Gernot Hesselbarth hat die Geschichte der Mormonen in Coburg erforscht. Seine Chronik ist nun in den Coburger Archiven und auch online verfügbar.
"Mormonen schreiben viel auf", sagt Gernot Hesselbarth und schmunzelt - ein entscheidender Vorteil bei seiner Recherche zur Geschichte der Mormonen in Coburg. Immer wieder war Hesselbarth, der dem Vorsteher der Coburger Gemeinde als einer von zwei Ratgebern beigeordnet ist, auf Tagebücher und Briefe gestoßen, die ihm wertvolle Informationen lieferten. Nach zwei Jahren Arbeit ist daraus nun ein ausführlicher Blick auf die Geschichte der Glaubensgemeinschaft in Coburg entstanden. Am Donnerstag übergab Hesselbarth seine Chronik symbolisch an Oberbürgermeister Norbert Tessmer (SPD). Geschichtsinteressierte finden das 68-seitige Werk nun im Stadt- und im Staatsarchiv oder können es
hieronline herunterladen.
OB Tessmer war letztlich auch derjenige, der Hesselbarth überhaupt auf die Idee brachte, die Geschichte aufzuschreiben. 2015 hatte die Gemeinde das 50-jährige Bestehen ihres Gemeindezentrums in der Eupenstraße gefeiert. "Ich war damals zum Festgottesdienst eingeladen", erzählt Tessmer am Donnerstag. "Dort wurde eine Ausstellung präsentiert, die weit in die Geschichte der Gemeinde zurückging". Daran und am Rückblick, den Gernot Hesselbarth in seiner Festansprache hielt, sei er hängen geblieben, sagt der OB. Deshalb bat er den Lichtenfelser schließlich darum, das alles aufzuschreiben. "Das ist schließlich ein Stück Stadtgeschichte und die darf nicht untergehen", so Tessmer.
Rund 120 Mitglieder zählt die "Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage" in Coburg aktuell - "auf dem Papier", sagt Hesselbarth, denn nicht alle Mitglieder seien aktiv. Zum Einzugsgebiet der Coburger Gemeinde gehören auch die Kreise Lichtenfels und Kronach.
Die Wurzeln des Mormonentums in Coburg, so hat Hesselbarth recherchiert, liegen in der Stadtapotheke. 1853 waren die Kinder des Apotheker-Ehepaars Eyring, Heinrich und Bertha, von Coburg nach Amerika ausgewandert und hatten sich dort 1855 den Mormonen angeschlossen. Bei seinen Nachforschungen stieß Hesselbarth auf das Tagebuch von Heinrich Eyring aus den Jahren 1877 bis 1896, das ihm wertvolle Erkenntnisse lieferte. Heute sind viele Nachkommen Heinrich Eyrings überzeugte Anhänger der Mormonen, sein Urenkel Henry B. Eyring wurde 2007 sogar als Erster Ratgeber zum Profeten Thomas S. Monson in das oberste Führungsgremium der Kirche berufen.
Bemerkenswert findet Tessmer die Geschichte des Geschwisterpaares, gerade vor dem Hintergrund der Luther-Dekade, denn die Mitglieder der Coburger Familie Eyring seien eigentlich sehr gläubige und überzeugte Anhänger Martin Luthers gewesen, wie Hesselbarth herausgefunden hat. Ein Stammbaum in der Chronik zeigt beispielsweise, dass es in der Familie sehr viele Theologen gegeben hatte.
In Coburg trafen die ersten Missionare der Mormonen etwa 1928 ein, wie Hesselbarth berichtet. "Einer von ihnen hat sehr ausführlich Tagebuch geführt. Unter anderem hat er sich darin beklagt, dass er im katholischen Bamberg keine Freunde finden konnte", erzählt der Lichtenfelser schmunzelnd. In Coburg formierte sich dann schnell die erste Mormonen-Gemeinde. Über viele Jahre versammelten sich die Mitglieder in gemieteten Räumen. Nach dem Krieg etablierten sich die Mormonen weiter in Coburg. Zwölf Jahre lang diente das heutige Gustav-Dietrich-Haus als Domizil. Als der Mietvertrag Anfang der 60er Jahre gekündigt wurde, entschlossen sich die Mitglieder, selbst zu bauen. "Maurer, Klempner, Schreiner, das gab es ja alles in den eigenen Reihen", sagt Hesselbarth. So entstand das Gemeindezentrum in der Eupenstraße.
Für Gernot Hesselbarth eröffnete die zweijährige Recherche in den Archiven ganz neue Perspektiven. "Man wundert sich, was alles noch existiert." Er habe in jedem Fall "Blut geleckt". Die Heimatforschung sei nun sein neues Hobby.