In drei Etappen sind 47 Einsatzkräfte aus Coburg in das Hochwassergebiet Ahrtal gefahren, um den Menschen vor Ort zu helfen. Als Kontingentführer Oberfranken war Michael Stelzner dreimal vor Ort. So hat er den Einsatz erlebt.
Als Michael Stelzner zum ersten Mal mit dem Einsatzkontingent Oberfranken im Ahrtal angekommen ist, sind gerade vier Tage vergangen, seit durch ein unvorhersehbares Hochwasserereignis weite Teile des Ufergebietes überschwemmt wurden. "Wir hatten das Kontingent aus Unterfranken mit 160 Einsatzkräften und 35 Fahrzeugen abgelöst. Der Einsatz befand sich noch in der Chaosphase", sagt der Kontingentführer für Oberfranken. Die Aufgabe für einen Teil der ehrenamtlichen Helfer aus Coburg bestand zunächst darin, eine Verpflegungsstelle mit Feldküche aufzubauen. "Unsere Küche ist eigentlich für 200 Personen ausgelegt, wir haben 5000 Mann damit versorgt. Viele hatten seit zwei Tagen nichts Richtiges gegessen. Die Menschen haben uns die Gerichte aus der Hand gerissen, egal was es gab."
Ein anderer Teil der Ehrenamtlichen war für die Unterstützung des Rettungsdienstes und der medizinischen Erkundung des Ahrtals zuständig. "Als wir angekommen sind, waren viele Orte noch abgeschnitten. Weil man mit Fahrzeugen nicht mehr durchgekommen ist, haben wir mit zwei Quads der Kollegen aus Kulmbach die einzelnen Orte erkundet und eine ärztliche Grundversorgung und einen Pflegedienst organisiert", sagt Stelzner. Einige Pflegebedürftige waren seit zwei Tagen nicht mehr betreut worden, andere mussten zur Dialyse. Weil das ganze Telekommunikationsnetz zusammengebrochen war, konnten nicht einmal mehr Notrufe abgesetzt werden. Eine Weiterleitung war nur noch über Funk oder Kraftradmelder möglich.
Kein Trinkwasser über Tage
Beim zweiten und dritten Einsatz waren die Aufgaben der Ehrenamtlichen aus Coburg die medizinische Absicherung der Bevölkerung und der Einsatzkräfte. Tagsüber wurden in der Region 13 Standorte besetzt, an sieben gab es zusätzlich eine Nachtschicht. "Das Wichtigste war, dass wir da waren. Die Menschen haben oft einfach jemanden gebraucht, mit dem sie reden konnten, viele waren traumatisiert", erzählt Stelzner von seiner Zeit im Ahrtal. Ein Trupp hätte in einem Dorf Menschen gefunden, die mehrere Tage kein ordentliches Trinkwasser zur Verfügung hatten. "Wasser und Lebensmittel wurden mit den beiden Quads in die Dörfer gebracht oder mit dem Hubschrauber eingeflogen. Aus der Luft war so viel zu tun, dass die Bundeswehr und die Polizei nicht überall gleichzeitig sein konnten."
Nicht der erste Hochwasser-Einsatz
Für die ehrenamtlichen der BRK-Bereitschaften aus dem Raum Coburg war der Einsatz im Ahrtal nicht der erste Hochwasser-Einsatz. "Hochwasser kommt punktuell immer wieder vor, 2013 waren wir in Deggendorf und 2002 in Dresden im Einsatz", erinnert sich Kreisbereitschaftsleiter Claus Weigand, der beim dritten Einsatz als Zugführer vor Ort in Ahrtal war. Die Einsätze damals liefen anders ab als der Einsatz im Ahrtal. "In beiden Fällen wurde unser Einsatzpotenzial nicht ganz ausgeschöpft, wir waren zwar vor Ort aber nur als mögliche Ablösung andere Bereitschaften. Im Ahrtal hatten unsere Einsatzkräfte rund um die Uhr zu tun."
Beim Einsatz in Deggendorf haben sich Motorräder bewährt. "Im Nachgang wurde in jedem Regierungsbezirk ein geländegängiges Motorrad stationiert. Das für Oberfranken hat der Kreisverband Coburg 2019 übernommen", sagt Weigand. Seiner Einschätzung nach es hat sich auch bewährt, dass der Kreisverband seine Ehrenamtlichen in verschiedenen Fachbereichen ausbildet. So konnten unter anderem Einsatzkräfte, die im Bereich Technik und Sicherheit geschult sind und Einsatzkräfte, die auf die psychologische Notversorgung spezialisiert sind, ins Ahrtal geschickt werden. "Der Heimatschutz im Raum Coburg war zu keinem Zeitpunkt gefährdet, obwohl ein Teil der Ehrenamtlichen im Ahrtal war. Die Leistung unserer Ehrenamtlichen in den letzten vier Wochen war enorm."
Kein Vergleich zu normalen Diensten
Die Dienste, welche die Ehrenamtlichen des BRK normalerweise übernehmen, sind laut Weigand nicht vergleichbar mit den Diensten, die im Ahrtal geleistet wurden. "Die Helfer waren in total zerstörten Gebieten unterwegs und konnten sich nur über Behelfsstraßen fortbewegen. Die Luft war noch mit Öl und anderen Gerüchen behaftet und vieleorts gab es keinen Strom und keine Kanalanschlüsse", sagt Weigand. Die Ehrenamtlichen hatten kleinere Verletzungen, wie Blasen, zu versorgen und mussten sich auch um größere Angelegenheiten kümmern. "Wenn ein Helfer von der Leiter gefallen ist oder Bewohner einen Schlaganfall oder Herzinfarkt erlitten haben, wurde ein Hubschrauber gerufen. Normale Rettungswagen konnten in den seltensten Fällen zu den Patienten fahren."