Weitramsdorf muss in Straßen, Kanäle und Brücken investieren. Über die Gestaltung der Ortsmitte haben sich Studenten der Hochschule Coburg Gedanken gemacht.
Die Gemeinde muss in den nächsten Jahren viel Geld in ihre Infrastruktur stecken. Der Gemeinderat beschloss in seiner Sitzung am Montagabend zunächst, den Tannenweg im Jahr 2018 zu sanieren. Wie das genau geschehen wird, soll mit dem nach der Ausschreibung ausgewählten Ingenieurbüro besprochen werden. Die Anlieger, die teilweise die Sitzung mit Spannung verfolgten, müssen auf jeden Fall damit rechnen, nach der Straßenausbaubeitragssatzung (Strabs) an den Kosten beteiligt zu werden.
Zuvor hatten die Ingenieure Thomas Lüftner und Heiko Runge keinen Zweifel daran gelassen, dass der Zustand sowohl der Straße als auch des darunterliegenden Kanals dringenden Handlungsbedarf signalisieren. Lüftner, Geschäftsführer der pgu Ingenieurgesellschaft (Schweinfurt), hatte den Straßenaufbau anhand von Randkernbohrungen untersucht. Der gesamte Oberbau (Asphalt- plus Schottertragschicht) betrage zwischen 20 und 30 Zentimeter und weise damit nur ein Drittel der nach aktuellen Richtlinien für eine reine Anliegerstraße verlangten Stärke auf, sagte er. Den Gesamtkoffer, der für den Regelaufbau ausgehoben werden muss, schätzte der Experte auf 60 bis 70 Zentimeter. Die gute Nachricht: Da der Boden keine teerhaltigen Bestandteile enthält, kann er kostengünstig entsorgt oder - mit Bindemittel verbessert - zum Auffüllen wiederverwendet werden.
Klaffende Risse
Beim Check des Kanals hatte Runge (Gaul Ingenieure, Bamberg) im gesamten Tannenweg klaffende Risse, Scherben, Deformationen und sogar fehlende Rohrstücke gefunden. "Unbedingter Sanierungsbedarf", so sein Urteil. Er schlug zwei Varianten vor: Entweder eine Sanierung im Schlauchliner-Verfahren plus punktueller Erneuerung (für 193.000 Euro) oder kompletten Neubau des Kanals (für 241.000 Euro, jeweils inkl. Ingenieurleistungen). "Momentan wäre die Variante mit Sanierung aus unserer Sicht günstiger", beantwortete Runge eine Nachfrage von Matthias Helmprobst (FW-BV). Angesichts der möglichen Straßensanierung "kommen wir in einen Bereich, wo sich ein kompletter Neubau rechnen würde", gab er dann Werner Hanke (ÜPWG) recht. Obwohl Ulrich Kräußlich feststellte, "dass es da keine Diskussion gibt, Straße und Kanal sind kaputt", waren sich die Gemeinderäte uneins über die weitere Vorgehensweise. "Eine Deckensanierung wird nicht reichen", kommentierte Bürgermeister Wolfgang Bauersachs (BfB) und machte sogleich deutlich, "dass bei einem grundhaften Ausbau die Anlieger beteiligt werden".
Diskussion über die Strabs
Die Rechtmäßigkeit der umstrittenen Strabs werde nicht angezweifelt, so Bauersachs weiter, auch könne er sich nicht vorstellen, dass der Freistaat diese "Geldbeschaffungsmöglichkeit für Gemeinden" abschaffe. Im Grunde müsse jeder Betroffene gegen einen entsprechenden Bescheid vorgehen, um im Falle einer Abschaffung überhaupt Chancen auf Rückerstattung bereits gezahlter Beiträge zu haben, meinte Günter Tschech (ÜPWG). Schließlich folgten die Räte mit elf zu sechs Stimmen und einer Enthaltung dem Vorschlag der Verwaltung, die Straße zu sanieren. Zwölf Räte befürworteten es, wenn nach Ausschreibung das günstigste Büro mit der Ausarbeitung der Pläne beauftragt wird (bei fünf Gegenstimmen).
Kanalnetz weist Schäden auf
Der Kanal im Tannenweg ist nicht der einzige schadhafte im Stadtgebiet. In zwei Abschnitten ermittelt Runge weitere Schwachstellen im gesamten Kanalnetz, zunächst in Altenhof, Neundorf, Tambach und Weidach. Schon bei den ersten 16 untersuchten Kilometern habe sich die Hälfte der Abschnitte als "kurz- bis mittelfristig sanierungsbedürftig" herausgestellt. Die Kosten bezifferte er auf 830.000 Euro (inkl. Honorar). Hochgerechnet auf alle 46 Kilometer rechnet Runge mit Ausgaben von 2,5 Millionen Euro brutto. "Keine unübliche Summe", wie er meinte. Sein Vorschlag: Die schlimmsten Stellen anpacken und dafür über acht bis zehn Jahre jeweils 200.000 bis 250.000 Euro im Haushalt einzuplanen. "Wir wussten, dass so etwas auf uns zukommt, und müssen dafür Geld in die Hand nehmen", stimmte ihm Bauersachs zu. Nach einstimmigem Votum des Gemeinderats sollen zunächst Angebote für die Sanierung der unter Schadensklasse 5 ("unbedingter Handlungsbedarf") eingestuften Stellen eingeholt werden. Kräußlich drang auf ein Mitspracherecht des Gemeinderats und verlangte die Vorlage aller Angebote. Die Kanalbefahrung im Oberen Wickenweg ergab dagegen nur kleinere Risse ohne akuten Handlungsbedarf, wie Bauhofleiter Sven Scherbel erläuterte.
105.000 Euro für Brückensanierung
Auch vier Brücken im Stadtgebiet müssen saniert, zwei dazu neu gebaut werden. Dieser Neubau der Brücke über den Augraben zwischen Schlettach und
Weitramsdorf beziehungsweise der Brücke an der Schlettacher Straße in Weitramsdorf ist laut Ulrich Kühnel (Ingenieurbüro Koenig und Kühnel, Weitramsdorf) "irgendwann erforderlich". Für die übrigen vier Bauwerke (Tambach-Brücke in Neundorf, Brücke über den Schlettacher Augraben, Brücke oberhalb der Zufahrt zu den Hofmannsteichen und Altenhofer Brücke) schlug Kühnels Mitarbeiter Andreas Ziener zeitnahe Maßnahmen vor, um stärkeren Schäden vorzubeugen. So muss bei allen vieren das Bachbett beräumt werden. Bei der Brücke kurz vor Schlettach empfahl Ziener den Rück- und Neubau der Kappe, die Brücke zwischen Weitramsdorf und Schlettach müsste dringend freigelegt und entwässert werden. Anders als der TÜV betrachtet Ziener den Neubau der Altenhofer Brücke als nicht erforderlich, wenn dort die Kappe abgebrochen und richtig hinterfüllt wird. Für diese Brücke setzt der Experte allein 50.000 Euro an; die Instandsetzung beider Schlettacher Brücken würde je rund 20.000 Euro und die der Neundorfer Brücke 15.000 Euro kosten. Der Gemeinderat beschloss bei einer Gegenstimme, die Sanierung aller vier Brücken zügig anzugehen und die Arbeiten auszuschreiben.
Im guten Zustand sind dagegen die Betonteile des Nachklärbeckens der Kläranlage Tambachtal in Neundorf. Hier empfiehlt Ziener lediglich, nach dem nächsten Abpumpen leichte Fugen und Betonschäden am"Königsstuhl" zu beseitigen und die zu kurze Einstiegsleiter zu ersetzen (Kosten: rund 10.000 Euro).
Mit 13 zu 5 Stimmen sprach sich das Gremium für eine Fortführung des Seniorenbusses aus, nachdem der Krankenpflegeverein weiterhin dessen Abrechnung übernehmen wird. Auch in diesem Herbst fahren die Gemeinderäte wieder Split aus. Warum sich weit über 100 Grundschüler nach Schulschluss in einen Bus zwängen müssen, wollte Gunther Beetz (DGN) wissen. Allein aus Weidach seien es 71 Kinder, präzisierte Christoph Goer-Denninger (ÜPWG). Die Verwaltung wisse davon nichts, erklärte Geschäftsleiter Heiko Geuß, doch gelte es, "diesen Missstand so schnell wie möglich zu beseitigen", wie Bauersachs hinzufügte. Der Bürgermeister versprach auch, Möglichkeiten für eine Ferienbetreuung auszuloten, nachdem laut Andreas Carl (DGN) daran 88 Schüler Interesse zeigen.
Ohne Wohnen kein Leben in der Dorfmitte
Wie kann die Mitte Weitramsdorf attraktiver gestaltet werden? Ideen dazu stellte Prof. Mario Tvrtkovic von der Hochschule Coburg in der Gemeinderatssitzung vor. Der Experte für Dorfbau, Stadtmorphologie und Nachkriegsmoderne in Europa hatte sich gemeinsam mit seinen Kollegen Prof. Markus Schlempp (Spezialist für "Neues Bauen in alter Umgebung") und Prof. Mark Philipps (Innenarchitektur) und Studenten auf Bitten der Verwaltung Gedanken darüber gemacht, was das Besondere an der Kerngemeinde ist und wie es betont werden kann. Mächtige Baukörper und Leerstände identifizierte Tvrtkovic als Herausforderung, dennoch sieht der Professor für Städtebau "viel vorhandenes Potenzial für Innenentwicklung".
Inspiriert durch eine alte Karte mit sichtbarem Bachverlauf und Hofstrukturen entwickelten einige Studenten das "Generationen-Dorf" als eine Möglichkeit, mit der sich die Dorfgemeinschaft auch dem demografischen Wandel stellen könnte. So könnte etwa ein "Indoor Spielplatz" in der früheren Halle der Firma Albrecht die Dorfmitte stärken. Der Vorschlag sieht weiter vor "das Thema Wasser wieder sichtbarer zu machen" und zentral Dienstleister anzusiedeln. Auch ein Mehrgenerationen-Wohnen wird angedacht.
Ein zweites Team stellt sich unter dem Stichwort "Campus" die Ansiedlung moderner Arbeitsplätze vor. Co-Working könnte die leerstehenden Lagerhallen beleben und aus der Halle könnte ein "Bürgerhaus" inklusive Bibliothek und Gruppenräumen werden. Hier böte sich "die Chance, in Zeiten der Digitalisierung das Thema Arbeit neu zu verstehen", meinte Tvrtkovic.
Eine "Starke Mitte" präsentiert die dritte Variante: Im Zentrum gelte es, viele Funktionen wie Wohnungen, Möglichkeiten zum Einkaufen und der Begegnung zu konzentrieren. Dazu müsste die Mitte baulich gefasst werden. "Wenn da Menschen sein sollen, dann müssen da welche wohnen", forderte der Professor. Skeptisch äußerte sich Carl, er konnte sich nicht vorstellen, "diesen schönen Platz zu bebauen". "Sie müssen sich als Dorfgemeinschaft überlegen, wo sie hinwollen", entgegnete ihm der Referent: "Entweder wollen Sie die Mitte stark machen oder nach außen wachsen." Beides schließe einander aus. Tvrtkovic: "Dann werden Sie den Kampf um die Mitte verlieren." In Wallenfels hatte der Städtebau-Experte einen Wettbewerb zur Umgestaltung der Ortsmitte mit einer Werkstatt vor Ort initiiert. Eine ähnliche Aktion könnte er sich auch für Weitramsdorf vorstellen.
Kämmerer Christian Reuß nahm den Unmut, der sich auch aus Reihen der betroffenen Anlieger im Zuschauerraum gegen manchen Vorschlag regte, zum Anlass, darauf hinzuweisen, dass es sich bei allen vorgetragenen Ideen lediglich um "reine Denkanstöße für den Gemeinderat" handele. Der Bürgermeister dankte Tvrtkovic für den "Strauß an Ideen" und versprach, "die Privaten bei einer möglichen Gestaltung mitzunehmen".