Der Anschlag auf die Satirezeitschrift "Charlie Hebdo" erschüttert Muslime auf der ganzen Welt - auch in Coburg. Der katholische Dekan hält Satire für legitim und ein Cartoonist spricht von Mut.
Selvet Göksu lebt seit 38 Jahren in Coburg und sie hat es satt, als Muslimin immer wieder mit Gewalt und Terror in Verbindung gebracht zu werden. "Dieser Anschlag auf die Zeitschrift in Paris ist furchtbar, vor allem, dass dabei so viele Menschen ums Leben gekommen sind. Im Islam gibt es so etwas nicht", sagt sie. Und es habe auch nichts mit ihr oder den anderen Muslimen in Coburg zu tun. Keine Religion befürworte es, dass im Namen des Glaubens gemordet wird. Aber Selvet Göksu hält es nicht für einen Zufall, dass gerade jetzt ein solcher Terrorakt verübt wird - in einer Zeit, da in Europa und auch in Deutschland islamfeindliche Stimmen immer lauter werden.
"Vor 50 Jahren sind unsere Familien als Gastarbeiter nach Deutschland gekommen und wurden gebraucht", stellt die Coburgerin fest. Jetzt würden sie oft nur noch über ihre Religion definiert und müssten sich zu jeglicher Form von Gewalttaten äußern, die vermeintlich im Namen Allahs geschehen. "Ich will das nicht mehr nach so vielen Jahren. Ich bin hier zu Hause und engagiere mich für die Stadt wie viele andere Muslime auch." Und allen, die mit dem Islam ein Feindbild aufbauen, sagt sie: "Schaltet euren Verstand ein."
Ähnlich äußert sich auch Ilhan Birinci, stellvertretender Vorsitzender der Türkisch-Islamischen Gemeinde. "Was da in Paris passiert ist, ist ein absoluter Wahnsinn. Das hat mit uns nichts zu tun", betont er. "Wir leben in einer Demokratie und lehnen jede Form von Gewalt ab", ergänzt er. Die Muslime in Coburg, und nur für sie könne er sprechen, wollten in Frieden mit allen Menschen leben, egal, welche Religion sie haben. "In unserer Gemeinde gibt es zum Glück niemanden, der Gewalt für richtig hält." Für sie alle sei das Grundgesetz bindend.
Gespräche in der Gemeinde Gleich nachdem am Mittwoch die Nachricht vom Terrorangriff auf die französische Satirezeitschrift durch die Medien gegangen sei, habe er sich mit einigen Leuten aus der Gemeinde unterhalten, erzählt Ilhan Birinci. "Wir waren alle entsetzt. Man kann Probleme auch auf andere Weise lösen." Über die Mohammed-Karikaturen sei er auch nicht glücklich gewesen, räumt das Vorstandsmitglied der Gemeinde ein. "Solche Karikaturen machen mich nicht wütend, sie tun mir weh." Dennoch gehöre die freie Meinungsäußerung zur Demokratie. "Aber ich wünsche mir trotzdem manchmal, dass die Menschen sich besser überlegen, was sie tun. Wir sollten uns alle gegenseitig respektieren."
Die Sache mit dem Papst V or zwei Jahren hat die Satirezeitschrift "Titanic" für viel Wirbel mit zwei Karikaturen von Papst Benedikt XVI. gesorgt . Das katholische Kirchenoberhaupt wurde auf dem Titelbild mit einem großen gelben Fleck vorn und auf der Rückseite mit einem braunen Fleck hinten auf der Soutane gezeigt. Das alles unter der Überschrift "Halleluja im Vatikan - Die undichte Stelle ist gefunden!". Es ging dabei um die sogenannte Vatileaks-Affäre. Es hatte viel Protest gegeben, der Papst erwirkte vor einem Hamburger Gericht eine einstweilige Verfügung gegen das Satiremagazin. Daran entzündete sich eine Diskussion um die Frage, was Satire darf. Es gab kein weiteres juristisches Nachspiel, keine Entlassungen und schon gar keinen tätlichen Angriff au f Redakteure und Zeichner.
Wie sieht der Coburger katholische Dekan Roland Huth diese Form der Satire und wie weit darf sie seiner Meinung nach gehen? "Prinzipiell muss die Kirche Satire aushalten können", sagt Roland Huth. Natürlich sei das manchmal eine Gratwanderung, hart an der Grenze. Aber: "Ich möchte ohne Karikaturen nicht leben, vor allem, wenn sie zeitaktuell sind." Schwierig werde es für ihn jedoch, wenn persönliche oder religiöse Gefühle verletzt werden. "Hier hat die Presse meiner Meinung nach eine große Verantwortung."
Satire und damit auch Karikaturen haben für den katholischen Dekan aber eine Bedeutung als Ventil. Nur an den Pranger gestellt werden sollte damit niemand. Andererseits dürfe man der Satire auch nicht mehr Macht geben, als sie tatsächlich hat, räumt Roland Huth mit Blick auf den Terrorangriff gegen "Charlie Hebdo" ein.
Freie Meinungsäußerung Auch der in Coburg lebende und arbeitende Cartoonist Christian Bögle hat sich mit dem Ereignis in Paris beschäftigt und seine Ansicht in einer Zeichnung umgesetzt. "Freedom" (Freiheit) hat er sie genannt. Sie nimmt das Symbol auf, mit dem viele Künstler auf der ganzen Welt ihre Solidarität mit den französischen Kollegen demonstrieren: die gespitzten Stifte.
Der 35-Jährige hat selbst schon Cartoons in Tageszeitungen, zum Beispiel im Tageblatt und in der Berliner Zeitung, zu aktuellen Themen veröffentlicht. Er weiß, wovon er redet, wenn er sagt: "Um ein Thema überspitzt darzustellen und zur Diskussion anzuregen, braucht es immer Mut. Die Karikatur als solche wird genutzt, um einem ernsten Ereignis die Tragik und Schwere zu nehmen."
Er sei der Ansicht, ergänzt Christian Bögle, dass es auch im humoristischen Umgang mit Religionen keine Tabus geben sollte. Warum auch? "Weil man der Meinung ist, dass Gott (egal, an welchen man glaubt) keinen Humor hat und dass es demjenigen, der den Witz nicht versteht, erlaubt ist, anderen seine Meinung oder die seines Gottes mit Waffengewalt aufzuzwingen?"
Für den Coburger hat ein solches Verhalten nichts mit der freien Meinungsäußerung zu tun, wie sie in Deutschland im Grundgesetz steht. "Persönliche Grenzen hin oder her - sie können einen Anschlag mit zwölf ermordeten Menschen niemals rechtfertigen. Eine funktionierende Gesellschaft muss Satire abkönnen."