Wienerle statt Bratwürste

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Foto: Matthias Hoch
Foto: Matthias Hoch

Erstmals in der Geschichte der Bayreuther Festspiele wurde eine Vorstellung live in ausgesuchte Filmtheater übertragen: ein faszinierender "Parsifal" mit ein paar Abstrichen.

Ein Bühnenweihfestspiel im Kino, noch dazu direkt aus Bayreuth - geht das überhaupt? Natürlich geht das. Und zwar ganz gut. Wenn auch mit einigen Abstrichen. Und davon soll hier berichtet werden. Am Samstag stand also in einigen Kinos in der Region und in insgesamt fast 100 Kinos in Deutschland "Parsifal" auf dem Programm, erstmals als Live-Übertragung einer Festspielaufführung.

Während auch im Bamberger CineStar die Live-Übertragungen aus der New Yorker Met inzwischen ihr begeistertes Stammpublikum haben, war die Kinopremiere der Bayreuther Festspiele alles andere als ausverkauft. Eigentlich schade. Denn wer die Inszenierung von Stefan Herheim aus dem Jahr 2008 noch nicht am Grünen Hügel erlebt hat, konnte zum Einheitspreis von 27 Euro einen faszinierenden Eindruck davon bekommen, warum diese Produktion mehrfach preisgekrönt wurde.

Im Kino fehlt doch einiges

Zwar ist der Mitschnitt einer Aufführung
immer nur ein Torso. Zum einen, weil zu wenig Licht für die Totalen vorhanden ist, zum anderen, weil selbst bei sehr häufigen Einstellungswechseln die Kameras immer nur einen Ausschnitt dessen zeigen, was sich alles gleichzeitig auf der Bühne abspielt. So fehlen oft die Blickbeziehungen der Figuren, zumal wenn sie so intensiv geführt werden, wie in dieser Inszenierung.

Umgekehrt ist es etwas Besonderes, wenn man die Aufführungen aus den unterschiedlichsten Perspektiven im theaterunüblichen Breitwandformat sehen kann - in vielen unterschiedlich großen Zooms, direkt von oben und von der Seite. Selbst für jemanden wie mich, der ich diesen "Parsifal" schon sieben Mal vor Ort erlebte, zeigen sich da immer wieder Facetten, die vom Zuschauerraum aus so gar nicht zu haben sind.

Solisten in Bestform

Was ich vermisst, aber schon aus beleuchtungstechnischen Gründen gar nicht erst erwartet habe, sind die phänomenalen offenen Verwandlungen des Bühnenbilds von Heike Scheele. Dass die Bayreuther Bühnentechnik mit dieser Produktion tatsächlich Einmaliges leistet, konnte man zwar in einem der Pausenfilmbeiträge erfahren. Aber zu sehen war das nicht, nicht einmal zu erahnen.

Dafür hatten - bis auf den offenbar indisponierten Titurel - die Solisten eine bessere Tagesform als bei der diesjährigen Premiere am 29. Juli. Zwar blieb Susan Macleans Kundry wiederum einige Spitzentöne schuldig, aber das spielte bei ihrer beeindruckenden sängerdarstellerischen Gesamtleistung keine Rolle. Sie und der berührende Amfortas Detlef Roth machten auch in den Backstage-Filmen eine gute Figur.

Letzteres gilt auch und gerade für Burkhard Fritz. Zwar verlangt er als sichtlich nicht mehr so junger Parsifal in allen Nahaufnahmen dem Publikum noch größere Sublimierungsleistungen ab als im Theater mit seiner gnädigen Distanz. Zwar ist er kein Sunnyboy wie Bayreuths neuer Superstar Klaus Florian Vogt, aber ein glaubhafter Parsifal, der eine Entwicklung durchmacht, war er allemal. Ebenfalls eine große Leistung.

Bravourös wie seit seinem Bayreuth-Debüt 1996 Kwangchul Youn als Gurnemanz. Dass die selbst unter eingefleischten Wagnerianern gefürchteten, schier endlosen Erzählungen des Gralshüters im 1. Akt spannend sein können wie in einem Psycho-Thriller, ist eben nur zum Teil das Verdienst der Regie. Dieser aus Südkorea stammende Bassist zählt weltweit zu den Besten seines Fachs, weil er nicht nur unerreicht wortverständlich singt, sondern auch musikalisch bezwingend artikuliert.

Grottenschlechter Sound

Während die Solostimmen gut transportiert wurden, war die Tonqualität dieser Live-Übertragung insgesamt festspielunwürdig schlecht. Die tiefen Orchesterstimmen versuppten zu einem geradezu bedrohlichen und störenden Einheitsgebrumm, das die auf Transparenz zielende Interpretation des Dirigenten Philippe Jordan zunichte macht. Auch die Tutti mit den sonst prächtigen Chören unter Eberhard Friedrich wirkten nur undifferenziert laut. Beim Sound müssen Katharina Wagner und ihre BF-Medien-GmbH dringend aufrüsten. Sonst halten künftige Kino-Events aus Bayreuth keinem Vergleich Stand.

Dass die Untertitel peinlich fehlerhaft waren, bleibt mir ein Rätsel. Auch das Niveau der exklusiven Einführungs- und Pausenfilme ließ zu wünschen übrig. Natürlich präsentiert Katharina Wagner sich auch hier als locker-flockig-flapsiges Festspielfaktotum. Schließlich ist ihre Kampagne für die Wiederwahl als Festspielleiterin längst angelaufen - vermutlich mit Christian Thielemann als musikalischem Partner an ihrer Seite und ohne ihre Halbschwester Eva Wagner-Pasquier, die im Kino-Extra gerade mal als Grußaugustine bei der sehr provinziellen Verlosung herhalten durfte.

Moderator mit Hirnschwurbeln

In Nibelungentreue fest hält Katharina hingegen zu Axel Brüggemann, der bekanntlich schon für seine von Fehlern nur so strotzende Abhandlung "Wagners Welt" ins Guinness-Buch der Negativrekorde aufgenommen werden müsste. Als Parsifal-Moderator und -Einführer bekleckerte er sich wiederum nicht mit Ruhm, indem er unter anderem gleich zweimal fälschlicherweise behauptete, dass Parsifal seine Mutter überhaupt nicht kennen würde. Wahrscheinlich ist ihm Siegfried durchs Gehirn geschwurbelt. Aber das ist die falsche Oper!

Trotzdem wäre eine Fortsetzung wünschenswert. Dann wird es die tapfere Kino-Gastronomie im Bamberger CineStar zwar vermutlich immer noch nicht schaffen, wie in Bayreuth in den Pausen Bratwürste zu kredenzen. Aber schön heiße und nicht geplatzte Wienerle tun es schließlich auch.

Links:
www.wagner-im-kino.de
www.bayreuther-festspiele.de