Zum ersten Mal trugen junge Autoren in der Alten Seilerei ihre Texte vor, während Live-Musiker einen Soundtrack dazu woben.
Die Älteren erinnern sich vielleicht noch an "Jazz und Lyrik" der 1960er Jahre mit Gottfried Benn und Peter Rühmkorf zu coolen Klängen. Lange verschwunden, tauchte das Genre in der Alten Seilerei am Samstag wieder auf, recycelt sozusagen, mit einer Jazzband, in der junge Musiker der Uni-Big-Band spielten und vom E.T.A.-Hoffmann-Gymnasium, und Poetry-Slammern.
Wer's von den Älteren immer noch nicht weiß: Das sind junge oder auch nicht mehr ganz so junge Autoren, die vor einem jungen oder nicht mehr ganz jungen Publikum einige Minuten lang selbst verfasste Texte vortragen, ähnlich dem Klagenfurter Wettlesen, aber viel ungezwungener und lustiger, und Menschen im Publikum dürfen Tafeln mit Punktwertungen hochhalten. Mittlerweile hat sich eine richtige Szene entwickelt, und ein Slam-Profi wie Christian Ritter ("Slamberg") lebt von diesen Veranstaltungen und ist auf dem Sprung zu einer "richtigen" Schriftstellerkarriere. Der perfekt moderierende Ritter hatte auch die Idee zu diesem Jazz-Poetry-Slam. Er lud die Autoren ein, Jakob Fischer von der Alten Seilerei organisierte die Band.
Die gekonnt aufspielte. Regel war, dass der Autor die Musiker kurz instruierte, was und wie sie spielen sollten. Das bedeutete dann solche schwer zu erfüllende Vorgaben wie die des Österreichers "Sivi", dass die Band ein Stück "fröhlich, aber nicht so hoffnungsvoll" anstimmen möge oder einen "Country Blues, aber lustig" (Zoë Hagen). Das konnte klappen oder auch nicht, allzu ernst nehmen sollte man das alles nicht. Auch nicht die Bewertungen der Zufalls-Jury oder die finale Entscheidung qua Applausintensität.
Und dennoch: Wunderbarerweise siegte der Beste der drei Dichter, die in Hin- und Rückrunde jeweils einen Text vortrugen; im Finale traten dann die zwei gegeneinander an, die in der Vorrunde die meisten Punkte eingeheimst hatten. Wer die beiden Slam-Symphonien der Symphoniker miterlebt hatte, musste konstatieren, dass diesmal schon eine Liga darunter gedichtet wurde. Was kein Wunder ist, denn zu jenen war die allererste Garde von Slam-Poeten aufgeboten worden. Doch auch in der Alten Seilerei fanden sich hübsche Einfälle in der Prosa wie "Das Leben ist halt kein Elfmeter gegen England" (Gögge) oder "Tränen sind der Schweiß des Herzens" (Hagen).
Freilich drehten sich die allermeisten Texte um die Adoleszenzprobleme der jungen Leute; vermutlich muss man selber jung sein, um das alles goutieren zu können. Auch weil die Popkultur mit ihren Jedis und Chewbaccas doch eine ferne Welt ist. Zoë Hagen aus Berlin, dunkelhäutig, beim Publikum vielleicht so etwas wie einen Welpenbonus provozierend, thematisierte immerhin auch den Alltagsrassismus, fiel aber mit ihrem Schlusstext "Ich bin gern junges Gemüse" deutlich ab. Sivi kultivierte so etwas wie Linzer Morbidezza, Johannes Berger aus Hannover versteht viel von Musik und sagte einen hübschen Satz wie "Mein Leben schmeckt nach einem Smoothie aus Hundekot".
Letztlich gewann jedoch verdient Björn Gögge aus Essen mit einem fulminant vorgetragenen Hass-Text, dem Höhepunkt des insgesamt doch gelungenen Abends. Der Sieger heimste Tand im Wert von zehn Euro ein, und die Zuhörer waren begeistert. Altersmäßig gespreizt übrigens von der Schülerin bis zum Opa. Was ja auch etwas Schönes ist.