Bei aller Kritik haben sich die Ausgleichsflächen bei Gut Schweighof zu einem Musterbeispiel für die Biodiversitätsstrategie der bayerischen Staatsregierung entwickelt. Landwirtschaftliche Vorschriften gelten aber auch hier.
Es war eine Veränderung, die von viel Kritik begleitet wurde. Als für den Bau der Autobahn 73 im Landkreis Ausgleichsflächen gesucht wurden, fiel die Wahl auf das Gut Schweighof. Das Land befand sich im Besitz des Staates, es musste also nicht mit Grundbesitzern verhandelt werden. Dennoch hagelte es Proteste seitens der Landwirtschaft. Der Bauernverband sah hier wertvolle Nutzfläche, die für immer der Produktion entzogen werden sollte. Dass Bäume gefällt wurden, sorgte ebenfalls für Entrüstung. Von Verwüstung war die Rede. Seither sind vier Jahre vergangen.
Seit dem Beginn der Umgestaltung der Schweighofer Flächen beobachtet der Biologe Gerhard Hübner die Entwicklung auf dem rund 50 Hektar großen Gebiet. Er führt ein Monitoring durch. Den Auftrag dafür hat er von der Autobahndirektion Nordbayern erhalten, die dokumentieren muss, was aus den Ausgleichsflächen wird, die sie angelegt hat. Hübners Urteil dürfte die Direktion freuen.
"Als ich 2011 angefangen habe, war die Zahl der Brutpaare bei den Kiebitzen exakt 0", sagt Hübner. Heute bringen diese Vögel hier wieder ihre Brut durch. Ein Erfolg, dabei ist der Kiebitz eine Vogelart, die früher in der Region sehr häufig war. Auch andere Arten wie Braunkehlchen, Graureiher, Bekassinen, Schafstelzen oder der Rotmilan haben den Lebensraum bei Schweighof für sich erobert. "So gesehen, ist die Entwicklung auf den Flächen ein voller Erfolg", bilanziert Hübner.
Extra für Wiesenbrüter "Es ging gezielt darum, eine Fläche zu schaffen, auf der Wiesenbrüter leben können", erklärt Alexander Ulmer vom Landesbund für Vogelschutz. Der Geoökologe beschreibt einen Lernprozess im fachlichen Naturschutz. Demnach wurde erkannt, dass der Erfolg viel größer ist, wenn einzelne große Flächen aufbereitet werden, als viele kleine. Um Wiesenbrütern gerecht zu werden, muss der Grundwasserspiegel angehoben werden, damit der Boden dauerhaft feucht bleibt. Bäume müssen verschwinden, weil sie Greifvögeln als Ansitz dienen würden und die Elterntiere der Wiesenvögel daran hindern könnten, die Greife zu verjagen. Schließlich darf das Gras nicht zu hoch wachsen. Dafür wurden bei Schweighof Galloway Rinder zur ganzjährigen Weidehaltung eingesetzt.
"Durch den Huftritt der Rinder hat sich die Grasplatterbse hier wieder angesiedelt", sagt Ulmer. Diese Pflanze wird zuletzt in der Flora von Coburg aus dem Jahre 1925 mit einem Vorkommen am Fuchsberg bei Rodach beschrieben und wurde seit vielen Jahren nicht mehr entdeckt.
So sehr die Naturschützer der Einsatz der Rinder freut - am Amt für Landwirtschaft beobachtet man die Weidehaltung auf der Fläche aufmerksam. "Auch wenn die Haltung dem Naturschutz dient, müssen die Vorschriften eingehalten werden", betont der Leiter der Behörde, Hans Vetter. Das bedeutet, dass die Ausscheidungen der Rinder, die angrenzenden Gewässer ebenso wenig verunreinigen dürfen, wie das ein Landwirt mit Güllefass oder Mistwagen tun dürfte.
Trotzdem ist Alexander Ulmer vom Wert der Flächen überzeugt. Er könnte sich sogar eine Erweiterung vorstellen, wenn erneut Ausgleichsflächen gebraucht werden. Bei der Politik im Freistaat dürfte er offene Ohren finden. Der Bayerische Ministerrat hat am 1. April 2008 eine Strategie zum Erhalt der biologischen Vielfalt in Bayern (Bayerische Biodiversitätsstrategie) beschlossen. Diese beinhaltet vier zentrale Ziele: Sicherung der Arten- und Sortenvielfalt, Erhaltung der Vielfalt der Lebensräume, Verbesserung der ökologischen Durchlässigkeit von Wanderbarrieren wie Straßen, Schienen und Wehre und die Vermittlung und Vertiefung von Umweltwissen.
Kampf gegen Gefährdung Was der Landesregierung Sorgen bereitet: In den aktuellen bayerischen Roten Listen sind 6480 (40 Prozent) der bewerteten heimischen Tierarten als ausgestorben, verschollen oder bedroht erfasst. "Bis 2020 soll sich daher die Gefährdungssituation für mehr als 50 Prozent der Rote Liste-Arten um wenigstens eine Stufe verbessert haben", erklärt Ulmer die Zielsetzung der Strategie der Staatsregierung. Neuere Untersuchungen haben seiner Kenntnis nach aber ergeben, dass man diesem Ziel in keiner nennenswerten Weiße näher gekommen ist - eher im Gegenteil. Für immer mehr Arten - allen voran für Wiesenbrüter - hat sich die Situation in den vergangenen Jahren dramatisch verschlechtert. "Insofern ist ein Projekt mit Erfolgen wie hier in Schweighof geradezu ein Leuchtturmprojekt", betont der Leiter der LBV-Geschäftsstelle Coburg.
Die Zersplitterung von Flächen, die schützenswerte Lebensräume zu Inseln macht, hat die Regierung als einen Grund für den Artenrückgang ausgemacht. Bis 2020 soll das Biotopnetz deshalb so vervollständigt sein, dass die biologische Vielfalt umfassend und dauerhaft erhalten werden kann. Moore werden renaturiert, Fließgewässer dynamisiert. Zudem soll die zusätzliche Flächeninanspruchnahme durch Siedlung und Verkehr deutlich verringert werden. Die Fortschritte auf dem Weg zu diesem Ziel halten sich in Grenzen. Fachleute zweifeln daran, dass 2020 der gewünschte Erfolg erreicht sein wird.
Der Landkreis Coburg ist auf dem Weg, mit seiner Beteiligung am Naturschutzgroßprojekt "Das Grüne Band" ein weiteres Mal zu einer Ausnahme im landesweiten Trend des Artenrückgangs zu werden.