Gesetz zwingt Neustadt bei Bürgern zu kassieren

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Marode Straßen zu sanieren, ist teuer. Kommunen müssen künftig dafür Gebühren von den Grundeigentümern einfordern.dpa
Marode Straßen zu sanieren, ist teuer. Kommunen müssen künftig dafür Gebühren von den Grundeigentümern einfordern.dpa

Die Stadtväter ringen um eine möglichst bürgerfreundliche Gebührensatzung für den Straßenausbau.

Dass die Stadt nicht um den Erlass einer Straßenausbaubeitragssatzung herum kommt, steht für die Mehrheit der Stadtratsmitglieder außer Frage. Wie diese aussehen soll, dazu besteht aber noch erheblicher Diskussionsbedarf. Daher wurde bei der Sitzung am Montag auch zunächst nur der Grundsatzbeschluss gefasst, eine solche Satzung zu erlassen.
Vorangegangen war ein Fachvortrag von Verwaltungsrechtler Alexander Reitinger, der immer wieder in teilweise engagiert geführte Debatten abglitt.
Mit dem Grundsatzbeschluss folgte das Gremium nur dem ersten Teil einer Empfehlung, die der Bausenat als Beschlussvorlage eingebracht hatte. Der Senat hatte sich von Reitinger bereits drei Stunden lang informieren lassen, und war zu dem Entschluss gekommen, dem Stadtrat eine Satzung mit einmaligen Gebühren zu empfehlen. Da war sich der Gesamtstadtrat am Montag aber nicht mehr so sicher. So plädierte Marc Holland im Namen der Fraktion der Freien Wähler für wiederkehrende Beiträge, weil sie die Bürger weniger belasten. Die Unsicherheit wurde nicht geringer, als Alexander Reitinger darlegte, dass beide Systeme gemischt werden können. Die Satzung könne für einzelne Erhebungsgebiete einmalige und für andere wiederkehrende Gebühren erheben. Beide Varianten haben Vor- und Nachteile, die der Rechtsexperte ausführlich darlegte.
Zu den Vorteilen der einmaligen Gebühren, bei denen genau ein Projekt auf die Anlieger der betroffenen Straße umgelegt wird, zählt die Rechtssicherheit der Mustersatzungen. Diese Variante gibt es in Bayern seit Jahren. Daher lässt sie sich leicht umsetzen, die Betroffenen erkennen den Zusammenhang zwischen Ausbau und Bezahlung, weil es um "ihre" Straße geht. Es müssen keine Abrechnungsgebiete festgelegt werden. Anlieger von Kreis-, Staats- und Bundesstraßen müssen nicht zahlen. Der größte Nachteil ist die hohe Belastung, die für einzelne Anlieger entstehen kann - auch wenn sie gestundet oder verrentet werden kann, um sie auf zehn Jahre zu verteilen.
Umgekehrt ist es der wohl größte Vorteil der wiederkehrenden Beiträge, dass die Belastung geringer wird, weil sie auf mehr Haushalte - nämlich alle Eigentümer im Abrechnungsgebiet - verteilt wird. Allerdings ist die Bildung der Abrechnungsgebiete mit hohem Aufwand verbunden. Mustersatzungen können nicht leicht umgesetzt werden und Verwaltungsexperten rechnen daher mit einer hohen Klagequote. Anlieger von Kreis-, Staats- und Bundesstraßen müssen ebenfalls zahlen, allerdings mit steigender Bedeutung der Straße einen geringeren Anteil. Zum erhöhten Verwaltungsaufwand hat das Bauamt der Stadt ein Testgebiet erfasst und berechnet, dass 1,5 bis zwei Mitarbeiter nur für die Bearbeitung einer Satzung mit wiederkehrenden Beiträgen eingestellt werden müssten. Da es dabei um qualifiziertes Fachpersonal handelt, müsse mit wenigstens 75 000 Euro jährlich an erhöhten Personalkosten gerechnet werden, wenn diese Variante beschlossen wird. Bis zu einer Entscheidung haben die Ratsmitglieder daher einiges zum Nachdenken mitgenommen.
Kritik aus der SPD-Fraktion sah sich Landtagsabgeordneter Jürgen W. Heike (CSU) ausgesetzt. Er hatte in den vergangenen Monaten für viel Aufregung unter den Landkreisbürgern und bei der Kreisverwaltung gesorgt, weil er zusammen mit seiner SPD Kollegin Susann Biedefeld gegen die Satzung Front gemacht hatte. Wolfram Salzer (SPD) hielt ihm vor, dass er dem Gesetz zur verpflichtenden Einführung der Satzung im Landtag selbst zugestimmt habe. Dass er später behauptete, die Stadt sei nicht gezwungen, eine solche Satzung zu erlassen, kommentierte Salzer mit den Worten: "Sie haben Nebelkerzen geworfen!"Oberbürgermeister Frank Rebhan (SPD) erinnerte daran, dass Heike den Bürgermeistern Mangel an Information vorgeworfen und die Bürger aufgerufen habe, "ihre Vertreter zur Rechenschaft zu ziehen." Stattdessen habe seine eigene CSU-Fraktion feststellen müssen, dass es "einfach nicht stimmt", dass die Kommunen auf eine Satzung verzichten könnten. Heike musste sich fragen lassen, warum er im Landtag keine Bedenken gegen das Gesetz erhoben habe, warum er wider besseres Wissen behauptet habe, die Satzung müsse nicht erlassen werden und warum er nicht inzwischen längst eine Initiative gegen das Gesetz im Landtag auf den Weg gebracht hat.
Heike argumentierte, er habe dem Kommunalabgabengesetz zugestimmt, weil durch die neu eingearbeitete Möglichkeit auch wiederkehrende Beiträge erhoben werden können eine Verbesserung erreicht wurde. Die Initiative gegen die Einführung der Satzung in den Kommunen sei nicht von ihm, sondern von der SPD Abgeordneten Susann Biedefeld ausgegangen. Bastian Schober (SPD) wollte wissen, worauf sich Heikes Behauptung gestützt habe, die Kommunen müssten die Satzung nicht zwingend einführen, war aber auch nach wiederholter Nachfrage "nicht der Meinung, dass Sie meine Frage schon beantwortet haben."
Glücklich ist im Stadtrat offenbar niemand mit dem Zwang, Kosten für den Straßenausbau zum Großteil auf die Grundeigentümer umzulegen. Frank Rebhan: "Ich finde die gesetzliche Situation nicht gut." Marc Holland: "Ein Gesetz, über dessen Umsetzung gestritten wird und das offensichtlich niemand haben wollte." Thomas Büchner (ÖDP): "Uns wurde eine Zwangsjacke vorgestellt, wir dürfen die Farbe aussuchen." Einigkeit bestand aber auch darin, die Gestaltung der Satzung selbst in die Hand zu nehmen. Denn andernfalls drohe die Ersatzvornahme durch die Rechtsaufsicht. Dann werde die Mustersatzung eingeführt. Diese sieht vor, Beiträge rückwirkend für bis zu 20 Jahre zu erheben. Das gelte es auf jeden Fall zu vermeiden.