Gutachter beginnen mit der Suche nach der Ursache des Brücken-Einsturzes an der A7 bei Werneck. Die Arbeit ist langwierig und gefährlich.
Weiträumig abgeschirmt, rund um die Uhr überwacht: Der Unglücksort an der A7 bei Werneck im Landkreis Schweinfurt gilt der Staatsanwaltschaft als Tatort. Hier darf nur mit Fingerspitzengefühl gearbeitet werden, was angesichts des Trümmerberges und des Gewirrs aus verbogenem Stahl schier unmöglich scheint.
Am Montag nimmt ein Gutachter die Arbeit am Unglücksort auf. Hier war am 15. Juni ein frisch betoniertes 40 Meter langes Stück des Brücken-Neubaus samt Schalung und Traggerüst eingestürzt. Ein aus Kroatien stammender 38 Jahre alter Arbeiter eines Subunternehmens kam ums Leben, 15 Personen wurden teils schwer verletzt; mindestens vier von ihnen ringen in Krankenhäusern der Umgebung noch mit dem Tod.
Staatsanwalt ermittelt
Die Staatsanwaltschaft Schweinfurt hat, wie bei Unglücksfällen dieser Art üblich, ein Ermittlungsverfahren wegen fahrlässiger Tötung und Körperverletzung eingeleitet. "Zunächst ermitteln wir gegen Unbekannt", sagt die Leitende Oberstaatsanwältin Ursula Haderlein. Die Staatsanwaltschaft hat einen Gutachter der Universität Weimar eingeschaltet, der vor Ort nach der Ursache des Unglücks suchen soll und damit gegebenenfalls dem "Unbekannten" einen Namen geben könnte.
An der Baustelle ist bislang alles unberührt geblieben. "Vorrangig geht es erst einmal um die Sicherheit all der Menschen, die hier arbeiten müssen", sagt Polizeisprecher Enrico Ball (Würzburg). Angesichts der Schwere des Unglücks und der Folgen, die es auch strafrechtlich nach sich ziehen könnte, steht zudem die Dokumentation des Desasters weit oben auf der Prioritätenliste. Experten stehen bislang vor einem Rätsel.
"Jedes einzelne Teil der zerstörten Baustelleneinrichtung kann dem Gutachter Rückschlüsse erlauben, wie es zu dem Vorfall gekommen sein könnte", sagt Ball. Deshalb wird man an der Unglücksstelle nur langsam in kleinen Schritten vorankommen. Vor den Fachleuten türmt sich ein Gewirr aus Teilen der Schalung und des Gerüstes, die zum Teil im inzwischen fest gewordenen Beton, 600 Tonnen, des Brückenteils stecken; verbogene Stahlstäbe der Armierung ragen drohend in die Luft.
Sperrung am Sonntag
Zu den ersten größeren Arbeiten, die jetzt anstehen, zählt der Abriss von Teilen des Brückenrohbaus, die lose auf dem Pfeiler und den Fundamenten, 20 Meter über dem Talgrund ruhen. Da sie nicht mehr durch das Gerüst gestützt werden, können sie jederzeit nach unten stürzen. Deshalb wird mit schwerem Gerät geräumt. Dafür muss die Autobahn A7, die über eine ältere Talbrücke neben dem Neubau läuft, am Sonntag für einige Stunden gesperrt werden.
Eine weitere erhebliche Gefahr geht von den unter großer Spannung stehenden Stahlstäben aus, die in den Beton des Brückenkörpers eingegossen worden waren. Damit man sich der Baustelle ohne Risiko nähern kann, werden sie nacheinander vorsichtig gekappt.
Nur Spekulationen
Wenn diese Arbeiten erledigt sind, kann der Gutachter den riesigen Trümmerhaufen unter der Brücke erstmals in Augenschein nehmen. Nach seinen Vorgaben wird dann Stück für Stück geräumt und dokumentiert, was von dem Rohbau noch übrig ist. Sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Autobahndirektion Nordbayern gehen davon aus, dass es Wochen, vielleicht Monate dauern wird, ehe die Experten Aussagen zur Ursache machen können - wenn sie überhaupt fündig werden.
An Spekulationen, wonach der durch den Regen aufgeweichte Grund unter dem Gerüst nachgegeben hat oder das Gerüst womöglich selbst fehlerhaft war, wollen sich die Fachleute nicht beteiligen.
Das bei Werneck angewandte Verfahren des freien Vorbaus mit Betonschalung ist bei Großbrücken Standard, und der Baukonzern Max Bögl (Sitz Neumarkt in der Oberpfalz, 6000 Mitarbeiter), der die neue Brücke für die A7 errichtet, hat große Erfahrung mit dieser Bautechnik.