Hier dreht sich alles um das Kind

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Elias Khwaja und Melanie und Josephine Hehn spielen im Willy-Machold-Kindergarten am Sandtisch. In der kommunalen Einrichtung arbeiten die Erzieherinnen nach einem Qualitätshandbuch, das die Kinder in ihrer Selbstständigkeit und Kreativität unterstützen soll. Fotos: Gabi Arnold
Elias Khwaja und Melanie und Josephine Hehn spielen im Willy-Machold-Kindergarten am Sandtisch. In der kommunalen Einrichtung arbeiten die Erzieherinnen nach einem Qualitätshandbuch, das die Kinder in ihrer Selbstständigkeit und Kreativität unterstützen soll. Fotos: Gabi Arnold
Die zweijährige Liv geht mit Begeisterung in den Willy-Machold Kindergarten, sagt ihre Mama Nina. Dort werden die Kinder sanft in den Alltag eingewöhnt.
Die zweijährige Liv geht mit Begeisterung in den Willy-Machold Kindergarten, sagt ihre Mama Nina. Dort werden die Kinder sanft in den Alltag eingewöhnt.
 

Der Willy-Machold-Kindergarten in Dörfles-Esbach hat Qualitätsmerkmale für die pädagogische Arbeit in einem Handbuch zusammengefasst.

Total begeistert sei die kleine Liv Lindner, sagt ihre Mama Nina, während die Zweijährige in einer großen Bücherkiste kramt, ein Bilderbuch hervorholt und darin blättert. Nebenan schaufeln Elias Khwaja und Josephine Hehn mit Förmchen im Sand. Die Kinder fühlen sich im Willy-Machold-Kindergarten sichtlich wohl. Am Samstag spielen einige Kinder in den Gruppen, während sich die Eltern über das Konzept des Kindergartens informieren. Dieses sei einmalig im Landkreis und vermutlich darüber hinaus beispielhaft, meinte der Bürgermeister der Gemeinde Dörfles-Esbach, Udo Döhler.
Sieben Jahre lang haben die Mitarbeiterinnen, unterstützt von Torsten Dohnalek, Dozent für soziale Arbeit an der Hochschule Coburg, und in Zusammenarbeit mit den Eltern Qualitätsmerkmale für den Kindergarten erarbeitet. Diese umfassen 21 Kriterien und dienen den Mitarbeiterinnen nun als Leitfaden.
Im Mittelpunkt des Konzeptes steht das Wohl des Kindes, und dies beginnt bereits bei der Aufnahme in den Kindergarten. So können sich Liv, Elias, Josephine und die anderen kleinen Besucher sanft in den Alltag mit all den neuen Eindrücken eingewöhnen.
Kindergartenleiterin Yvonne Kolk erklärt, dass die Kleinen anfangs mit einer Bezugsperson die Einrichtung kennenlernen, zunächst für zwei Stunden. Begleitet werden können die Kinder selbstverständlich auch von Omas, Opas oder anderen nahe stehenden Verwandten, wenn Mama und Papa berufstätig oder allein erziehend sind. Nach einer gewissen Zeit verlängern sich die Stunden des Aufenthaltes, bis die Kleinen sich wohl fühlen.


Ganzheitliche Vorgehensweise

Dies gelte freilich auch für die Eltern, denn auch diese möchten ihren Nachwuchs bestens aufgehoben wissen. Die Eingewöhnungszeit ist ein Mosaiksteinchen in dem dicken Handbuch, das beispielsweise auch Themen wie die kulturelle Vielfalt, Bewegung, bildende Kunst, Sprache oder Ernährung aufgreift.
"Es ist eine ganzheitliche Vorgehensweise mit klipp und klaren Ansagen", erklärt die Leiterin. Sie erklärt den Hintergrund der Aktion: Demnach hat sich die gemeindliche Einrichtung in den vergangenen Jahren vergrößert und ist auf sechs Gruppen und immerhin 16 Mitarbeiterinnen angewachsen, die freilich auch mit unterschiedlichen Auffassungen an die Arbeit gingen.
"Es war uns wichtig, dass alle Mitarbeiterinnen nach den gleichen Prinzipien arbeiten", sagt Kolk. Eltern sollten klare und einheitliche Antworten auf die Fragen erhalten, sei es über die Ernährung, Sport oder Schlafzeiten. Der Kindergarten sollte durch das Projekt zudem pädagogisch aufgewertet werden.
Als wissenschaftliches Fundament diente ein nationaler Kriterienkatalog, der für alle Einrichtungen, gleich welcher pädagogischen Ausrichtung, Gültigkeit hat. Die Kernaussage lautet: Das Kind erschließt sich seine Umwelt selbst, Fachleute beobachten und unterstützen das Handeln. So sollen die Kreativität und die Selbstständigkeit der Mädchen und Jungen frühzeitig gefördert.


Grundlagen werden gelegt

Torsten Dohnalek weiß, dass Bildung im Kindergarten anfängt. "Im Alter von eins bis sechs Jahren werden die Grundlagen gelegt. Was jetzt zu wenig gefördert wird, ist später schwer aufzuholen", sagt er. Die einzelnen Punkte bauen aufeinander auf, der langsame Übergang von Elternhaus in den Kindergarten gehört genauso dazu wie später der Übergang von der Tagesstätte in die Schule.
Das Buch ist ein individuelles, auf den Willy-Machold Kindergarten abgestimmtes Werk, in das die Erzieherinnen und Pflegerinnen sehr viel Herzblut, aber auch sehr viel Freizeit gesteckt haben. Eben wegen der vielen ehrenamtlichen Stunden, erklärt Dohnalek, sei es für kleine Kindertagesstätten mit einer dünnen Personaldecke leider nahezu unmöglich, dies umzusetzen.
Bürgermeister Döhler sagt, dass die Gemeinde als kommunaler Träger sehr gerne in die Arbeit investiert hat. Da sich die Anforderungen an die Mitarbeiterinnen ständig ändern, soll auch das Handbuch weiterentwickelt werden.
Erzieherinnen und Pflegerinnen haben übrigens, laut Kindergartenleiterin Kolk, von der aufwendigen Arbeit sehr profitiert. Das Klima habe sich verbessert und eben auch der Austausch und die Zusammenarbeit untereinander und mit den Eltern.


Großer Freiraum fürs Kind

Margit Müller von der Fachberatung für Kindergärten im Landkreis ist begeistert davon, erstmals ein Qualitätshandbuch in Händen zu halten: "Was auffällt, ist, dass der Blick immer auf das Kind gerichtet ist und dem Kind ein großer Freiraum eingeräumt wird." Dem Erzieher komme eine zurücknehmende, teilnehmende Beobachterrolle zu. "Das Wohl des Kindes steht hier wirklich im Mittelpunkt, und das gefällt mir sehr. Das macht Mut."