Das Gericht machte sich per Videoschaltung ein Bild über die Arbeit der Bande, die gestohlene Fahrzeuge aus Deutschland nach Tschechien überführt hatte.
Die Staatsanwaltschaft bezeichnet den Mann als Bandenführer und wirft ihm vor, der Auftraggeber einer Serie von mehr als 100 Fahrzeugdiebstählen in ganz Deutschland, vornehmlich aber in Oberfranken, gewesen zu sein. Der 39-Jährige O. soll den weiteren Komplizen V. über genaue Recherchen im Internet gezielt mit Aufträgen versorgt haben. Ein Jahr bis zu seiner Verhaftung im Juni 2016 soll V. mit weiteren Tätern hochwertige Fahrzeuge aus Deutschland nach Tschechien verschoben haben. Nach seiner Inhaftierung sollen die Diebstähle bis Februar 2017 auf Betreiben von O. in anderer Besetzung fortgesetzt worden sein.
Gezielt in Auftrag gegeben
V. sagte umfassend aus und befindet sich deshalb in einem Zeugenschutzprogramm. Sein genauer Aufenthaltsort in einer Justizvollzugsanstalt bleibt deshalb auch strikt unter Verschluss. Laut einem Ermittlungsbeamten aus Bayreuth bestätigte V., dass der Bandenführer die Diebstähle gezielt in Auftrag gegeben habe. Die Staatsanwaltschaft ist überzeugt, dass der 39-Jährige der Kopf einer siebenköpfigen Gruppe ist, die unter anderem auch in Dörfles-Esbach und Kronach Fahrzeuge gestohlen haben soll. Seit Anfang November müssen sich die Angeklagten vor dem Landgericht Coburg wegen schweren Bandendiebstahls verantworten. Ganze (Justiz-)Wagenladungen von Aktenordnern stapeln sich hinter dem Richtertisch an der Wand des Gerichtssaales, genau wie hinter Staatsanwältin Jana Huber.
Der Justiz sind weitere Namen möglicher verstrickter Personen bekannt. Auch deshalb wurde am gestrigen Mittwoch per Videoschaltung in einen Haftraum ein im tschechischen Pilsen inhaftierter Zeuge intensiv nach verschiedenen verdächtigen Personen im Umfeld des Bandenchefs befragt.
Der 39-jährige Bandenchef, der in Tschechien augenscheinlich mehrere Werkstätten und Garagen besitzt, soll die gestohlenen Fahrzeuge mit Helfern "frisiert" und an verschiedene Abnehmer weiterveräußert haben. Das bestätigte der Zeuge: O. habe Kontakte nach Russland und in die Ukraine, gab er an. Auch er erklärte, dass der 39-Jährige der Drahtzieher der Bande gewesen sei.
Ging es um Drogenbeschaffung?
Das Gericht interessierte sich besonders für die Verteidigungsstrategie des 39-Jährigen, der in dem Milieu wohl mit Drohungen und Erpressungen gearbeitet und - nach Aussagen des Zeugen - versucht habe, Aussagen gegen ihn zu verhindern. Drei Anwälte beraten den Angeklagten im aktuellen Verfahren. Sie beantragten das Gutachten eines Sachverständigen, der prüfen soll, ob ihr Mandant zu den fraglichen Tatzeitpunkten unter Drogen, Medikamenten oder Alkoholeinfluss stand und als Tatmotiv eventuell Drogenbeschaffung infrage käme.
Weiterhin versuchte das Gericht herauszufinden, ob O. vor seiner Auslieferung nach Deutschland mit dem inhaftierten Zeugen in Pilsen Kontakt gehabt und sich mit ihm über den laufenden Prozess, für den insgesamt 13 Verhandlungstage anberaumt sind, unterhalten habe. Das bejahte der Zeuge. Der 39-Jährige habe in der Tat versucht, ihn zu beeinflussen. Er sollte gegen den im Zeugenschutzprogramm befindlichen V. aussagen und diesen als Drahtzieher hinstellen, erklärte er. "Der Angeklagte hat von mir verlangt, dass ich zu seinen Gunsten aussage und sich alles gegen V. wendet."
Im Jahr 2010 wurde der Zeuge verhaftet, als er mit V. zusammen in Deutschland ein Auto stehlen wollte. Als er 2015 aus der Haft entlassen worden sei, habe O. erneut von ihm verlangt, für ihn Fahrzeuge zu stehlen. Er habe aber nicht mitgemacht, gab der Zeuge an. Er erklärte, bei dem 39-Jährigen blanko Fahrzeugpapiere gesehen zu haben. Einmal habe er beobachtet, wie O. mittels Notebook und Drucker einen Fahrzeugbrief oder - schein, so genau wisse er das nicht mehr, hergestellt habe.
Der Prozess wird fortgesetzt.