Seit 15 Jahren ist Madina Madaev auf der Flucht - ihr Mann wurde in der Heimat Tschetschenien verfolgt. Weil sie Muslima ist, machen sie Proteste gegen eine angebliche Islamisierung Deutschlands unsicher. Sie wünscht sich einen Dialog.
Madina Madaev hebt die Hand und schaut auf ihre Finger. "Sie alle bewegen sich einzeln, aber die Hand können wir nur gebrauchen, wenn die Finger alle zusammen funktionieren", sagt sie. Die junge Frau sieht das als ein Symbol für das Zusammenleben unterschiedlicher Nationalitäten und Religionen in einer Gesellschaft. Doch im Moment sei sie verunsichert über die anti-islamischen Proteste. Sie könne keine Nachrichten mehr hören, gesteht Madina Madaev ein. "Dieser Terroranschlag in Paris war ein Schock. Wir wissen, was für Konsequenzen das für uns hat. Auch sie und ihre Familie als Muslime seien Opfer, wenn im Namen des Islam Verbrechen begangen werden. "Wir müssen uns immer wieder anhören, wie schlimm der Islam ist, aber wir können nichts machen, wir müssen Geduld haben."
Das größte Manko sei, dass so viele Menschen so wenig über Muslime wüssten, erläutert Madina Madaev.
Das sei ihr auch aufgefallen, als sie im Internet auf die Homepage von Pegida geschaut habe. "Ich kann die Leute ja verstehen. Sie hören und sehen viel Negatives über unsere Religion, nichts aber ü ber die guten Seiten." Deshalb wünsche sie sich mehr Kontakt - auch hier in Coburg. Zum einen, weil sie die deutsche Sprache besser erlernen möchte, zum anderen aber auch, um zu zeigen: Der Islam ist eine friedliche Religion.
In ihrer Heimat habe sie in einer bunten Gesellschaft mit Russen, Armeniern, Ukrainern, Georgiern zusammengelebt, sagt Madina Madaev. "Das war sehr interessant." Doch in Tschetschenien kann die Familie mit den drei Söhnen - elf, neun und fünf Jahre alt - nicht mehr leben. "Mein Mann ist Sportlehrer und Regimekritiker." Nachdem in Tschetschenien der Krieg ausgebrochen war, flüchteten die Madaevs nach Georgien.
Von dort aus arbeitete Madinas Ehemann Saypti für die Organisation Human Rights Watch und setzte sich für tschetschenische Flüchtlinge ein. Nach seiner Rückkehr in die Heimat wurde er dafür inhaftiert und gefoltert.
Von Abschiebung bedroht Schließlich flüchtete die Familie nach Polen. Dort aber wurde ihr Asylantrag abgelehnt. Also floh sie weiter nach Deutschland. Vor zweieinhalb Jahren kamen die Madaevs nach Coburg und leben seitdem im Asylbewerberheim in der Uferstraße. Doch im Jahr 2013 wurde es noch einmal gefährlich: Die Familie sollte abgeschoben werden - zurück nach Polen. Von dort wäre sie zweifellos wieder nach Tschetschenien ausgewiesen worden.
Verhindert haben das Elmar Jonas, der als Mitarbeiter der Diakonie Kronach die Flüchtlinge in der Uferstraße betreut, die Mitarbeiter des bayerischen Flüchtlingsrats und mehr als 2000 Menschen, die eine Petition an den Bundestag unterschrieben haben. "Das war eine schreckliche Zeit. Wir hatten große Angst", sagt Madina Madaev. Noch heute nimmt sie der Gedanke an eine Abschiebung sichtlich mit. Noch ist die Angst nicht weg, zuckt sie zusammen, wenn sie eine Polizei-Sirene hört. Denn Sicherheit gibt es nicht für die Familie - noch wurde über ihren Asylantrag nicht entschieden. Dabei hätten sie Glück gehabt, nach Coburg gekommen zu sein. "Wir sind hier noch nie beleidigt oder angegriffen worden. Unsere Kinder können in die Schule und in den Kindergarten gehen. Sie sprechen sehr gut deutsch und fühlen sich hier zu Hause", erläutert die junge Frau.
Ute Wallentin, beim Caritasverband für die Migrantionsberatung z uständig, ist davon überzeugt, dass es in der Stadt ein besonderes Verständnis für Flüchtlinge gibt. Der Grund: "Viele Menschen, die hier leben, waren selbst Kriegsflüchtlinge und traumatisiert. Sie haben am eigenen Leib erfahren, was das bedeutet." Dennoch mache auch sie sich Sorgen um die Zukunft der Familie Madaev. "Über eine Abschiebung will ich gar nicht nachdenken."
Die Zahnärztin möchte arbeiten Einen großen Wunsch hat Madina Madaev: Sie möchte in ihrem Beruf als Zahnärztin arbeiten. Doch dafür gilt es, viele Hürden zu überwinden. Zunächst muss der Familie ein Bleiberecht gewährt werden, dann muss ihr Studium anerkannt werden und sie muss das Sprachniveau B 2 erreichen.
Bis B 1 habe sie es schon geschafft - dank eines Kurses am beruflichen Fortbildungszentrum Coburg. Um das B-2-Niveau zu erreichen, nimmt sie zusätzlich Unterricht bei Ruth Schulz, die in der Uferstraße ehrenamtlich Deutsch-Kurse gibt.
Carsten Bauer, Projektleiter Qualifizierungsberatung bei der Volkshochschule mit Sitz in der Agentur für Arbeit, kümmert sich um solche Fälle der Berufsanerkennung für Ausländer. Er bestätigt: "Das B-2-Niveau ist das Minimum für die Integration in den Arbeitsmarkt." Weil einige Berufsabschlüsse, die im Ausland erworben wurden, in Deutschland nicht anerkannt sind - das betrifft auch Zahnärzte -, muss ein Anerkennungsverfahren durchlaufen werden. Dabei kann Carsten Bauer behilflich sein.
Für Madina Madaev ist es jet zt erst einmal wichtig, Sicherheit zu bekommen. "Ich wollte immer gern nach Tschetschenien zurückzukehren und dort als Zahnärztin arbeiten. Aber das geht jetzt nicht mehr. Ich bin sehr dankbar, dass ich in Deutschland Hilfe bekommen habe."
zu sprechen. In 2 1/2 Jahren kann man als studierter Mensch ohne weiteres diese Sprache erlernen, zumindest das verlangte Niveau !