Wie kommt Crystal Meth nach Oberfranken - und wer sind die Nutznießer hinter dem Geschäft mit der gefährlichen Sucht? Studenten der Uni Bayreuth haben Donnerstag eine viel beachtete Studie vorgestellt.
Ist es wirklich so, wie es überregionale Zeitungen kolportieren: Dass nämlich Oberfranken das Einfalltor für Crystal Meth sei, weil hier gegen die "ländliche Langeweile" angefixt werden müsse? Die Ergebnisse einer Untersuchung von Studierenden des Bayreuther Masterstudiengangs "Humangeographie - Stadt- und Regionalforschung" legen durchaus einen räumlichen Bezug nahe, von dem Polizei, Zoll und Justizbehörden schon lange wissen: Die Nähe zu den Crystal-Herstellungszentren Cheb und Aš in Tschechien und den Asia-Märkten, auf denen das Pulver vertickt wird, ist es vor allem, die einer Stadt wie Bayreuth den unheiligen Ruf eingetragen hat, "Kristall City" zu sein und das Fichtel- sich neuerdings zum "Crystalgebirge" aufwölbt.
Solchen Stigmatisierungen wollte die siebenköpfige Gruppe um Professor Martin Doevenspeck mit belastbaren Beweisen nachspüren. "Unsere Untersuchung soll dazu beitragen, die Crystal-Probelmatik realistisch und ohne reißerische Übertreibungen darzustellen", sagte Doevenspeck bei der Vorstellung der 140-seitigen Studie und im Beisein von Polizisten, Staatsanwälten und Zollfahndern an der Uni Bayreuth.
Dafür wurden Meth-Abhängige befragt, Polizeistatistiken ausgewertet und Suchtberatungsstellen einbezogen. Doch nicht nur das: Die Studenten sahen sich selber auf den sogenannten Viet namesenmärkten um und wollten wissen, wie die Kontaktaufnahme zwischen Händler und möglichem Käufer funktioniert. Das Ergebnis: Es geht höchst subtil vonstatten; der eigentliche Deal vollzieht sich - wie im schlechten Gangsterfilm - im Hinterzimmer.
Doppelt so viele Delikte Und es werden sich offenbar immer mehr handelseinig: Zwischen 2009 und 2014 hat sich nach Polizeiangaben die Summe der Rauschgiftdelikte im Zusammenhang mit Crystal in Oberfranken nahezu verdoppelt. Durch die erhöhte Präsenz der Fahnder nahmen ab 2010 auch die Sicherstellungen in Tschechien zu. Die Autoren der Studie ziehen daraus den Schluss, die Liberalisierung der tschechischen Drogengesetze im selben Jahr habe zu diesem Trend beigetragen. Zudem dürften verstärkte Kontrollen der Polizei und des Zolls ihrerseits Wirkung gezeigt haben.
"Jedes Gramm, dass wir hier abgreifen, setzt seinen Weg nicht mehr durch die Republik fort", formulierte Oberfrankens Polizeipräsident Reinhard Kunkel.
Und Leitender Oberstaatsanwalt Gerhard Schmitt aus Hof erläuterte, wie sehr sich gerade im Crystal-Segment die Preisspirale dreht: "Die Wirkstoffmenge eines Gramms liegt bei über 90 Prozent. Das heißt, aus einem Gramm lassen sich wesentlich mehr Konsumeinheiten herstellen als noch vor zehn Jahren."
Während die Dealer das Gramm für 25 Euro handeln, wird in Nürnberg dafür schon das Zehnfache bezahlt. Und mit ein paar Gramm geben sich Drogenkuriere heute nicht mehr zufrieden. "Es geht schon in den Kilobereich", so Schmitt.
Und die Verbraucher? Also jene, die sich das kristalline Gemisch durch die Nase ziehen, es rauchen oder schnupfen, weil es das Belohnungszentrum im Hirn ankurbelt, weil es berauscht, sexuell stimuliert und wach macht - aber eben auch rasend schnell abhängig und den körperlichen wie geistigen Verfall forciert? Nach den Worten von Eva Rieger von der Suchtberatungsstelle der Diakonie bilden diejenigen, die sich mit Crystal die Gesundheit ruinieren, nach den Alkoholabhängigen schon die zweitstärkste Gruppe, die um Hilfe nachsucht, gefolgt von Cannabis-Rauchern.
Die Bayreuther Studenten ziehen in ihrer Untersuchung den Schluss: Der Crystal-Missbrauch ist ein gesamtgesellschaftliches Problem und kein allein oberfränkisches. Sie fordern im Kampf gegen die Droge ein verbindliches Abkommen mit Tschechien und Polen sowie mehr Geld für Prävention.