Einen Fußgängerstadtplan ließen sich Markus Schäfer und Yvonne Slanz einfallen, um Autofahrern in der Domstadt Beine zu machen. Natürlich gingen die beiden Straßenmanager aus Bambergs ältestem Stadtteil flotten Schrittes mit gutem Beispiel voran, wie sie berichteten.
Was war heute Ihr weitester Weg? Vom Bett zur Fernsehcouch - oder gar zur Garage? Wozu laufen, wenn man auch fahren kann, fragt sich eben jeder Bewegungsmuffel. Tja, der innere Schweinehund ist auf Zack, während wir - als einstige Jäger und Sammler - abschlaffen. Dagegen stemmen sich Markus Schäfer und Yvonne Slanz vom Straßenmanagement "Sand" mit ihrem Plan: einem Fußgänger-Stadtplan. Das erklärte Ziel: "Möglichst viele Leute zum Gehen zu motivieren."
"Gehen ist geil! Gehen macht Spaß! Gehen heißt genießen", meint Schäfer. Und gerade im "überschaubaren"
Bamberg seien viele Wege gut zu Fuß zurückzulegen. Zumal die Beine "das günstigste Fortbewegungsmittel sind", wie der Straßenmanager argumentiert. Auch ist man/frau in der Innenstadt flotter zu Fuß als mit dem Wagen unterwegs - ohne nervenzehrende Parkplatzsuche, Staus und Warten vor roten Ampeln.
Im Postkartenformat
Im Zentrum des Stadtplans, der im Postkartenformat erschien, steht Bambergs ältester Stadtteil. "Einerseits, weil der Sand tatsächlich so etwas wie die Mitte unserer Stadt darstellt. Andererseits,weil die IG interesSand die Aktion sponsert", so Straßenmanager Schäfer. Im Norden zieht sich die Wegstrecke bis Gaustadt, der Ottokirche und dem Bahnhof. Die südlichsten Zielpunkte des Plans sind Wildensorg, die Altenburg, die Würzburger Straße und der Park-&-Ride Platz am Heinrichsdamm.
"Zentrale Anlaufstellen in Bamberg, die Einheimische kennen, sind dargestellt." Aber eben auch Parkplätze, ZOB und Bahnhof als Startpunkte Auswärtiger, die mit ihrem Wagen, Bus oder Bahn nach Bamberg fahren und sich dann erst auf die Socken machen. "Neue Stadtteile wie der Erba-Park und das künftige Quartier Lagarde wurden berücksichtigt", berichtet der Mitinitiator. Das Areal der Fußgängerzone sei eigens hinterlegt. Naherholungssuchende würden zum Ottobrunnen, Michelsberg, Teufelsgraben, Hain und der Altenburg geleitet.
Schneller als der Durchschnittsgeher
Unterschieden wird bei "Bamberg zu Fuß" in grüne Wege, die durch die Natur führen, orange und graue entlang der Straßen. "Alle Wegestrecken wurden gemessen, sämtliche Zeiten dem Durchschnittsgeher entsprechend angegeben", so die Initiatoren, die den Plan bei Sonntagsspaziergängen nach und nach abliefen. "Wir selbst waren dabei wohl etwas schneller als 5 km/h", berichtet Markus Schäfer. Viel flotter als der Durchschnittsgeher allerdings auch nicht, zumal der sportliche Ehrgeiz des Straßenmanagers Grenzen kennt. So läuft Schäfer in seiner Freizeit zwar lieber als die Umwelt mit dem Auto zu verpesten, joggt aber nicht unbedingt gerne.
Mit Einkehr zwischendurch
Welche Lieblingsstrecken können die beiden Kollegen Lesern mit auf den Weg geben? "Vom Sand über den Michelsberg, weiter zum Teufelsgraben, der Altenburg und zurück", so Schäfers Antwort - "mit Einkehr zwischendurch": Versteht sich! Während Yvonne Slanz am liebsten am Wasser entlang vom Sand zum Erbapark unterwegs ist.
Mit ihrem Plan unterstützen die Straßenmanager nicht zuletzt das Leitbild "Stadt der kurzen Wege". So engagieren sich Stadtplaner seit den 80er Jahren bekanntlich dafür, Autofahrern Beine zu machen, indem sie räumliche Distanzen verringern und Alternativen zum Individualverkehr möglichst attraktiv gestalten. Was in einer Stadt wie Bamberg auch von Bedeutung ist, um das historische Zentrum vom Kraftfahrzeugverkehr zu entlasten.
Wussten Sie übrigens, dass der Mensch schon weit vor der Technisierung gehfaul wurde? So wiesen Forscher per Knochenanalyse nach, dass Ackerbau und Viehzucht ab der Jungsteinzeit den Niedergang des Bewegungsdrangs brachten.
Vielleicht kann der neue Stadtplan Faultiere wieder zum Laufen bringen. Im Sinne von Søren Aabye Kierkegaard als dänischem Philosophen, den die beiden Straßenmanager zuletzt noch zitierten: "Vor allem aber verliert nicht den Wunsch zu gehen! Jeden Tag laufe ich mich selbst in einen Zustand des Wohlbefindens hinein und laufe jeder Krankheit davon. Ich habe mich selbst in meine besten Gedanken hineingelaufen und kenne keinen Gedanken, der so schwer ist, dass ich ihm nicht davonlaufen könnte."
Erhältlich ist der Fußgängerstadtplan der IG interesSAND übers Straßenmanagement "Sand" (Luitpoldstraße 25). Auch im Rathaus und diversen Geschäften des Sandgebiets liegen die Karten zum Nulltarif aus.
Zwei Defizite und ein sachlicher Fehler sind mir sofort aufgefallen:
1. Es wird kein Wort darüber verloren, daß sich die Stadt Bamberg einen feuchten Kehricht um rechtliche Bestimmungen und fachliche Vorgaben bei der Gestaltung des fußläufigen Verkehrs schert, wenn sie Nachteile für den Autoverkehr fürchtet.
2. Wer in der Stadt zu Fuß unterwegs sein möchte, kommt nicht zwangsläufig mit Auto, Bus oder Bahn. Viele wählen das Fahrrad. Somit wären nicht nur Autoparkplätze, sondern auch zentrale Möglichkeiten, das Fahrrad sicher abzustellen, aufzuzeigen.
3. Mit "Alternativen zum Individualverkehr" sind sicher "Alternativen zum motorisierten Individualverkehr" gemeint. Denn zum Individualverkehr zählen Gehen und Radfahren ebenfalls - auch, wenn die autoverliebten Verkehrsbehörden nicht motorisierte Mobilität nicht als Verkehr ansehen und ernstnehmen.
Punkt 1 wäre näher zu erläutern:
Die "Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen" (RASt06) sowie die "Empfehlungen für Fußverkehrsanlagen" (ERA) konkretisieren die Bestimmung der "Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung" (VwV-StVO), welche vorgibt: "Das Parken auf Gehwegen darf nur zugelassen werden, wenn genügend Platz für den unbehinderten Verkehr von Fußgängern gegebenenfalls mit Kinderwagen oder Rollstuhlfahrern auch im Begegnungsverkehr bleibt". Demnach ist ein von Hindernissen freier Regelquerschnitt des Gehwegs von mindestens 2,50 m, je nach Nutzung mehr, zu belassen. Lediglich an kurzen, unvermeidbaren (!) Engstellen darf auf 2,20 m reduziert werden. Doch der Stadtrat hat erst kürzlich beschlossen, sich an diese Vorschrift (!) nicht halten zu wollen.
Die gleichen Maße gelten, sollen benutzungspflichtige Radwege angeordnet werden. Doch in Bamberg nehmen die Verkehrsbehörden keine Rücksicht und ordnen nach Gutdünken an, selbst, wenn nicht einmal ein Meter für die Fußgänger verbleibt.
Fußgängerfreundlich geht anders: www.fuss-ev.de!