Er hat sie alle abgehängt: den Parteichef, den Abgeordneten, den Mann der Ministerin. Ausgerechnet ein Exil-Chinese stiehlt den Oberen der Bamberger CSU die Schau. Und ist nun schon für hohe Ämter im Gespräch. Hier finden Sie auch ein Video-Interview mit You Xie. Und können über das Phänomen abstimmen.
Im China Fan-Imbiss am Bamberger Kranen ist an diesem Dienstagvormittag ziemlich viel los. Es kommen Leute, die gebratene Nudeln mit Hühnerfleisch für vier Euro bestellen oder "Ente mit Gemüse". Aber mehr noch wollen dem Hausherren gratulieren, der zur Symbolfigur für die Kommunalwahl 2014 geworden ist. Ein politischer Senkrechtstarter zwischen Pfannen und Tellern.
You Xie, der Bamberger Deutsch-Chinese, ließ sie alle hinter sich: den Kreisvorsitzenden Christian Lange, den langjährigen Landtagsabgeordneten Helmut Müller und Markus Huml, den Mann von Gesundheitsministerin Melanie Huml.
Xie sammelte 10 621 Stimmen
Xie ist die gute Nachricht einer Wahl, die in Bamberg nicht nur gute Nachrichten produzierte und eine nie da gewesene Materialschlacht auslöste. Während die Wahlbeteiligung auf 44 Prozent stürzte, startete der Seiteneinsteiger durch wie kein zweiter. 10621 Stimmen hat der Neuling gesammelt, mehr als jeder andere Kandidat auf der CSU-Liste - und das in einer Stadt, die einmal als sehr konservativ galt. Schon fragen sich erste Bamberger, wann sie einen "Bülgelmeistel" bekommen. Auf einen solchen Posten könnte Xie mit seiner Stimmenzahl Anspruch erheben. Doch er bleibt bescheiden.
Multikulti im Bamberger Stadtrat. Der Durchmarsch des Chinesen auf der CSU-Liste entzückt viele Bürger, die sich nach einem mit harten Bandagen geführten Wahlkampf genervt fühlten über das pausenlose Hickhack der politischen Gegner. Politprofis bringt Xies Coup unterdessen ins Grübeln: Ist der Sieg des Exoten über erfahrene kommunalpolitische Haudegen nicht der Beweis, dass Inhalte im Wahlkampf kaum mehr zählen? Diese Frage stellt sich der grüne Politiker Peter Gack. Für Andreas Starke (SPD) ist Xie ein positives Phänomen. Der Bamberger OB glaubt, dass die Wähler ein feines Gespür dafür besitzen, ob sich Kandidaten wirklich für das Gemeinwohl interessieren. Xie - das Gegenmodel zum glatten Berufspolitiker.
Auf alle Fälle ist der 55-Jährige bekannt. Der Exil-Chinese, der 2010 die deutsche Staatsbürgerschaft erhielt, betreibt seit 18 Jahren einen China-Imbiss am Rande der Bamberger Fußgängerzone. Dort, wo sich die Fußgängerströme zur Universität und zu mehreren Gymnasien vereinigen, wird die gebratene Peking-Ente zu 5,50 Euro gewissermaßen mit Liebe zur Demokratie serviert.
Xie kam 1988 als Germanistikstudent nach Bamberg, ein Jahr vor den Unruhen auf dem "Platz des Himmlischen Friedens". Als regimekritischer Journalist und Schriftsteller lässt er sich den Mund nicht verbieten, kämpft für Pressefreiheit und Demokratie in seiner Heimat, was ihm ein Einreiseverbot bescherte. Es ist bis heute gültig.
1988 kam er nach Bamberg
Wer andernorts verfolgt wird, lernt die Demokratie in Deutschland schätzen. Und schüttelt den Kopf, wenn er an die Wahlbeteiligung hierzulande denkt. Xie ist dankbar: "Bamberg hat es mir leicht gemacht. Ich kam mit leeren Händen und möchte etwas zurückgeben."
Im Wahlkampf verteilte der Kunstfreund und Goethekenner Glückskekse an Passanten. Glück hatte zweifellos auch er. Von Platz 29 auf 1 - wie schwer ein solcher Siegeszug im Zeitalter gelangweilter Wähler fällt, können nicht nur Politprofis beurteilen. Auch Wissenschaftler hat Xie überrascht. Zum Beispiel André Haller, der für die Uni Bamberg den Wahlkampf erforscht. Der Riesensprung eines Neulings auf einer etablierten Liste ist für ihn so etwas wie ein Sechser im Lotto. Absolut bemerkenswert. "Ich kann mir das nur so erklären, dass ihn viele Leute gewählt haben, die sonst nicht CSU wählen."
Diese These findet auch bei den Christsozialen Anklang: "Er ist der Paradiesvogel unter all den Schlipsträgern. Und er hat einen tollen Wahlkampf gemacht", meint Helmut Müller, Bamberger CSU-Urgestein und selbst einer, der vom chinesischen Parteifreund überflügelt wurde.
Tatsächlich fiel die pfiffige Plakatkampagne des Imbiss-Betreibers auf im Meer der plumpen Werbesprüche. "Ich bin ein Bamberger" war da durchaus selbstironisch unter seinem Konterfei zu lesen. Vor allem jener Slogan begeisterte viele in Bamberg: "Ente gut, alles gut".
Das Beispiel zeigt, dass man auch mit Gebratenem Stimmen fangen kann. Oder gerade mit Gebratenem. Als es am Wahlsonntag im China Fan-Imbiss Peking-Ente zum halben Preis gab, da ließen sich viele Bamberger nicht lange bitten.
Der Hype um Herrn You Xie nach der Bamberger Stadtratswahl zeigt einmal mehr: Die Welt braucht ihre Helden. "You Xie rettet die CSU", titelt der FT. Und was wird You Xie als nächstes retten? Vielleicht die Stadt Bamberg vor kostspieligen und überteuerten Brückenbauten und Jugendherbergsgutachten, vor einem farblosen, aber trotdem zerstrittenen Stadtrat und vor einer ICE-Trasse die, egal wo sie bisher verlaufen soll, eh immer an der falschen Stelle sein wird. Ach ja, und natürlich auch noch das vor sich hin dümpelnde Bambados, vielleicht kann er ja davor eine Filiale seines China-Fan Imbisses aufmachen und mit "Ente gut alles gut" mehr Besucher dort hinlocken, die dafür sorgen das Defizit zu verringern. Okay, ich gebe zu, ich habe übertrieben, aber eine Übertreibung kann auch die Augen öffnen. Ich gönne Herrn Xie seinen Erfolg, für den er hart gearbeitet hat in den letzten Monaten durch eine sehr werbewirksame Öffentlichkeitsarbeit. Ich kann mir auch gut vorstellen, dass er frischen Wind und neue Ideen in den Stadtrat einbringen wird. Aber ich glaube auch, dass er weder die Bamberger CSU rettet, noch der Heilsbringer für Bamberg sein wird und kann. Sein großartiges Ergebnis innerhalb der CSU ist, meiner Meinung nach, vor allem dem katastrophalen Zustand dieser Partei in Bamberg geschuldet, die kaum ein Fettnäpfchen im Wahlkampf ausgelassen hat und mit überbordener Plakatierung ihre momentane Unfähigkeit eine Partei für alle Bamberger sein zu können zukleistern wollte. "Hinter einem starken Bamberg, steht eine starke CSU", so konnte man es allenthalben lesen. Der Satz war schon vor der Wahl falsch und ist es jetzt erst recht. Auch wenn jetzt manche dazu neigen zu sagen: "Hinter einem starken Bamberg steht ein starker You Xie", bleibt er falsch. Richtig wird er nur wenn es heißt: "Hinter einem starken Bamberg stehen 70000 engagierte Bürger, für deren Wohl sich 44 engagierte Stadräte einsetzen." Dann sind wir selber "Helden" und brauchen keinen Retter!
Gratulation für You Xie. Die CSU selbst sollte sich aber überlegen wohin die Reise geht. Nach dem Reinfelder - Deuber und Co ihr den Rücken kehren tun das nun auch die Bürger. Die sogenannten Urgesteine einer STARKEn CSU haben schon lange ausgedient. Und sicher werden wir in Zukunft nicht immer vom Bratwurststadtrat Kalb versorgt sondern auch mal mit Ente von You Xie.
AndreasStenglein
Sowohl der Artikel selber als auch die Kommentare sind nicht gerade von großer Sachkenntnis getrübt. Fakt ist: You Xie wurde von Platz 29 auf Platz 1 vorgewählt, Anna Rudel von Platz 27 auf 6. Andere Kandidaten rückten ebenfalls nach vorne, wenn auch nicht so spektakulär, andere wanderten nach hinten. Bei der SPD schoben sich Sebastian Niedermaier und Dr. Ernst Trebin nach vorne, andere marschierten ins Nirwana. Das ist der Ausfluss, um nicht zu sagen: die Segnung des bayerischen Wahlgesetzes, das das Panaschieren und Kumulieren zulässt und somit eine solche Verschiebung ermöglicht. Ob mehr Stimmen von der einen oder der anderen Möglichkeit kommen, lässt sich ohne Vergleich der Stimmzettel nicht sagen - auch nicht mit professoralem Getue. In Bayreuth machte Michael Hohl von der CSU einen noch größeren Sprung von Platz 44 auf Platz 2. Im Forchheimer Kreistag schob sich Philipp Blümlein von Platz 43 auf Platz 5 vor und im Kronacher Kreistag der Kandidat Gerhard Brühl von Platz 25 auf Platz 4. Lassen wir, wie es ist: Es ist ein großartiger Sieg You Xies. Der schnappt – so wie er geschildert wird – bestimmt nicht über. Die anderen, die ihn über den Schellenkönig loben und mit Vorschusslorbeeren bedenken, sollen sich nicht so weit aus dem Fenster lehnen. Meistens kommt es anders als man denkt.
Meripilus
Vorschuss-Lorbeeren sind schnell vergeben. Der Alltag wird zeigen, ob sie verdient sind.
Zunächst einmal war dies eine Sympathiewahl mit Immigrantenbonus, den Oberen der CSU sollte das Ergebnis trotzdem zu denken geben. Es ist längst Zeit für Müller und Lange zu gehen. Wenn nicht, werden sie in der nächsten Stadtratsperiode ihre Partei gar atomisieren. Hatte die nicht mal in Bamberg eine sichere Zweidrittelmehrheit, jedenfalls eine gepachtete absolute Mehrheit?
Ein Bürgermeister You Xie? Wenn die CSU clever ist, verzichtet sie auf den Posten. Starke hat es in den vergangenen Jahren sehr gut verstanden, die CSU mit dem Bürgermeisteramt zu ködern/zu kaufen. Wenn die CSU erstarken will, muss sie eine von Starke unabhängige Politik betreiben, und die ergibt sich zuallererst in der Opposition.
KlaRa
meinen Hund nehm ich aber nicht mit ins Rathaus...
Der Hype um Herrn You Xie nach der Bamberger Stadtratswahl zeigt einmal mehr: Die Welt braucht ihre Helden. "You Xie rettet die CSU", titelt der FT. Und was wird You Xie als nächstes retten? Vielleicht die Stadt Bamberg vor kostspieligen und überteuerten Brückenbauten und Jugendherbergsgutachten, vor einem farblosen, aber trotdem zerstrittenen Stadtrat und vor einer ICE-Trasse die, egal wo sie bisher verlaufen soll, eh immer an der falschen Stelle sein wird. Ach ja, und natürlich auch noch das vor sich hin dümpelnde Bambados, vielleicht kann er ja davor eine Filiale seines China-Fan Imbisses aufmachen und mit "Ente gut alles gut" mehr Besucher dort hinlocken, die dafür sorgen das Defizit zu verringern. Okay, ich gebe zu, ich habe übertrieben, aber eine Übertreibung kann auch die Augen öffnen.
Ich gönne Herrn Xie seinen Erfolg, für den er hart gearbeitet hat in den letzten Monaten durch eine sehr werbewirksame Öffentlichkeitsarbeit. Ich kann mir auch gut vorstellen, dass er frischen Wind und neue Ideen in den Stadtrat einbringen wird. Aber ich glaube auch, dass er weder die Bamberger CSU rettet, noch der Heilsbringer für Bamberg sein wird und kann. Sein großartiges Ergebnis innerhalb der CSU ist, meiner Meinung nach, vor allem dem katastrophalen Zustand dieser Partei in Bamberg geschuldet, die kaum ein Fettnäpfchen im Wahlkampf ausgelassen hat und mit überbordener Plakatierung ihre momentane Unfähigkeit eine Partei für alle Bamberger sein zu können zukleistern wollte. "Hinter einem starken Bamberg, steht eine starke CSU", so konnte man es allenthalben lesen. Der Satz war schon vor der Wahl falsch und ist es jetzt erst recht. Auch wenn jetzt manche dazu neigen zu sagen: "Hinter einem starken Bamberg steht ein starker You Xie", bleibt er falsch. Richtig wird er nur wenn es heißt: "Hinter einem starken Bamberg stehen 70000 engagierte Bürger, für deren Wohl sich 44 engagierte Stadräte einsetzen." Dann sind wir selber "Helden" und brauchen keinen Retter!
Gratulation für You Xie. Die CSU selbst sollte sich aber überlegen wohin die Reise geht. Nach dem Reinfelder - Deuber und Co ihr den Rücken kehren tun das nun auch die Bürger. Die sogenannten Urgesteine einer STARKEn CSU haben schon lange ausgedient. Und sicher werden wir in Zukunft nicht immer vom Bratwurststadtrat Kalb versorgt sondern auch mal mit Ente von You Xie.
Sowohl der Artikel selber als auch die Kommentare sind nicht gerade von großer Sachkenntnis getrübt.
Fakt ist: You Xie wurde von Platz 29 auf Platz 1 vorgewählt, Anna Rudel von Platz 27 auf 6. Andere Kandidaten rückten ebenfalls nach vorne, wenn auch nicht so spektakulär, andere wanderten nach hinten. Bei der SPD schoben sich Sebastian Niedermaier und Dr. Ernst Trebin nach vorne, andere marschierten ins Nirwana.
Das ist der Ausfluss, um nicht zu sagen: die Segnung des bayerischen Wahlgesetzes, das das Panaschieren und Kumulieren zulässt und somit eine solche Verschiebung ermöglicht. Ob mehr Stimmen von der einen oder der anderen Möglichkeit kommen, lässt sich ohne Vergleich der Stimmzettel nicht sagen - auch nicht mit professoralem Getue.
In Bayreuth machte Michael Hohl von der CSU einen noch größeren Sprung von Platz 44 auf Platz 2. Im Forchheimer Kreistag schob sich Philipp Blümlein von Platz 43 auf Platz 5 vor und im Kronacher Kreistag der Kandidat Gerhard Brühl von Platz 25 auf Platz 4.
Lassen wir, wie es ist: Es ist ein großartiger Sieg You Xies. Der schnappt – so wie er geschildert wird – bestimmt nicht über. Die anderen, die ihn über den Schellenkönig loben und mit Vorschusslorbeeren bedenken, sollen sich nicht so weit aus dem Fenster lehnen. Meistens kommt es anders als man denkt.
Vorschuss-Lorbeeren sind schnell vergeben. Der Alltag wird zeigen, ob sie verdient sind.
Zunächst einmal war dies eine Sympathiewahl mit Immigrantenbonus, den Oberen der CSU sollte das Ergebnis trotzdem zu denken geben. Es ist längst Zeit für Müller und Lange zu gehen. Wenn nicht, werden sie in der nächsten Stadtratsperiode ihre Partei gar atomisieren. Hatte die nicht mal in Bamberg eine sichere Zweidrittelmehrheit, jedenfalls eine gepachtete absolute Mehrheit?
Ein Bürgermeister You Xie? Wenn die CSU clever ist, verzichtet sie auf den Posten. Starke hat es in den vergangenen Jahren sehr gut verstanden, die CSU mit dem Bürgermeisteramt zu ködern/zu kaufen. Wenn die CSU erstarken will, muss sie eine von Starke unabhängige Politik betreiben, und die ergibt sich zuallererst in der Opposition.
meinen Hund nehm ich aber nicht mit ins Rathaus...