Wo der Schörzer-Moo seine Ware herhatte

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"Ende der 70er/Anfang der 80er, das waren die Boom-Jahre", sagt Klara Friedsam, die nicht nur die Schürzen verkauft, sondern im Familienbetrieb auch mit genäht hat. Foto: Privat
"Ende der 70er/Anfang der 80er, das waren die Boom-Jahre", sagt Klara Friedsam, die nicht nur die Schürzen verkauft, sondern im Familienbetrieb auch mit genäht hat. Foto: Privat
Foto: Privat
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Nicht wie bei der Hobbyschneiderin aus Seidenpapier sind die Schnittvorlagen in einer Bekleidungsfabrik. "Bei 100 bis 120 Lagen Stoff, die gleichzeitig zugeschnitten wurden, brauchte man schon diese feste Qualität", zeigt hier Klara Friedsam. Foto: Christofzik
Nicht wie bei der Hobbyschneiderin aus Seidenpapier sind die Schnittvorlagen in einer Bekleidungsfabrik. "Bei 100 bis 120 Lagen Stoff, die gleichzeitig zugeschnitten wurden, brauchte man schon diese feste Qualität", zeigt hier Klara Friedsam. Foto: Christofzik
 
 
Firmengründer Engelbert Friedsam. Dieses Bild wurde, wie das obere auch, Mitte der 70er-Jahre aufgenommen. Foto: Privat
Firmengründer Engelbert Friedsam. Dieses Bild wurde, wie das obere auch, Mitte der 70er-Jahre aufgenommen. Foto: Privat
 

Bis vor sieben Jahren ratterten in Dippach in der Bekleidungsfabrik Friedsam die Nähmaschinen. 1978 hatte sich die Firma auf Kittelschürzen spezialisiert.

Mit dem Griff der Fachfrau dreht Klara Friedsam den Stoff um: "Schauen Sie, selbst dafür gibt es Maschinen, die das in einem Arbeitsgang einnähen." Dass mein Kittel dort innen ein Paspelband hat, das die Abschlusskante des Ärmelausschnitts verstärkt, war mir bisher noch gar nicht aufgefallen.

Der Fertigungsraum der Bekleidungsfabrik Kurt Friedsam in Dippach (Stadt Eltmann) ist fast leer. "Dort stand der Zuschneidetisch. So lang wie die ganze Wand war er", erinnert sich Klara Friedsam. Sechs Meter? Sieben Meter? "Das müssen mehr gewesen sein - über zehn".

Ein paar kleinere Holztische sind noch da. Das wäre doch ein Fotomotiv. Klara Friedsam wehrt ab. "Das ist Vergangenheit. Aber ich habe was Besseres für Sie." Bevor wir auf der Holzbank vor dem Haus Platz nehmen, holt sie ein Fotoalbum aus dem Auto. "Ich lasse Ihnen von den alten Bildern neue Abzüge machen."


Gründer aus dem Böhmerwald

Von Beginn an hat das Unternehmen Kittelschürzen hergestellt, seit 1978 ausschließlich. Vorher wurden in Dippach zusätzlich auch Hemden, Röcke und Blusen für Versandhändler genäht.

Gegründet haben das Unternehmen Klara Friedsams Schwiegervater Engelbert und seine Frau 1955. "Sie stammten aus dem Böhmerwald. Er hat zunächst auf dem Bau gearbeitet und sie hat genäht. Später fanden in der Firma, je nach Auftragslage, zwischen zehn und 20 Frauen Arbeit."

Doch in dem kleinen Ort am Main wurden Kittelschürzen nicht nur gefertigt, sondern von hier aus gingen sie auch nach Ober-, Unter-, Mittelfranken und bis ins Altmühltal. Der Markthandel war das zweite Standbein des Unternehmens - und Kurt Friedsam landauf landab bekannt als der "Schörzer-Moo".


Früher waren die Märkte, was heute der Supermarkt ist

"Man sagt tatsächlich in ganz Franken ,Schörzer' zur Kittelschürze. Und überall auch der Schörzer", bestätigt Klara Friedsam. Sie muss es wissen, denn auch sie war unterwegs mit den Produkten aus dem Familienbetrieb.

"Mittfastenmarkt, Frühjahrs- und Herbstmesse, Weihnachtsmarkt, Feste um Kirchweihen und Heiligentage, das waren früher feste Termine für die Leute vom Land. Im Frühjahr hatten die Bauern wenig Arbeit draußen, aber Zeit, auf den Markt zu gehen und alles zu besorgen, was sie für den Haushalt brauchten. Im Herbst genauso. Die Märkte waren damals das, was ein Supermarkt heute ist."


Leicht und günstig

Der "Schörzer" hat nie viel gekostet und war leicht zu tragen. "Kittelschürze ist ein Lebensgefühl", sagt Klara Friedsam. "Schaut man einige Jahrzehnte zurück, muss man daran denken, dass die Leute damals keine Waschmaschinen hatten. Elektrische Trockner erst recht nicht. Es gab nicht diese Werfwerfmentalität. Man brauchte beim Arbeiten etwas, das die Kleidung schützte. Sie musste lange halten.

Und wenn die Frauen im Haus und auf dem Feld im Sommer nichts anderes darunter trugen, als nur die Unterwäsche, wollten sie nicht schwitzen. Da waren Baumwollkittel ideal. Die Nylonschürzen konnten sich nicht richtig durchsetzen, da war am Herd schnell mal ein Loch reingebrannt."

Das Sterben der kleinen Bauernhöfe ließ den Bedarf an Kittelschürzen (Stallschürzen) deutlich zurück gehen. Die Markthändlerin macht nicht zuletzt das Aufkommen der Leggins - und damit der Erkenntnis, dass man es darin (und in einem lockeren Oberteil) beim Arbeiten im Haushalt noch bequemer hat - als Grund für den Niedergang des Kitteltragens aus.


Ein Lebensgefühl

"Die älteren Frauen haben sich gefragt, soll ich mir überhaupt noch einen Kittel kaufen? Die Nachbarin hat doch schon lange keinen mehr an. Jüngere Angehörige habe das dann bestätigt und diesen Frauen, ja man kann es so sagen, damit das Lebensgefühl abgesprochen, dass sie so viele Jahre schätzten. Und das ist irgendwie schade."

Wenn Klara Friedsam durch den Steigerwald fährt, sieht sie noch immer Kittel, die sie mal verkauft hat. Seit sieben Jahren besteht die Firma nicht mehr. "Heute werden Hauskittel in Deutschland kaum noch hergestellt.
Wir konnten uns so lange halten, weil wir mit unserer Ware auf Qualität gesetzt haben. Unsere Schnitte und die Stoffe waren etwas anders. Zuletzt haben wir auch Schürzenkleider genäht, ein bisschen moderner und teils aus Dirndlstoff, um dranzubleiben und jüngere Kundschaft anzusprechen."

Seit 2007 ist die Firma in Bamberg nicht mehr mit Schürzen auf den großen Märkten vertreten; bis 2009 allerdings noch mit einem Weihnachtsmarktstand.


Hauptsächlich Stammkunden

Auch in der vergleichsweise großen Stadt waren 80 bis 90 Prozent Stammkunden und natürlich auch viele Leute vom Land, die gezielt zum Einkaufen kamen. "Man hat sich gekannt - und auch mal Kompromisse gemacht. Es ist ja nicht so wie im Kaufhaus, wo man, wenn was nicht gefällt, das Teil wieder hinbringen kann, und dafür recht viel Zeit hat. Auf einigen Märkte standen wir teilweise nur ein, zwei Tage - und da tauscht man eben mal die Schürze, die der Enkel im Frühjahr gekauft hat, und die der Oma nicht passt, im Herbst um."