Die Zeichen, die bei Frauen auf einen Herzinfarkt hinweisen, sind oft vielfältig und nicht immer eindeutig als Herzinfarkt zu erkennen.
"Ich hab mir so einen Infarkt ganz anders vorgestellt", sagt Rebecca Halmer (Name von der Redaktion geändert), "irgendwie deutlicher." Keine Schmerzen im linken Arm, kein Druckgefühl im Brustkorb, nichts, was landläufig als deutliches Zeichen eines Herzinfarktes gilt. Stattdessen diffuse Beschwerden, die sich über Monate hinwegziehen und ihr Rätsel aufgeben. Beinahe wäre das Signal unentschlüsselt geblieben. Dann wäre Rebecca Halmer jetzt tot.
Da sind dieses ständige Frösteln und die Müdigkeit, die sie plötzlich begleiten. Und dann immer wieder diese seltsame Übelkeit und das Gefühl "mit angezogener Handbremse" zu leben. Ihre Knöchel schwellen an, die Beine schmerzen. "Ich hab' gedacht, das liegt an meinen schlechten Venen", sagt Rebecca Halmer, "das war, als wenn ich Zement in den Waden hätte. Da habe ich halt öfter die Beine hoch gelegt." Ihr Rücken, ihr ganzer Brustkorb ist oft so verspannt, dass sie sich immer wieder Massagen verschreiben lassen muss. "Danach ging's wieder." Dann, an Ostern, spürt sie ein krampfartiges schmerzhaftes Ziehen, das sich vom Hals bis in den Kiefer erstreckt. "Ich konnte den Mund kaum noch öffnen."
Der Bereitschaftsarzt empfiehlt ihr, sich warme Dinkelkissen in den Nacken zu legen. Niemand kommt auf die Idee, die Symptome zu hinterfragen.
Und Rebecca Halmer versucht weiter, sich mit ihren rätselhaften Körperzuständen zu arrangieren. Das Gefühl, nicht richtig zu "funktionieren", schiebt sie gedanklich weg, macht weiterhin Überstunden, schmeißt den Haushalt. Erst als ihr Ehemann sich wegen ihrer anhaltenden Blässe sorgt, entschließt sie sich, ihren Hausarzt aufzusuchen.
Und der fackelt nicht lange. Ein Belastungs-EKG bringt endlich die Wahrheit zu Tage. Es gibt Unregelmäßigkeiten in der Herzstromkurve. Von da an geht alles ganz schnell und gegen den Widerstand von Rebecca Halmer. "Ich habe gar nicht verstanden, was die ganze Aufregung soll", gesteht sie ein bisschen verschämt. Sie darf nicht mehr selbst ans Steuer, wird sofort mit dem Rettungsfahrzeug ins Klinikum Coburg gefahren und noch mal gründlich kardiologisch untersucht. "Und ich hab immer nur dran gedacht, dass das alles viel zu lange dauert, weil ich ja noch einkaufen musste. Ich habe mir echt eingebildet, ich kann gleich wieder nach Hause gehen." Doch daraus wird nichts. Der Einsatz von Kontrastmittel und Herzkatheter machen klar, dass eines ihrer Herzkranzgefäße "dicht" ist.
Dass im Zweifel jede Minute zählt und warum ein Herzinfarkt bei Frauen von Ärzten manchmal nicht richtig erkannt wird, erklärt die Medizinerin Caroline Kleinecke im Interview.
Frau Dr. Kleinecke, ein Herzinfarkt wird bei Frauen oft verspätet festgestellt. Woran liegt das?
Caroline Kleinecke: Bei Männern wird der Herzinfarkt oft schneller erkannt und behandelt, weil sie häufiger über typische Beschwerden wie Brustschmerzen mit Ausstrahlung in einen oder beide Arme, Atemnot und Schweißausbrüche klagen. Oft verständigt die Ehefrau oder Lebensgefährtin des Betroffenen den Rettungsdienst. Frauen neigen dazu, die Beschwerden herunterzuspielen. Gerade zu den Weihnachtsfeiertagen möchten vor allem ältere Frauen der Familie oder dem Hausarzt nicht zur Last fallen. Oft ist es ihnen peinlich, den Rettungsdienst zu alarmieren. Leider kommt der Alarm in ein-zelnen Fällen dann zu spät. Aber auch Ärzte denken bei Frauen weniger rasch an eine kardiale Problematik.
Welche Signale können bei Frauen neben den klassischen Brustschmerzen auf einen Herzinfarkt deuten?
Schmerzen in der Magengegend oder im Rücken, ein Gefühl von Sodbrennen, Erbrechen und Durchfall, Nacken- und Kieferschmerzen.
Wieso wird ein Herzinfarkt bei Frauen von Ärzten manchmal nicht richtig erkannt?
Für jeden Mediziner ist es eine Herausforderung, die Beschwerden richtig zu deuten. Nacken- und Kieferschmerzen, Völlegefühl, Bauchschmerzen, Erbrechen und Durchfall - da denkt man nicht immer gleich an einen Herzinfarkt. Hellhörig sollte man werden, wenn die Symptome deutlich von früheren Beschwerden abweichen, in der Intensität stärker sind und bestimmte Risikofaktoren für einen Herzinfarkt vorliegen - wie zum Beispiel Rauchen, Bluthochdruck, Übergewicht, Diabetes und ein früherer Herzinfarkt oder Schlaganfall bei Blutsverwandten. Entscheidend zur Diagnosesicherung ist ein 12-Kanal-EKG und die Bestimmung des Herzmarkers "Troponin" bei der Blutentnahme. Sollte der Verdacht auf einen akuten Herzinfarkt bestehen, muss der betroffene Patient immer mit dem Rettungsdienst in die Klinik gebracht werden.
Was sollten Frauen bei Verdacht auf einen Herzinfarkt tun?
Im Zweifel zählt jede Minute - bei starken Beschwerden sollte man immer zuerst den Rettungsdienst unter 112 alarmieren. Nur bei leichten Beschwerden sollte man sich zunächst an den Hausarzt, Kardiologen oder an die nächste Notaufnahme wenden. Am Klinikum Coburg wurde extra zur Abklärung von akuten oder neu aufgetretenen Brustschmerzen eine Brustschmerzambulanz eingerichtet.
Die Fragen stellte
Astrid Volk.