Stauffenberg: Mit dem Dolch gegen das Geziefer

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Vor dem Attentat: Stauffenberg (Florian Walter, re.) und sein Adjutant Werner von Haeften Fotos: Thomas Bachmann
Vor dem Attentat: Stauffenberg (Florian Walter, re.) und sein Adjutant Werner von Haeften Fotos: Thomas Bachmann
Gerald Leiß und Bernhard Georg Rusch in einer Szene.
Gerald Leiß und Bernhard Georg Rusch in einer Szene.
 
Die Schauspieler Patrick L. Schmitz, Felix Pielmeier, Ulrich Bosch und Florian Walter.
Die Schauspieler Patrick L. Schmitz, Felix Pielmeier, Ulrich Bosch und Florian Walter.
 

Rainer Lewandowskis "Stauffenberg" gerät in einer biederen Inszenierung am Bamberger E.T.A.-Hoffmann-Theater zur einseitigen Parteinahme.

Dass Claus Schenk Graf von Stauffenberg eine durchaus umstrittene Figur ist, zeigt nicht zuletzt die immer wieder beschmierte Gedenktafel am Alten Rathaus. Der Attentäter vom 20. Juli 1944 ist längst Gegenstand eines Historikerstreits geworden. Dient er den einen als eine Art Rehabilitation für das katastrophale Versagen konservativer Eliten bei der sogenannten Machtergreifung, sehen andere in ihm einen Repräsentanten der Adelskaste, die erst am Regime zweifelte, als die sehr reale Gefahr drohte, ihre Rittergüter an die Bolschewiken zu verlieren.


Stück wird zur Heiligenverehrung

Eine ambivalente, spannende Gestalt also, zweifellos. Wie geschaffen als Protagonist eines biografischen Dramas. Der Intendant Rainer Lewandowski hat Stauffenberg in seinem gleichnamigen Stück, am Samstag im E.T.A.-Hoffmann-Theater uraufgeführt, ein Denkmal gesetzt. Seine Interpretation der Figur, seine Parteinahme ist eindeutig: Es ist die der Konservativen. Lewandowskis Stauffenberg-Drama gerät zur Apologie, ja zur Hagiographie.

Dabei betonen dieses Stück und diese Inszenierung (Peter Bernhardt) die Prägung des Helden durch den Dichter Stefan George und seinen Kreis. Schon im ersten Bild der als schnelle Szenenfolge aufgebauten dramatisierten Biografie sieht man Stauffenberg und seinen älteren Bruder Berthold zu Füßen des als Dichterfürsten Dante Alighieri kostümierten Meisters (Florian Walter, der auch den gereiften Stauffenberg spielt). Ein wichtiger Strang der Sozialisation des späteren Attentäters, und Lewandowski lässt seinen Stauffenberg denn auch des Öfteren im hohepriesterlichen George-Ton sprechen, wenn er Passagen aus dem Gedicht "Widerchrist" zitiert, vom "Geziefer" spricht oder dem "Dolch im Lorbeerstrauße". Wie auch das Bühnenbild Monika Maria Cleres' George-Porträts an die Rückwand projiziert. Die Nähe des elitären George-Kreises zur Konservativen Revolution, zum Führer-Gedanken, zu antidemokratischen, romantisch-mystischen Fantastereien von einem "Geheimen Deutschland" - das alles war halt so, bleibt unproblematisiert. Stattdessen sehen wir einen den Nazi-Pöbel verabscheuenden Stauffenberg am Sarg seines "Meisters".


Privilegierte Klasse

Was ja durchaus so gewesen sein mag. Doch der Mann ist auch Repräsentant einer Klasse gewesen, die sich sehr wohl ihrer Privilegien bewusst war. Aber es menschelt ganz gewaltig wie im Groschenheft, wenn wir die Adligen beim Tanze sehen, bei der Weihnachts- und Verlobungsfeier. Claus und Nina Freiin zu Lerchenfeld (Nadine Panjas), spätere Gattin Stauffenbergs, finden sich in Bamberg, wo der schneidige junge Mann beim 17. Reiterregiment dient. Überhaupt fällt der Name der Stadt demonstrativ häufig, so wie die mehr als einmal hölzernen Dialoge schulfunkhaft die Historie nacherzählen, brav und bieder und uninspiriert wie das gesamte Stück und dessen Inszenierung.

Keine Spur von Kritik an diesem Stauffenberg. Wie war denn nun seine Haltung zu den braunen Horden? Es mag ja sein, dass seine Teilnahme an einer Pro-Nazi-Demonstration in Bamberg eine Legende ist. Allzu weit wird er vom Common Sense militärischer Eliten nicht entfernt gewesen sein, die Hitler als nützlichen Idioten sahen. Auf der Bühne zeichnet sich bereits im jungen Stauffenberg (Bernhard Georg Rusch) der spätere Mann des Widerstands ab, der angeekelt einen Auftritt Julius Streichers (schön widerwärtig Patrick L. Schmitz) verlässt. Das macht noch keinen Regimegegner.

Vollends überflüssig ist die faktengetreue Nacherzählung des Attentats vom 20. Juli. Wir sehen einen gebückten, parkinsongeschüttelten Hitler (Gerald Leiß) in der Wolfsschanze, wir hören eine gewaltige Explosion, nachdem zuvor bereits Stroboskop-Gewitter den Tieffliegerangriff auf Stauffenberg in Afrika visualisiert hatte. Das alles kann das Kino viel besser und hat es unter anderem mit Tom Cruise bereits getan. Der stümperhaft vorbereitete und versuchte Putschversuch der Militärs - hat sie ihr ebenfalls auf der Bühne geschworener heiliger Führer-Eid davon abgehalten, Hunderttausende militärisch sinnlos in den sicheren Tod zu schicken? - wird zur Farce. Der Held stirbt mit dem Ruf "Es lebe das geheime Deutschland!"


Rührstück statt Aufklärung

Lewandowskis "Stauffenberg", eigens zum 70. Jahrestag des 20. Juli geschrieben, trägt kaum etwas zur Aufklärung über die Rolle dieser historischen Figur bei. Vollends zum Rührstück wird es, wenn Familie und Frauen ins Spiel kommen: die Buben, die tapfere Nina, deren drollige Mutter (Eva Steines), die toughe Melitta von Stauffenberg (Elena Weber).

Dass diese Testpilotin keine unbedeutende Rolle in der NS-Rüstungsindustrie spielte - egal, Hauptsache emanzipiert, souffliert auch das Programmheft. Das ist, mindestens, unreflektiert. Die Regie kann da auch nicht viel retten; Nazi-Märsche und KZ-Szenen wirken aufgepfropft. Weniger wäre wie häufig bei Lewandowski viel mehr gewesen. Das Ensemble wird in dem personenreichen Stück durch Mehrfachbesetzungen gefordert, müht sich redlich und wurde auch durch freundlichen Beifall belohnt.

Im Theaterfoyer hängen in einer Ausstellung Bamberger Widerständler auch Fotos von Willy Aron. Der wurde 1933 im KZ Dachau ermordet, als ein Stauffenberg noch von seinem heiligen oder geheimen Deutschland schwärmte.


Weitere Vorstellungen

Termine 13.-16., 19.-21., 28. Februar, 1. März. Dauer ca. 130 Min., eine Pause.
Karten unter Telefon 0951/873030, E-Mail: kasse.theater@stadt.bamberg.de