Die Mühle von Klaus Krumholz in Wildenheid funktioniert seit ewigen Zeiten mit alter Technik. Nur das Wasser wurde einst von der DDR abgegraben.
Da hat Michael Kessler ganz schön was verpasst. Als der Schauspieler in der vergangenen Woche für den RBB auf einer seiner berühmten Expeditionen in der Region unterwegs war, um nach Geschichten rund um die einstige Grenze zu suchen, fuhr er an der Mühle in Wildenheid glatt vorbei. Dabei hätte er genau dort eine von den interessanten Geschichten hören können, die von der deutschen Teilung geschrieben wurden. Klaus Krumholz hätte sie ihm gern erzählt.
Der Wildenheider hätte ihm den Mühlgraben gezeigt, der ausgerechnet mitten über diese Grenze führt, die heute nur noch eine zwischen zwei Bundesländern ist - aber immerhin das. Und das reicht, um noch immer Blüten der Bürokratie zu treiben, die bis heute verhindern, dass es wieder Wasser auf die Mühle gibt.
"Das Wasser war der Verdienst des Müllers", sagt Klaus Krumholz.
Das hat er von seinem Vater Werner gelernt, der eigentlich gar nicht Müller werden wollte. Als er aber nach zehn Jahren in Krieg und Gefangenschaft 1949 wieder in die Heimat kam, musste er eine Arbeit finden. Die kinderlose Müller-Familie Weiß in Wildenheid nahm ihn auf. Hier durfte er den Beruf des Müllers erlernen und fand eine Zukunft. Die Mühle sollte für ihn zum Lebensinhalt werden. "Der Vater hat bis ein paar Monate vor seinem Tod mit 89 Jahren in der Mühle gearbeitet", erzählt Klaus Krumholz. Von ihm hat er gelernt, die beeindruckende Technik zu bedienen.
Ausgeklügelte Technik Gern führt er Besuchern vor, wie das Gewirr aus Transmissionsriemen, Übersetzungsscheiben und Mahlwerken arbeitet. Rund eine Tonne Körner könnte am Tag verarbeitet werden. Dafür ist die Mühle ausgelegt. Moderne Großmühlen leisten 1000 Tonnen täglich.
Getreide zu mahlen, zu schroten oder zu quetschen für Tauben, Hühner, Hasen oder Fische als Futter, ist für Krumholz nur noch ein Zubrot. Aber dadurch bleibt die Mühle aktiv. Auch wenn sie längst nicht mehr mit Wasser angetrieben wird. Und da kommt Klaus Krumholz auf die "Grenzgeschichte" seiner Familie zu sprechen.
Er erzählt vom Wehr auf Thüringer Seite, das den Zufluss aus der Röden in den Mühlgraben regelte. In den 50er-Jahren hatte sein Vater einen Passierschein, damit er das Stauwerk bedienen konnte. Später half ein Nachbar von "drüben" bei Bedarf. 1961, als die Mauer dicht gemacht wurde, drehten die Grenztruppen ihm das Wasser ab.
Eine Beschwerde von Werner Krumholz wurde vom Rat der Stadt Sonneberg in klassischer DDR-Manier beantwortet. Die Republik habe kein Interesse, ihm das Wasser abzusperren. Schuld sei die Adenauer-Regierung, die sich Gesprächen mit der DDR-Führung verweigere.
Trotzdem "... haben wir die nötigen Vorkehrungen getroffen, um einen ständigen Wasserzufluss zu gewährleisten", hieß es in dem Schreiben. Der Brief kam im Januar. "Um Pfingsten haben sie das Wehr dann gesprengt", erinnert sich Klaus Krumholz.
Ringen um Wasser Nach der Wende bemühte sich Werner Krumholz, wieder Wasser für seine Mühle zu bekommen. Politiker versprachen Hilfe. Geschehen ist nie etwas. Sein Anspruch wurde grundsätzlich anerkannt. Man ging in den 90er-Jahren von einem Aufwand um die 60 000 Euro aus, um den Schaden zu beheben, den die Grenztruppen angerichtet hatten. Wasser fließt bis heute nicht. Dabei könnte das mächtige Wasserrad mit knapp fünf Metern Durchmesser und einem Meter Breite jederzeit reaktiviert werden. "Die Mechanik ist simpel und zuverlässig.
Da geht nichts kaputt", sagt Klaus Krumholz über die gesamte Mühlenanlage.
Mit einem Hebel wird vom Inneren der Mühle der Zufluss auf das oberschlächtige (oben angetriebene) Mühlrad geleitet. "Solche Mühlräder sind sehr effektiv, es wird jeder Tropfen Wasser genutzt", erklärt Klaus Krumholz. Die Art der Räder hängt von der Höhenlage des Mühlgrabens oder Flusses ab.
Von einer einzigen angetriebenen Welle, die bis heute ins Mühlhaus führt, können über Transmissionsriemen zahllose Transportsysteme und Mahlwerke der Mühle angetrieben werden. Ein Elektromotor ersetzt heute den Antrieb aus Wasserkraft - doch der wäre viel günstiger und viel umweltfreundlicher. Nur müsste dazu in der Thüringer Nachbarschaft wieder Wasser in den Mühlgraben geleitet werden. Noch hat Klaus Krumholz Hoffnung, diesen Traum seines Vaters zu erfüllen, der 2011 verstorben ist. So oder so steht für den Sohn fest: "So lange ich da bin, wird die Mühle erhalten."