Wo das Netz am Dunkelsten ist

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Die IT-Forensiker der Zentralstelle Cybercrime machen verborgene Datenspuren sichtbar. Foto: Nicolas Armer/dpa
Die IT-Forensiker der Zentralstelle Cybercrime machen verborgene Datenspuren sichtbar. Foto: Nicolas Armer/dpa
 
Justizminister Georg Eisenreich (links) sieht in Thomas Goger, der künftig das neue Zentrum zur Bekämpfung von Kindesmissbrauch im Internet leiten wird, einen "äußerst erfahrenen und international bestens vernetzten Strafverfolger". Foto: Stefan Fößel
Justizminister Georg Eisenreich (links) sieht in Thomas Goger, der künftig das neue Zentrum zur Bekämpfung von Kindesmissbrauch im Internet leiten wird, einen "äußerst erfahrenen und international bestens vernetzten Strafverfolger". Foto: Stefan Fößel
 
 

Schon jetzt müssen sich die Ermittler an der Zentralstelle Cybercrime täglich Videos anschauen, in denen Kinder missbraucht werden. Und wer Zutritt zu entsprechenden Foren will, muss selbst solches Material vorweisen können.

Einen Jungen im Alter von zehn bis zwölf Jahren wünscht sich der Mann, der sich im Darknet-Forum unter Gleichgesinnten wähnt. Er beschreibt ausführlich, wie er das Kind missbrauchen würde, und auch, wieviel Geld ihm das wert wäre. Der Mann weiß aber nicht, dass Ermittler des Landeskriminalamts und der Zentralstelle Cybercrime mitlesen, über einen verdeckten Ermittler Kontakt zu ihm aufnehmen, und ihn schließlich vor Gericht bringen werden.

"Nach der alten Rechtslage hätten wir von dem Sachverhalt vielleicht überhaupt nichts mitbekommen", sagt Oberstaatsanwalt Thomas Goger, der künftig das Bamberger "Zentrum zur Bekämpfung von Kinderpornografie und sexuellem Missbrauch im Internet" (ZKI) leiten wird. Denn noch vor einem halben Jahr hätten die Ermittler kaum Zutritt zum kriminellen Austausch gewaltbereiter Pädophiler erlangt. Wer nämlich in entsprechenden Foren schreibt oder auch nur liest, muss zuvor die sogenannte "Keuschheitsprüfung" bestanden haben: Als Eintrittskarte dient kinderpornografisches Material. Seit März diesen Jahres dürfen die Ermittler solche Darstellungen künstlich erstellen - ohne die Beteiligung echter Kinder. Für eine entsprechende Ausnahmevorschrift im Strafgesetzbuch hatte sich auch der bayerische Justizminister Georg Eisenreich (CSU) intensiv eingesetzt. "Wir machen von dieser Neuregelung Gebrauch, sie konnte auch schon erfolgreich eingesetzt werden", freut sich der Bamberger Generalstaatsanwalt Thomas Janovsky.

Er würde sich aus Ermittlersicht auch dringend eine Rückkehr zur Vorratsdatenspeicherung wünschen: "Was Strafverfolgung bei jeder Art von Kriminalität enorm erschwert, ist die in Deutschland derzeit nicht vorhandene Speicherung der Zuordnung von dynamischen IP-Adressen und Portnummern zu konkreten Anschlussinhabern." Das habe allein im Jahr 2019 dazu geführt, dass mehr als 2000 Meldungen deutscher IP-Adressen, die im Zusammenhang mit der Verbreitung von kinderpornografischem Material auffällig geworden sind, nicht mehr zugeordnet werden konnten. Den Ermittlern fehle dann in Fällen laufenden sexuellen Missbrauchs jede Möglichkeit, den Kindern zu helfen und die Täter vor Gericht zu stellen.

Stolz ist Janovsky schon jetzt auf die Arbeit der vor fünf Jahren an seiner Generalstaatsanwaltschaft installierten Zentralstelle Cybercrime, einer bayernweit einzigartigen Einrichtung, die eng mit Staatsanwaltschaften und Polizei zusammenarbeit. Dass es in Bamberg nun auch das ZKI geben wird, wertet er als Anerkennung und Vertrauensbeweis von Seiten des Justizministeriums. "Ein erfolgreicher Kampf gegen diese abscheuliche Kriminalitätsform setzt eine enge Vernetzung und einen ständigen Austausch mit Strafverfolgern rund um den Globus voraus", stellt der Generalstaatsanwalt fest. Seine Zentralstelle sei bestens aufgestellt und weltweit vernetzt. Sie arbeite unter anderem mit Interpol in einer "Working Group on Darknet" zusammen. Die Errichtung der ZKI unter dem Dach der Zentralstelle Cybercrime führe auch dazu, dass weiter die Expertise der dortigen Informatiker genutzt werden könne.

Justizminister Eisenreich sieht mit Oberstaatsanwalt Thomas Goger, dem stellvertretenden Leiter der Zentralstelle, einen "äußerst erfahrenen und international bestens vernetzten Strafverfolger an der Spitze des ZKI". Der bleibt trotz dieser Würdigung bescheiden und sieht noch viel Arbeit auf die Ermittler zukommen. Denn mit jedem aus der Tiefe des nur schwer zugänglichen Darknets gefischten Täter ergeben sich Hinweise auf viele andere. Wie im Fall des verurteilten Würzburger Logopäden, wo mittlerweile gegen 44 Tatverdächtige aus dem In- und Ausland ermittelt wird.

Die bald acht Staatsanwälte des neuen Bamberger Zentrums werden daher noch unzählige Stunden kinderpornografischen Materials sichten müssen, um Täter zu ermitteln und Kinder aus deren Fängen zu befreien. Wie ein leitender Beamter des Landeskriminalamts erklärt, werden die im Darknet kursierenden Videos und Bilder immer brutaler. Doch wenn es erforderlich ist, werden sich die Ermittler auch weiterhin mit am Computer erstellten Missbrauchsdarstellungen den Zugang zu den verbrecherischen Zirkeln erkaufen.