Bratwurst-Diskussion: Sorge um "deutsche Wurstkultur"

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Die Brater auf dem Coburger Marktplatz befolgen die Empfehlung der Fleischer-Innung und bereiten die Bratwürste - vorerst - auf Buchenholz statt auf Kiefernzapfen zu. Foto: Oliver Schmidt
Die Brater auf dem Coburger Marktplatz befolgen die Empfehlung der Fleischer-Innung und bereiten die Bratwürste - vorerst - auf Buchenholz statt auf Kiefernzapfen zu. Foto: Oliver Schmidt
Ralf Luther
Ralf Luther
 

Die aktuelle Bratwurst-Diskussion ist für Ralf Luther mehr als nur eine Kiefernzapfen-Krise. Der Obermeister der Coburger Fleischer-Innung verweist auf die existenzielle Bedeutung der traditionsreichen Spezialität.

Der erste Schock mag inzwischen verdaut sein. Aber, um in der Bildsprache zu bleiben: Der Vorwurf, wonach es krebserregend sei, wenn Coburger Bratwürste auf Kiefernzapfen zubereitet werden, liegt vor allem den heimischen Metzgern nach wie vor schwer im Magen. Ralf Luther, der Obermeister der Fleischer-Innung, hat sich am Montag mit einem offenen Brief zu Wort gemeldet. Er zeigt sich sehr besorgt um die "deutsche Wurstkultur" und ärgert sich vor allem über eines maßlos: dass auf der einen Seite eine "traditionelle Ess- und Grillkultur" verboten werden soll, während auf der anderen Seite Zigarettenrauchen erlaubt ist.

"Wie ein Blitz aus heiterem Himmel wird das heimische Fleischerhandwerk urplötzlich und ohne Vorwarnung mit einem Dolchstoß bedroht", schreibt Ralf Luther und bezeichnet die Bratwurst als "wichtigstes und existenziellstes Produkt der hiesigen Handwerksbetriebe". Nicht nur, dass Verbraucher jetzt verunsichert seien: Auch viele Arbeitsplätze würden durch die neuen Grenzwerte der Europäischen Union (EU) aufs Spiel gesetzt. Einen ersten Vorgeschmack darauf gab es gestern am Coburger Marktplatz zu beobachten.

Nachfrage sinkt bereits

"Ja, es kamen weniger Leute als sonst und haben eine Bratwurst gekauft", berichtet die Braterin. "Viele sagen, dass sie entweder eine auf Kiefernzapfen gebratene wollen - oder eben gar keine." Sagt's, und schaut seufzend zum Rost, unter dem jetzt tatsächlich Buchenholz brennt. Vorerst. Doch so lange die weiteren Prüfergebnisse nicht vorliegen, hat die Fleischer-Innung nun einmal empfohlen, auf Kiefernzapfen zu verzichten.

Aber wie geht's künftig weiter? "Kiefernzapfen hin, Buchenholz her - es wird wohl kaum möglich sein, in Beibehaltung klassischer Grilltechnik auf offenem Feuer die niedrigen Benzo[a]pyren-Grenzwerte aus Brüssel stets einzuhalten", prophezeit Ralf Luther und sieht bereits weiteres Ungemach auf die Region zukommen. Denn ab September sollen die Grenzwerte seines Wissens nochmals gesenkt werden. "Soll's dann etwa nur noch eine Brühbratwurst vom Elektrogrill geben?", fragt der Obermeister und befürchtet: "Der bayerischen Wurstkultur geht's mit Auftakt in Coburg an den Kragen!"

Wie Luther weiter ausführt, drohe nicht nur "die Vernichtung einer mehr als 500-jährigen Handwerkstradition", sondern auch die "Wertevernichtung von heimatlichem Kulturgut in übelster und zugleich für die betroffenen Betriebe in gefährlicher Weise". Der Obermeister wirft die Frage auf, ob es der richtige Weg für die Esskultur sei, wenn es künftig nur noch "standardisierte Einheitswürste aus hunderten von Kilometern Entfernung aus industrieller Produktion" gibt.

Die Coburger Bratwurst ist nach Ansicht von Ralf Luther "nicht nur ein Stück heimatliche Lebensqualität", sondern da rüber hinaus auch ein "nicht unwichtiger Fremdenverkehrsfaktor". Viele Metzger in Deutschland würden die Coburger Kollegen um deren "einzigartiges und populäres handwerkliches Erzeugnis" beneiden. Natürlich dürften Grenzwerte nicht generell und permanent überschritten werden. Und die Beobachtung einer sachgerechten Zubereitung, des Grillens und der dabei notwendigen Hygiene sei ja auch "wichtige Aufgabe der Lebensmittelüberwachung".

Mündige Bürger

Doch bei allem Sensibilisieren für möglichst gesundheitsverträgliches Grillen fragt Luther auch: "Kann man es nicht dem mündigen Verbraucher selbst überlassen, ob und wieviel er von dieser angeblich so ungesunden Bratwurst isst?" Die EU-Richtlinien seien in vielen Bereichen notwendig und richtig. Deren Umsetzung sei aber Ländersache. Letztlich sei es doch mit der Umsetzung der EU-Richtlinien ebenso wie mit der Menge der gesundheitsverträglich zu essenden Bratwurst: "Bitte alles stets mit Maß und Ziel!"