Vor 60 Jahren hatte Bamberg zwei Asse im Ring

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Die stolze Bamberger Boxstaffel von 1948 mit (von rechts) Helmut Scherzer, "Bubi" Seeger, Hans König, Fred Spetta und Helmut Kupski. In der bayerischen Oberliga kämpften die Sportler auf einem hohen Niveau. Fotos: pr
Die stolze Bamberger Boxstaffel  von 1948 mit (von rechts) Helmut Scherzer, "Bubi" Seeger, Hans König, Fred Spetta und Helmut Kupski. In der bayerischen Oberliga kämpften die Sportler auf einem hohen  Niveau.      Fotos: pr
Im Amateurbereich erkämpfte sich Adi Stenger 1950 den Titel "Deutscher Vizemeister im Schwergewicht".
Im Amateurbereich erkämpfte sich Adi Stenger 1950 den Titel "Deutscher Vizemeister im Schwergewicht".
 
1950 wurde Hans Häfner, der bis zuletzt guten Kontakt zu Boxlegende Max Schmeling hatte, deutscher Meister im Leichtgewicht.
1950 wurde Hans Häfner, der bis zuletzt guten Kontakt zu Boxlegende Max Schmeling hatte,  deutscher Meister im Leichtgewicht.
 

Mit Hans Häfner und Adi Stenger hatte die Domstadt in der Nachkriegszeit zwei wahre Asse im Ring. Letzterer sorgte in späteren Jahren auch als Bambergs "Eisenkönig" für Furore.

Es war das letzte Jahr seiner großen Triumphe und das Jahr der entscheidenden Niederlage: Zum vierten Mal hatte sich Hans Häfner vor sechs Jahrzehnten den Titel deutscher Meister im Leichtgewicht erkämpft und verlor ihn anschließend für immer: ein Boxtalent, das wie Adi Stenger als deutscher Vizemeister im Schwergewicht für die goldene Ära der Bamberger Faustkämpfer steht. "Ja, beide waren Idole, denen wir als Jungs im Ring des ,Red Cross Clubs' mit aller Kraft nachzueifern suchten", sagt Fritz Weinzierl, der jahrelang die Boxer des ETSV 1930 trainierte und an zwei Champions erinnert, deren Andenken man im 21. Jahrhundert bewahren sollte.

"Mit verbundenen Augen und gigantischen Boxhandschuhen ließen wir als Schüler zur Belustigung der Amerikaner die Fäuste fliegen", berichtet Weinzierl, der mit sieben Jahren das Kriegsende erlebt hatte. "Ich weiß noch, wie ich mich behutsam vortastete und beim ersten Kontakt mit dem Gegner wild drauflosdrosch." So tobten sich die Jungs im US-Club des früheren Café Stadelmann (Franz-Ludwig-Straße) aus, wo Cola und Schokolade ungeahnte Kräfte weckten. Und hier erlebte Weinzierl erstmals Hans Häfner, der die Bamberger Boxstaffel trainierte: Eine komplette und zuweilen sogar dreifach besetzte Staffel vom Fliegen- bis zum Schwergewicht, wie es sie nach 1953 in der Domstadt nicht mehr gab.

"Mit gerade 20 Jahren hatte Häfner eine wahnsinnige Schnelligkeit und Schlagkraft, von der andere nur träumen konnten", erinnert sich Weinzierl. Diese Techniken suchte er seinen Schützlingen anzutraineren. Zur Freude der US-Soldaten, die johlten, wenn's im Ring bei Showkämpfen zur Sache ging - und reichlich Blut floss. Zumal die boxenden "Entertainer" mit Blutkapseln in Mund und Nase für spektakuläre Effekte sorgten. Das alles aber entging dem Publikum, das Münzen und Naturalien regnen ließ, die die Kampfsportler in der kargen Nachkriegszeit zu schätzen wussten.

Boxen in Kriegsgefangenschaft

Häfner selbst war in Kriegsgefangenschaft zum Boxen gekommen, wie der "Spiegel" 1949 berichtete, bevor der Bamberger als erster Deutscher nach der "Stunde Null" in den Staaten in den Ring trat. "17 Jahre alt war der kleine stämmige Lagerist einer Fleischmaschinenfabrik, als er sich von den Eltern und seinen beiden Schwestern verabschiedete und Soldat wurde", schrieb das Nachrichtenmagazin. Zwei Jahre später traf Häfner bei Marseille hinter Stacheldraht offenbar auf Hans Schiffers. So trainierte der Bamberger mit dem deutschen Fliegengewichts- und ehemaligen Europameister. "Häfner wurde eine genaue Kopie seines Lehrmeisters - der ,Kampfmaschine'", meinte der "Spiegel". Und tatsächlich boxte sich das Talent nach dem Krieg beim KSV Bamberg zum bayerischen Meistertitel im Weltergewicht, wechselte ins Profilager und gewann anschließend noch vier Mal die deutsche Meisterschaft im Leichtgewicht. Bis Häfner vor 60 Jahren in Essen unter Herbert Gläsers Fausthieben k.o. ging.

"Anders als Hans Häfner blieb Adi Stenger im Amateurbereich", erinnert sich Fritz Weinzierl. Hier feierte der Bamberger schon 1940 einen ersten Erfolg, als er in Bayreuth Gebietsmeister im Schwergewicht wurde. Zwei süddeutsche und mehrere bayerische Titel sicherte sich der Kraftsportler nach dem Krieg, der 1950 zum deutschen Vizemeister im Schwergewicht aufstieg.

Stenger war es auch, der den Bamberger Boxsport mit Hans Haßfurter 1945 wiederbelebte. "Während das Land in Trümmern lag, hungerten alle eben nach Ablenkung, ja Unterhaltungsangeboten", so Weinzierl. Dementsprechend war die Publikumsresonanz auf den ersten Vergleichskampf zwischen Bamberg und Schweinfurt, der über die Bühne der Gaustadter Turnhalle ging. Stenger selbst schlichtete das Gerangel um die besten Plätze mit handfesten Argumenten. In der ganzen Stadt hatten für das Ereignis Plakate geworben, die die Boxer mit Mehlbrei in Ermangelung eines Kleisters an die Wände pappten.

Das Ende der Karriere

1965 beendete Adi Stenger seine Boxkarriere nach einem Unentschieden gegen den damaligen CISM-Schwergewichtsweltmei-ster Watkins. Häfner hatte fünf Jahre zuvor schon seinen letzten Kampf bestritten und die Boxhandschuhe an den Nagel gehängt, um fortan als Rechnungsprüfer seine Brötchen zu verdienen. Seit seinem Wechsel ins Profifach lebte der Bamberger, der im Spiegelgraben aufwuchs, in München. Während es Adi Stenger zeitlebens an der Regnitz hielt, der sich nach seiner aktiven Zeit als Sportler auch keineswegs zurückzog. "Noch in den 80er Jahren trat der ,stärkste Mann Bambergs' bei Boxveranstaltungen in Bierzelten auf, um Ketten zu sprengen und Eisenstangen zu biegen", sagt Fritz Weinzierl. Eine Kunst, mit der sich mittlerweile "Sammy" Stenger als Sohn des 2003 verstorbenen Bamberger "Eisenkönigs" profiliert, wie bei YouTube nachzuverfolgen ist.

Manchen Bambergern dürfte "Eisen-Adi" auch noch als Lokführer des "Gasbockels" in Erinnerung sein: Jener kleinen E-Lok, die ab 1911 mit 25 PS vom Hafen aus auf das Gelände des Gaswerks zuckelte, um Kohlen zu transportieren: Kohlen, die zuvor noch Pferdefuhrwerke anlieferten. Zu diesem Kapitel Bamberger Geschichte aber ein anderes Mal.

Treffen mit anderen Veteranen

Am Donnerstag trifft sich Weinzierl nun wieder mit anderen "Veteranen" des Bamberger Boxsports im "Bockser", um der goldenen Ära der Faustkämpfe nach dem Krieg zu gedenken: einer Ära, die ab 1952 allmählich ausklang. "Hans Häfner verlor seinen Meistertitel. Adi Stenger hatte seine größten Erfolge hinter sich. Und der glorreichen Bamberger Boxstaffel gingen die Talente aus", so der ehemalige Trainer. Wegen der hohen Arbeitslosigkeit in der Region wanderten etliche Kampfsportler ab. "Ein Tiefschlag, von dem sich der Bamberger Boxsport nicht mehr wirklich erholen konnte."

Erstmals bleibt beim Sommerfest übrigens der Platz von Hans Häfner leer, der im vergangenen Dezember starb. Jahr für Jahr war er bislang zu seinen Freunden in der alten Heimat gestoßen.