betroffenen Bürger wünsche, dass er noch zukunftsträchtige Lösungen findet. Für uns als Landkreis ist das auch von Bedeutung, weil wir unser unser strategisches Ziel, Energiekompetenzregion zu werden, nicht aufgeben werden. Gerade als industriestarker Landkreis ist es für uns eine ganz entscheidende Zukunftsfrage, diese Kompetenz im Sinne unserer Wirtschaft, aber auch im Sinne unserer Bürger, jetzt nicht aus dem Blick zu verlieren."