Für die Karriere nach Bad Rodach: "Ich brauche keine Metropole"

4 Min
Urgestein: Thomas Hartleb stammt aus Neida und hat das Valeo-Engagement im ehemaligen Siemens-Werk von Anfang miterlebt. Heute leitet er das Valeo-Kompetenzzentrum für Bedienelemente - mit weltweiter Verantwortung von Bad Rodach aus.Berthold Köhler
Urgestein: Thomas Hartleb stammt aus Neida und hat das Valeo-Engagement  im ehemaligen Siemens-Werk von Anfang miterlebt. Heute leitet er das Valeo-Kompetenzzentrum für Bedienelemente - mit weltweiter Verantwortung von Bad Rodach aus.Berthold Köhler

Den gebürtigen Neidaer Thomas Hartleb erreichte der Ruf der weiten Welt, als Valeo vor 20 Jahren das Siemens-Werk in Bad Rodach übernahm.

Thomas Hartleb, das sagt er mit einem Schmunzeln, gehört zum "lebenden Inventar" des Valeo-Werkes. Denn er war schon dort, da wusste bei Valeo wohl kaum jemand, wo Bad Rodach überhaupt liegt. Damals, in den 80er und 90er Jahren, gehörte das Werk ja auch noch zu Siemens. Aber Klimaanlagen hat Hartleb damals schon entwickelt. Heute, im 20. Jahr von Valeo in Bad Rodach, verantwortet der gebürtige Neidaer die weltweite Weiterentwicklung von Bedienelementen mit Kompetenzzentrum in Bad Rodach.


Studium in Coburg, in der "Siemens-Familie" auf der Karriereleiter nach oben unterwegs, dann mit seinem acht Mann starken Entwicklungsteam von Valeo übernommen worden. Thomas Hartleb, inzwischen Leiter der Technischen Produktlinie Bedienelemente, hat viel erlebt mit und bei Valeo.

Wie haben Sie 1998 den Wechsel von Siemens zu Valeo persönlich erlebt?
Thomas Hartleb: Damals war eigentlich klar: einmal Siemens, immer Siemens. Alles deutsch. Aber die Übernahme hatte auch ihren Thrill: französische Vorgesetzte, Firmensprache Englisch, ein bisschen der Ruf der weiten Welt. Dazu kam die völlige veränderte Philosophie: Bei Siemens stand die technische Entwicklung über allem. Bei Valeo sprechen wir damals wie heute vom profitablen Wachstum. Damit sind wir auf dem Weg hin zum breit aufgestellten Technologieunternehmen.

Valeo - das heißt nicht nur Bad Rodach und Neuses, sondern auch Paris und Detroit. Warum hat Sie da der Ruf der weiten Welt nicht in die Ferne gelockt?
(lacht) Ein bisschen herumgekommen bin ich zu Siemens-Zeiten schon: München, Regensburg, Redwitz. Aber meine berufliche Heimat ist Bad Rodach geworden. Ich hatte eine Zeit lang einen Chef, der wollte einmal die Woche in Paris mit mir sprechen. Ich fahre also schon gerne fort - aber ich komme auch gerne wieder nach Hause. Ich brauche keine Metropole, um zufrieden zu sein. Jedes erfolgreiche Unternehmen braucht auch Mitarbeiter, die dabei bleiben. Die findet man leichter hier. Ich freue mich immer, wenn ich solche Leute im Team habe.

Wie schätzen Sie die Lage ein: Haben die Menschen im Coburger Land überhaupt eine Vorstellung, was bei Ihnen in Bad Rodach produziert wird?
Noch zur Jahrtausendwende haben die Leute nicht mal gewusst, wie man uns richtig ausspricht (schmunzelt). Aber die Wahrnehmung ist besser geworden. Wir hier am Standort haben über dieses Thema auch mit der Geschäftsleitung in Paris diskutiert. Zu einem erfolgreichen Unternehmen gehört eine gewisse Verbundenheit und Nachhaltigkeit. Die Menschen in der Umgebung müssen was mit uns anfangen können. Gerade als Teil der Automobilindustrie passt es nicht mehr in die Zeit, wenn man abgeschottet vor sich hin arbeitet. Diese Erkenntnis hat sich auch bei Valeo durchgesetzt.

Ist es schwer, gut ausgebildete Fachkräfte nach Bad Rodach zu locken?
Nicht schwieriger als nach München. Ich höre oft, dass sich Ingenieure - das sind bekanntlich nicht die schlechtesten Verdiener - Städte wie München nicht mehr leisten können. Oder zumindest nicht mehr leisten wollen. Die hohen Mieten, die Staus, die Probleme bei den Kindergartenplätzen - wer sich das nicht mehr antun will, ist in einer Region wie der unsrigen am richtigen Platz.

Wie nehmen Sie das Standing des Werks Bad Rodach innerhalb des Unternehmens Valeo wahr?
Wir haben spannende Zeiten hinter uns (grinst). Es gab schon Phasen, da hatte ich jedes Jahr einen neuen Chef. Ich und meine Kollegen mussten uns schon ein bisschen Mühe geben, um die Geschäftsleitung davon zu überzeugen, dass man den Standort Bad Rodach braucht. Unsere zentrale Lage hat uns da sicher auch geholfen. Stuttgart, München, Rüsselsheim, Wolfsburg - von Bad Rodach aus sind das alles keine Weltreisen. Inzwischen steht die Bedeutung unseres Standortes außer Frage, weil auch die Bedeutung der deutschen Automobilindustrie unumstößlich ist. Ein deutscher Hersteller verlangt von unseren Teil ein "buttriges Betätigungsgefühl". Das erklären sie mal auf Französisch... Dank unserer vielen deutschen Kunden weiß man in der Valeo durchaus, wer wir in Bad Rodach sind.

Als zuständige Abteilung für den Produktentstehungsprozess arbeiten Sie am Auto von morgen. Wie weit sind Sie der Markteinführung voraus?
Vor nicht allzu langer Zeit haben wir mit der Entwicklung eines Produkts bis zu sieben Jahre vor der Markteinführung begonnen. Das hat sich geändert. Unsere Kunden wissen inzwischen kaum mehr, wie das Auto in drei Jahren aussehen wird. Es herrscht eine enorme Nervosität auf dem Markt. Wir haben bis zur Serienreife zwei, zweieinhalb Jahre Zeit. In der Forschung, da sind wir aber weiter - so irgendwo in der Zeit zwischen 2022 und 2025.

Und wie werden in sieben Jahren die Autos auf den Straßen unterwegs sein?
Ein erheblicher Anteil auf jeden Fall elektrisch, autonom und vernetzt. Viele Tasten wird es auch nicht mehr geben, stattdessen geschlossene Oberflächen mit Multifunktion. Von der Ästhetik her wird meiner Meinung nach vieles besser werden. Und, ob es uns gefällt oder nicht: Die Autos werden Kameras im Innenraum haben!

Das klingt ja ganz schön nach totaler Überwachung...
Für die einen ist es Überwachung, andere sprechen von einem Gewinn für die Menschheit. Das Auto der Zukunft, wird auf jeden Fall wissen, ob derjenige, der am Steuer sitzt, das Fahrzeug auch fahren darf. Wenn ich an die Attentate mit Kraftfahrzeugen denke, dann kann ich jetzt schon sagen: Das Auto der Zukunft wird solche Vorfälle zu verhindern versuchen.




20 Jahre Valeo in Bad Rodach - so fing alles an

Vorläufer Der Unternehmer Max Roesler kam im 1893 nach Rodach, wo er im Sommer 1894 eine Fabrik für Feinsteingut gründete. Die Fabrikanlagen wurden an der am 1. Juli 1892 eröffneten Bahnstrecke Coburg-Bad Rodach mit einem eigenen Gleisanschluss errichtet. Am 1. Januar 1896 nahm das Unternehmen planmäßig die Produktion auf.

Die Siemens-Ära 1938 kaufte Siemens das Werk mit damals immer noch über 300 Mitarbeitern und stellte dort erst Porzellanisolatoren, dann Kunststoffteile her. In den 60er Jahren kamen die ersten Projekte für die Automobilindustrie dazu. 1974 wurde in Bad Rodach die erste Klimaanlage hergestellt.

Die Valeo-Ära 1995 schließt Siemens ein weltweites Joint Venture mit Valeo für Klimasysteme . Der Standort Rodach wurde damit Entwicklungszentrum für die deutschen Automobilhersteller. Die Zahl der Mitarbeiter steigt auf rund 900. Zum 1. Januar 1998 übernimmt Valeo den Standort Bad Rodach komplett und stellt dort unter anderem komplexe Klimasysteme für die deutschen Marken BMW und Mercedes her.

Die Zukunft Derzeit hat das Valeo-Werk Bad Rodach insgesamt rund 1025 Beschäftigte aus mehr als 30 Nationen. Schon in naher Zukunft plant das Unternehmen, sein Personal am Standort auf bis zu 1300 Mitarbeiter aufzustocken.