Unterschriften gegen Bebauungsplan in Gundelsheim

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Links das alte Baugebiet, dann der Graben und anschließend die Grünfläche, die zum Baugebiet werden soll Foto: Werner Baier
Links das alte Baugebiet, dann der Graben und anschließend die Grünfläche, die zum Baugebiet werden soll  Foto: Werner Baier
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Gundelsheim soll um 37 Häuser wachsen. 40 000 Quadratmeter Bauland schränken aber einen bedeutenden Orchideen-Standort ein. 200 Unterschriften hat die "Interessengemeinschaft zur Erhaltung des Gundelsheimer Grüngürtels" gegen den Bebauungsplan "Nordwest II" im Rathaus abgeliefert.

Mittlerweile liegen der Gemeindeverwaltung auch diverse Einsprüche gegen die erforderliche Ergänzung des Flächennutzungsplanes vor. Hört man allerdings den von der Notwendigkeit des Baugebietes restlos überzeugten Bürgermeister Jonas Merzbacher (SPD), so dürfte die Hoffnung der Anlieger im Gebiet Königsweg, Hasenleite, Obere Motschen und Hohenlohestraße sowie sonstiger Gundelsheimer Naturfreunde auf eine Umkehr des Gemeinderates sinken. Dieser ist, wie Merzbacher bei einem abermaligen Ortstermin mit Widerspruchsführern, Grundstücksbesitzern und vorgemerkten Bauinteressenten wiederholte, einmütig für das neue Baugebiet. Selbst die bündnisgrüne Gemeinderätin Maria Tadda hält zur Stange.

600 bis 700 Quadratmeter groß

Auf rund 40 000 Quadratmetern Wiesengrund sollen beiderseits einer noch zu errichtenden Erschließungsstraße 37 Einzelhäuser auf 600 bis 700 Quadratmeter großen Parzellen entstehen. Ein nicht geringer Teil des Grünlands, das die Gemeinde noch von den bisherigen - und verkaufswilligen - Grundeigentümern erwerben muss, wird für eine zwölf Meter breite Entwässerungsmulde benötigt, die das Neubaugebiet an seinem Nordwestrand vor dem Oberflächenwasser aus der angrenzenden Wiesen- und Waldlandschaft schützen wird. Der Graben wird in den Leitenbach münden und, so hofft Merzbacher, nur alle fünf Jahre Wasser führen. Die Mulde werde leichter zu pflegen sein als der Graben, der unmittelbar am jetzigen Ortsrand entlang verläuft und gelegentlich sogar durch Anlieger seiner Funktion beraubt werde.

Es gab Zusagen

Merzbacher versteht den Ärger der Randbewohner westlich des Königswegs, weil sie nach dem Flächennutzungsplan davon ausgehen konnten, dass das Grünland nicht mehr besiedelt werden wird. Den Bauherren waren Zusagen gemacht worden. Nun aber müsse Gundelsheim im Interesse der Infrastruktur und einer günstigeren Alterspyramide neues Bauland ausweisen.

Ein von der Gemeinde vor Jahren für 270 000 Euro erschlossenes Baugebiet von 6500 Quadratmetern befinde sich in Privatbesitz und sei nicht verfügbar, betonte das Gemeindeoberhaupt. Und ein Bauzwang sei zwischen der Gemeinde und dem Grundbesitzer nicht vereinbart worden. Ebenso wenig könne man die Eigentümer von sonstigen Baulücken oder Leerständen zum Verkauf verpflichten. Damit trat Merzbacher der Interessengemeinschaft entgegen, die vehement darauf verweist, dass in Gundelsheim 87 innerörtliche Baulücken vorhanden seien - mehr als doppelt so viele Baugelegenheiten, wie in dem Siedlungsgebiet geschaffen werden sollen.

Nicht nachhaltig

Es sei somit gar nicht nötig und liefe der Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung zuwider, argumentiert die von Kerstin Högen repräsentierte IG. Der Landschaftsverbrauch, die Bodenversiegelung müsse gestoppt werden. Die Gegner verweisen auf das ökologisch und demografisch begründete Ziel "Innenentwicklung vor Außenentwicklung" und vermissen Anreize für die Bebauung oder Veräußerung der ungenutzten innerörtlichen Immobilien.

Merzbacher lässt sich aber gerade in punkto Innenentwicklung nicht kritisieren. Das erfolgreiche Projekt "soziale Stadt" habe Gundelsheims Ortskern vorbildlich gestärkt. Aus Fehlern der Vergangenheit hat man gelernt: Für das Neubaugebiet werde ein Bauzwang innerhalb von fünf Jahren nach dem Verkauf einer Bauparzelle erlassen, versicherte er. Damit werde auch die unruhige Bauphase zeitlich beschränkt, versuchte Merzbacher die um ihre Wohnqualität bangenden Anlieger zu trösten. Die fürchten nicht nur den jahrelangen Baulärm, sondern auch die Mehrbelastung der angrenzenden Straßen durch Baufahrzeuge und Zunahme des Individualverkehrs. Die Verkehrs-Erschließung des Baugebietes halten sie für unzureichend.

Zu dicht bebaut

Auch sind sie der Meinung, dass das Gebiet zu dicht bebaut werde. Sichtachsen gingen verloren und der Freizeitwert werde sinken. Naturfreunde können zudem überhaupt nicht verstehen, dass durch die Siedlungsfläche an zwei Seiten der größte Standort des Kleinen Knabenkrautes (heimische Orchideenart) im Landkreis Bamberg beschnitten wird. Diesen Komplex lässt die Gemeinde durch ein Naturschutzgutachten prüfen, das zur Blütezeit der Rote-Liste-Art erstellt werden soll. Dass gegebenenfalls Ausgleichsflächen geschaffen werden müssen, ist dem Bürgermeister bekannt. Andererseits versteht er nicht, warum nicht längst dieser bedeutende Standort in die Biotopkartierung aufgenommen worden ist und niemand warnte, als 2012 mit der Baugebietsausweisung begonnen wurde. Stattdessen könne man selbst Gegner des Baugebietes dabei beobachten, wie sie auf der Orchideenwiese Drachen steigen ließen. Walter Voit hielt Merzbacher entgegen: "Hier überplanen Sie das ökologisch wertvollste Gebiet von Gundelsheim!" Der Bürgermeister nannte dies "Ansichtssache". Aus Gründen des Natur- und Landschaftsschutzes wäre es im Übrigen auch am Nordostrand von Gundelsheim nicht einfacher, ein Neubaugebiet auszuweisen, erklärte Merzbacher. Dort rückte man zu nahe an den Wald.

Er ist zuversichtlich, bei anhaltend hoher Nachfrage die Baugrundstücke zum Quadratmeterpreis um 150 Euro relativ rasch an den Mann zu bringen. Derzeit üblich seien in Gundelsheim Quadratmeterpreise um 190 Euro. Da der Bebauungsplan bereits mit übergeordneten Behörden abgestimmt ist, könnte einzig das Naturschutzgutachten den Fortgang noch behindern. Vom Bund Naturschutz erhofft sich Walter Voit allerdings keine Unterstützung bei einer denkbaren Popularklage; der Verband habe derzeit größere Aufgaben zu stemmen.

Im Frühjahr 2016 bestensfalls

Ob Bürger juristische Schritte gegen den Bebauungsplan einleiten werden, ist offen. Bestenfalls könne im Frühjahr 2016 mit den Bauarbeiten begonnen werden, sagt der Bürgermeister. Schwierigkeiten wegen der auf 8,75 Meter begrenzten maximalen Firsthöhe (angepasst an die Reihenhäuser in der Umgebung) oder wegen Wasserver- und Abwasserentsorgung erwartet Merzbacher nicht. Die Bauherren würden darauf hingewiesen, dass sie tunlichst "weiße Wannen" gegen Grundwasser einplanen und wegen der Autobahnnähe den passiven Lärmschutz ernst nehmen sollten. Gegebenenfalls könne die Gemeinde die Verbesserung des Lärmschutzes an der Fernstraße vor Gericht erstreiten oder auch 300 000 bis 400 000 Euro selbst für eine Nachbesserung in die Hand nehmen.

Merzbacher ließ sich ebenso wenig von seiner Marschrichtung abbringen, wie sich die beunruhigten Anlieger und Naturfreunde für das Projekt erwärmen ließen. Bis zum heutigen Montag nimmt der Bürgermeister noch Einwände entgegennehmen; die Einspruchsfrist ist am 30. April abgelaufen. Dann ist der Gemeinderat am Zug. Der Dorffriede ist auf eine harte Probe gestellt.