Fraktionsvorsitzender Gerold Strobel gibt sich bei der Aufstellungsversammlung optimistisch: 20 Sitze im Kreistag sind möglich - auch ohne eigenen Landratskandidat.
Am Ende der Aufstellungsversammlung, mit der 60-Personen-Liste für den Kreistag in der Hand, wurde Gerold Strobel für einen Moment richtig offensiv. "Diese Liste", sagte der ehemalige Bad Rodacher Bürgermeister und schaute aufmunternd in die Runde, "hat Potenzial. Sie hat Potenzial für 20 Sitze im Kreistag". Der Kreisverband Coburg-Land der Freien Wähler (FW) will es also wissen. Und bei der Kommunalwahl am 16. März die Zahl seiner Sitze im Kreistag von derzeit 11 auf jeden Fall deutlich steigern.
Aber die FW werden dies ohne eigenen Landratskandidaten tun. Das sagte der Kreisvorsitzende, Christian Gunsenheimer (Weitramsdorf), an Ende der Versammlung. Auch die leise von der CSU erhoffte Unterstützung für ihren Mann, den Ebersdorfer Rainer Mattern, wird es nicht geben. "Wir unterstützen jeden Landrat, von dem wir derzeit wissen", sagte Gunsenheimer.
Im momentanen Fall kommt dafür neben Mattern auch der Amtsinhaber Michael Busch (SPD) in Frage. Mit denen aber, das klang fast wie eine Drohung des FW-Kreisvorsitzenden, werde man sich "intensiv auseinandersetzen".
Die SPD und der Reflex Gerold Strobel nahm sich lange Zeit, um im Saal des Gasthauses Sauerteig die politischen Ziele der FW zu präsentieren. Ganz wichtig war dem Fraktionsvorsitzenden die ärztliche Versorgung. Erst vor wenigen Wochen hatten die FW dazu im Kreistag einen Antrag eingebracht: Der Landkreis möge doch ein paar Stipendien für junge Menschen, die Allgemeinarzt werden und sich im Landkreis niederlassen wollen, ausschreiben. Was dann im Kreistag aber geschah, bezeichnete Strobel enttäuscht als "reflexartig": Die SPD und Landrat Busch hätten nur die Probleme und nicht die Chancen des Antrages gesehen und die Sache erst einmal auf die lange Bank geschoben.
"Es war ja zu befürchten", sagte Strobel und zuckte dabei mit den Schultern.
Beim Naturschutzprojekt "Grünes Band", wo sich die Freien Wähler von Anfang an keine gemeinsame oder gar einen Fraktionszwang erlauben, brachte Strobel erneut eine "vernünftige Lösung" ins Gespräch. Es müsse doch möglich sein, künftige Ausgleichsflächen für größere Infrastrukturprojekte in der Region (Umgehung Ebersdorf, Staatsstraße 2205, Verkehrslandeplatz) direkt ins "Grüne Band" zu integrieren. "Damit werden die Landwirte nicht doppelt - durch die Projekte selbst und die Ausgleichsflächen - bestraft", erklärte Strobel.
Mehr als ärgerlich ist für den ehemaligen Bürgermeister der Zustand der Staatsstraße 2205 zwischen Coburg und Wiesenfeld. "Beschissen", schimpfte Strobel ganz undiplomatisch, liege die Straße heute noch da wie in der Zeit direkt nach der Grenzöffnung.
Weil die Staatsstraße durch den Freistaat Bayern gebaut werden muss, seien da in erster Linie freilich die Coburger Landtagsabgeordneten gefordert. Aber auch Michael Busch entließ Strobel nicht aus der Verantwortung: "Diese Straße ist ein Stück Landkreisentwicklung. Da muss er sich mehr darum kümmern."
Der stellvertretende Landrat, Hendrik Dressel, ging auf die vom langjährigen FW-Mitglied Udo Döhler mit initiierte "Konkurrenzliste" der "Unabhängigen Landkreisbürger" (ULB) ein. Dass es im Streit um die bundespolitischen Ambitionen der Freien Wähler zur Abspaltung gekommen sei, bezeichnete Dressel als "ärgerlich" und "völlig unnötig". Er unterscheide nämlich sehr wohl zwischen der Landes- und Bundespolitik (Dressel: "Wir müssen ja nicht den Hubert Aiwanger wählen.") auf der einen sowie dem kommunalen Geschehen auf der anderen Seite.
Aus dem
Ruhestand an die Spitze Konzeptionell stellte Dressel den demografischen Wandel in den Mittelpunkt. Dieser lasse sich am leichtesten dann meistern, wenn der Bevölkerung genügend Arbeitsplätze zur Verfügung stünden. Deshalb sprach sich der scheidende Seßlacher Bürgermeister dafür aus, landkreisweit ein Qualitätsmanagement einzuführen: das "Qualitätsmanagement wirtschaftsfreundliche Region."
Dass mit ihm und seinem ehemaligen Amtskollegen Gerold Strobel zwei künftige "politische Ruheständler" an der Spitze der Liste stehen, kommentierte Dressel mit einem Schulterzucken: "Wir haben uns erfolglos dagegen gewehrt." Allerdings sei es eben so, dass sich mit Bernd Reisenweber (Ebersdorf) und Christian Gunsenheimer (Weitramsdorf) zwei weitere Spitzenkräfte in ihren Heimatgemeinden als Bürgermeister zu Wiederwahl stellen. Da sei es verständlich, dass diese nicht auch noch auf Landkreisebene für die Freien Wähler vorneweg gehen könnten.