Chefarzt-Prozess: Verteidigung sieht Stimmungsmache

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Die Öffentlichkeit wurde auch am Mittwoch zeitweise wieder aus dem sogenannten Chefarzt-Prozess ausgeschlossen. Foto: Archiv
Die Öffentlichkeit wurde auch am Mittwoch zeitweise wieder aus dem sogenannten Chefarzt-Prozess ausgeschlossen. Foto: Archiv

Die Verteidiger von Heinz W. wollen verhindern, dass ein Chirurgie-Professor weiterhin Fotos bewertet, die der Angeklagte von Frauen gemacht hat.

Die Verteidiger des Angeklagten Heinz W. wollen nach wie vor verhindern, dass der sachverständige Chirurgie-Professor weiter aussagt. Arnulf Thiede aus Würzburg ist einer jener Sachverständigen, die im bisher größten Prozess der Bamberger Justizgeschichte zur Aufklärung beitragen sollen.

Doch genau das stellte die Verteidigung von Heinz W. sowohl bei Thiede selbst, als auch dessen Vorgängern in Frage. Klaus Bernsmann, einer der drei Verteidiger des Angeklagten, kritisierte gestern erneut den aus seiner Sicht ungeeigneten Gutachter: "Die bloße Beschreibung der Bilder kann nichts zur Wahrheitsfindung beitragen."
Gemeint sind eine Reihe von intimen Fotos, die Heinz W. (50) von zwölf Frauen gemacht hatte - zum Zwecke der Dokumentation und Weiterbildung, lautet die Begründung des ehemaligen Leiters der Bamberger Gefäßchirurgie.

Die Bamberger Staatsanwaltschaft wirft W. dagegen vor, dass er den Frauen im Alter von 17 bis 28 Jahren Untersuchungen vorgetäuscht und sie dann mit dem Betäubungsmittel Midazolam ruhig gestellt haben soll. Er soll Foto- und Videosequenzen ohne das Wissen der mutmaßlichen Opfer angefertigt und sich sexuell an ihnen vergangen haben.


Suche nach eigenen Gutachtern

So gut wie alle Gutachter, die bisher an den mittlerweile 58 Verhandlungstagen ausgesagt haben, hält die Seite des Angeklagten für befangen oder inkompetent. Am Mittwoch (29.06.16) kündigte Verteidiger Bernsmann an: "Wir suchen geeignete Sachverständige zur Wirkung von Midazolam." Weil ein Treffen mit ihnen Mittwochnachmittag in Erlangen stattfinden sollte - und, weil sich die Zweite Strafkammer des Landgerichts auf ein anderes größeres Verfahren vorbereiteten wollte - endete die Verhandlung bereits mittags.

Oberstaatsanwalt Bernhard Lieb konnte sich eine Anmerkung zum Termin der Verteidigung nicht verkneifen: "Ich spreche mich ausdrücklich dagegen aus! Muss das an einem Verhandlungstag sein?"

Der Vormittag verlief weiter hitzig. W. und seine Verteidiger kritisierten Professor Thiede nach wie vor, unterstellten ihm Befangenheit und "feindseliges Auftreten". Auch die Bilder brauche man sich nicht erneut anzusehen - dann würde das Verfahren beschleunigt und den Beteiligten die "Intimsphäre der Zeuginnen nicht weiter aufgedrängt", so Bernsmann. Er wurde noch deutlicher: "Plötzlich klaffen Geschlechtsteile auf. Das ist nicht nur für mich, sondern auch für andere Menschen überflüssig."

Vorsitzender Richter Manfred Schmidt sagte dagegen: "Entscheidend ist, ob diese Bilder für Fortbildungszwecke oder zur Weiterbildung geeignet sind." Auch der Oberstaatsanwalt hielt eine weitere Anhörung von Thiede für relevant. "Es ist gut und billig, wenn ein Sachverständiger auf dem Gebiet der Gefäßmedizin uns Laien eine Bewertung vermittelt."

Der Angeklagte ließ über seinen Verteidiger mitteilen: W. sei bei der Anfertigung der Aufnahmen bewusst gewesen, dass "eine bestimmte Anzahl wegen der Qualität von vorne herein ungeeignet sein" würde. Für die Dokumentation sei noch eine Auswahl zu treffen gewesen. Daraufhin griff Jürgen Scholl, der Anwalt der Hauptzeugin, zum Mikrofon: Der Angeklagte passe seine Aussage "dem Verlauf der Hauptverhandlung" an. "Ich finde es auch nicht schön, die Bilder anzuschauen. Aber wir haben sie nicht gemacht."

Chefarzt-Verteidiger Bernsmann jedenfalls meint, dass mit der erneuten Betrachtung der Bilder vor allem eines erreicht werden solle: "Stimmung erzeugen durch die nackte Intimsphäre der Zeuginnen."

Als die Fotos gezeigt wurden, wurde die Öffentlichkeit ausgeschlossen. Der Prozess geht am Dienstag, 5.07.16, um 9 Uhr weiter.