Fair Play mitten in der Crunchtime

4 Min
Selbst gegen zwei Gegenspieler weiß sich Eric Meinhardt (blaues Trikot) zu wehren. Der Spielmacher des EHV Aue feierte in Coburg seinen 2000. Treffer. Links Pontus Zetterman, rechts Marcel Timm; im Hintergrund HSC-Torsteher Jan Kulhanek. Foto: Hagen Lehmann
Selbst gegen zwei Gegenspieler weiß sich Eric Meinhardt (blaues Trikot) zu wehren. Der Spielmacher des EHV Aue feierte in Coburg seinen 2000. Treffer. Links Pontus Zetterman, rechts Marcel Timm; im Hintergrund HSC-Torsteher Jan Kulhanek. Foto: Hagen Lehmann
Florian Billek weiß selbst am besten, wie Tore gefeiert werden. Der Coburger Rechtsaußen war der erste, der Eric Meinhardt zu seinem 2000. Treffer für den EHV Aue gratulierte. Foto: CT-Archiv
Florian Billek weiß selbst am besten, wie Tore gefeiert werden. Der Coburger Rechtsaußen war der erste, der Eric Meinhardt zu seinem 2000. Treffer für den EHV Aue gratulierte. Foto: CT-Archiv
 

Warum HSC-Rechtsaußen Florian Billek plötzlich seinen Gegenspieler Eric Meinhardt vom EHV Aue am Samstag herzlich umarmte.

Bei aller Rivalität, Spannung und Hektik - eine Szene bleibt in Erinnerung: Florian Billek umarmt plötzlich ganz herzlich seinen Kontrahenten Eric Meinhardt. Fair Play auf der Platte. Nicht wie üblich vor dem ersten Torwurf, sondern während der ganz heißen Phase der Zweitligapartie zwischen dem HSC 2000 Coburg und dem EHV Aue (26:25).

Exakt 53:44 Minuten waren am Samstagabend im Hexenkessel HUK-Arena in diesem Handball-Krimi vorüber, da feierte der Kapitän der Sachsen einen ganz persönlichen Triumph: Vor 2217 Zuschauern erzielte der Referendar für Sport und Biologie im Coburger Sporttempel sein drittes Tor. Genau das hat ihm noch gefehlt. Jetzt war die magische 2000er-Grenze geknackt.

Ein toller Rekord. Denn diese Leistung macht dem drahtigen EHV-Kapitän, der seit 2002 für die Erzgebirgler auf Torejagd geht, keiner so schnell nach. Zum Vergleich: Der erfolgreichste Torjäger in der Vereinsgeschichte des HSC 2000 Coburg ist Ronny Göhl. Der Vorgänger von Billek auf der Rechtsaußenposition und jetzige HSC-Reservecoach brachte es in 324 Spielen auf stolze 1331 "Kisten".

Der emotionalste Augenblick

;

Es war der emotionalste Moment des Spiels, nicht nur für den Auer Spielmacher. Untypisch für ihn streckte er auf dem Weg zurück in die eigene Hälfte beide Hände nach oben gen Hallendecke und ließ sich vom jubelnden Auer Anhang feiern. Die EHV-Fans hatten sich lange gedulden müssen, bis sie ihr überdimensional großes Transparent mit den Glückwünschen aufrollen durften.

Standing Ovations aber auch von vielen Coburgern, die in diesem Moment ein feines Gespür für die Situation hatten und das "Spitz-auf-Knopf-Spiel" für einen Augenblick aus ihren Gedanken strichen. Und da war natürlich noch Coburgs Rechtsaußen und Ex-Kapitän Billek. Er ließ es sich nicht nehmen, als erster zu gratulieren. Er pfiff in diesem Moment auf den Spielstand und umarmte Meinhardt. Herzlich, männlich, ehrlich.

Umarmung auf der Platte

;

Die Umarmung mitten im HSC-Angriffswirbel war eine tolle Geste. Und sie kam von Herzen, wie "Flo" vergewissert: "Also ich kenne Eric Meinhardt jetzt bestimmt schon zehn Jahre, und wir haben sehr oft gegeneinander gespielt. "Wenn jemand in seiner Karriere immer für einen Verein spielt, für diesen 2000 Tore erzielt, nachdem er seine Laufbahn aufgrund einer Augenverletzung fast beenden musste, dann ist das einfach nur eine unfassbare Leistung. Er ist für viele ein Vorbild."

Und Billek erklärt auch warum er sofort auf Meinhardt zuging: "Wir haben vor dem Spiel schon gesprochen, ob er es heute schafft. Als es dann tatsächlich so weit war, wollte ich ihm einfach nur gratulieren und meinen Respekt zollen. Das habe ich spontan auf dem Feld getan. Dafür musste dann während dem Spiel einfach kurz Zeit sein." Ob der Ex-Nationalspieler der "Gelben" ebenfalls eine solche Marke eines Tages feiert, darauf dürfen seine vielen Fans gespannt sein.

Billek hinter Göhl auf Platz 2

;

Derzeit ist er immerhin bereits der zweitbeste Werfer der Coburger. In 156 Punktspielen traf er 920 Mal ins "Schwarze". 80 Tore fehlen ihn noch zur 1000er-Marke - dann hätte er aber erst halb so viele wie Meinhardt, der am Ende dieser Saison seine Handballschuhe an den Nagel hängt. Billek will dagegen weiter Jagd machen - ganz egal ob in der 1. oder in der 2. Liga: "Ich bin froh, dass ich wieder gesund bin. Ich freue mich, wenn das 1000. Tor dieses Jahr fällt, falls nicht, versuche ich es eben in der nächsten Saison."

Tatort HUK-Coburg Arena:

HSC löst den kniffligen Fall "Schmerzgebirge Haue" Von wegen Coburg braucht einen eigenen Tatort. Die Roten sollten lieber öfters mal bei den Gelben vorbeischauen. Samstag, 20.15 Uhr, in der HUK-Arena: Handball-Krimi in Durchgang zwei. Hauptkommissar Gorr und seine Mitarbeiter lösen einen äußerst kniffligen Fall!

"Schmerzgebirge Haue" gibt den Vestestädtern lange Zeit Rätsel auf, lockt den HSC immer wieder auf falsche Fährten. Zwar nicht jede Stunde ein Mord, dafür aber fast jede Minute ein Tor. Die Lage spitzt sich zu und es kommt zum Showdown in der Crunchtime.

Ausgerechnet Youngster Sproß ermittelt dreimal auf eigene Gefahr und macht den wichtigen Sieg dingfest.

Die Ausgangslage

;

Das spannende Zweitligaspiel zwischen Favorit Coburg und Außenseiter Aue ist ein Vorgeschmack auf das, was in den nächsten drei Monaten auf Handball-Coburg zukommt: Nervenkitzel pur. Viel Adrenalin auf dem schwierigen Weg in die 1. Liga. Gegner in der Vestestadt, die dem Aufstiegsanwärter reihenweise das Leben schwer machen. Spielerische Leichtigkeit, Gala-Siege und Schön-Spielerei war gestern - ab jetzt ist Kampf angesagt. Der HSC bekommt nichts geschenkt. Varvne, Billek, Weber & Co. müssen in der Rückrunde hauen, beißen, stechen!

Die Einschaltquote

;

Die "Einschaltquote" liegt bei knapp 64 Prozent - 2217 Neugierige kommen in den 3489 Zuschauer fassenden Coburger Sporttempel. Die Unterstützung ist großartig. Der Gegner aber auch. Aue hat Klasse. Drahtzieher Eric Meinhardt findet zu viele Lücken zwischen den Schnittstellen am HSC-Kreis. Und "Bulle" Bengt Bornhorn spielt Katz und Maus mit Timm und Hagelin. Die Verteidiger bekommen den Kreisläufer nicht in Griff, schon gar nicht an die Kette. Bornhorns Wurfquote ist für Aue perfekt, für Gelb frustrierend.

Drei Indizien

;

Auf der anderen Seite gleich drei direkte Gegenüberstellungen: Schau mir in die Augen, Keeper! Dreimal behält Siebenmeter-Experte Billek die Nerven und liefert damit drei wichtige Indizien, die maßgeblich zum Lösen des Falles beitragen.

Der Anschlag

;

In der 42. Minute ein Anschlag, der dem Treiben auf der Platte die entscheidende Wende gibt: Die beiden unbeliebten Richter, die mehrmals für Kopfschütteln beim neutralen Beobachter sorgen und die dem Coburger Chefermittler die Zornesröte auf die Stirn treibt, sind sich nach intensiver Beratung einig: Rot gegen Ladislav Brykner. Der Tscheche geht mit seiner linken Schulter ohne Rücksicht auf Verluste in den Mann - Leidtragender: Tobias Varvne. Die Masse tobt. Ohrenbetäubender Lärm. Pfiffe. Buhrufe. Die HSC-Mediziner sind sofort zur Stelle, der tapfere Schwede schüttelt sich. Weiter geht's. Aber nur für Varvne - Brykner darf nicht mehr. Der Übeltäter schleicht sich vom Tatort und mischt sich im Gästeblock unter seine Fans. Aue ist auf der Zielgerade um eine "scharfe Waffe" beraubt.

Der richtige Riecher

;

In der Schlussphase hat ein Energiebündel den richtigen Riecher: Nicht der Erstliga-erfahrene Scharfschütze Weber, auch nicht Draufgänger Zettermann und schon gar nicht Ex-Nationalspieler Billek übernehmen die Verantwortung. Youngster Felix Sproß springt zwischen der 53. und 60. Minute in die Bresche. Antrittsschnell, willensstark, mutig. Das 21-jährige, 1,83 große und 83 Kilogramm schwere Kraftpaket tankt sich dreimal durch Aues Kreis. Vollspeed-Handball in den letzten Sekunden. Links, rechts, vor, zurück - das macht Spaß, das bringt Glück!

Der Mann mit der schwarzen Acht auf der gelben Brust geht jetzt dorthin, wo es weh tut.

Die Reifeprüfung

;

Mit drei Buden wirft der Bursche aus dem ostwestfälischen Minden seinen HSC Coburg auf die Siegerstraße, löst den Fall quasi im Handumdrehen und festigt den 2. Platz in der 2. Liga. Reifeprüfung bestanden - aus dem Sprößling ist ein Sproß geworden - Respekt!

Längst stehen die Fans, klatschen, jubeln und feiern. Gelb ist ein glücklicher Gewinner. Aue ein starker Verlierer. Egal. Was zählt, sind die Punkte. In der Zweiten sieht man geile Spiele. Doch die Hoffnung, dass Coburger bald in der Ersten ermittelt, ist seit Samstagabend wieder ein Stück weit größer geworden.